Skip to main content

6. E-Book-Konferenz: Die neue Ungemütlichkeit

Der thematische Bogen war breit gespannt auf der 6. E-Book-Konferenz, die am vergangenen Dienstag  in München stattfand, es gab Ausblicke weit in die Zukunft. Bleibt die Frage, ob die Buchbranche für diese Zukunft schon bereit ist. AKEP-Sprecher Steffen Meier hatte den Eindruck, einige "Digital Divides" taten sich sichtbar auf – ein Nachbericht.

Die Konferenz war in drei thematische Blöcke aufgeteilt: "Digital Change: Neue Strategien im Markt für digitale Inhalte", "Neue Wettbewerber und Geschäftsmodelle: Selfpublishing und Crowdfunding" und "Update Marketing, Vertrieb und Pricing". Einige interessante Highlights daraus seien hier in der Nachbetrachtung herausgegriffen.

Nischen beginnen lukrativ zu werden

Werner-Christian Guggemos, Geschäftsführer von ciando und Konferenzmoderator, gab einen Blick aus der Vogelperspektive: E-Book-Vertrieb sei Mainstream geworden, das Titelangebot inzwischen 7-stellig, die E-Book-Umsätze hätten sich in den letzten Jahren exponentiell entwickelt. Deswegen würden nun auch Nischen lukrativ werden wie Bundles, die Onleihe, der Vertrieb im Buchhandel, Selfpublishing und "Shorties". Die Aussage, die "Sättigungsgrenze sei in 3-4 Jahren erreicht" mag durchaus kontrovers diskutiert werden. Dass aber "neue Formen des E-Books nötig" seien ist zumindest als Lippenbekenntnis Konsens.

Dann ging es hurtig, aber auf sachlich hohem Niveau weiter – die Produktpräsentation hielten sich in angenehmen Grenzen). Es wurden Themen wie Prozesse, agile Daten und Standards der Personalentwicklung dargestellt. Mit Sicherheit eine trockene Thematik, aber dennoch ein absolutes Kernthema.

E-Books bei buch.de: Wenige Bestseller, langer Longtail

eBook/pBook-Quote bei buch.de

eBook/pBook-Quote bei buch.de

Interessant war ein Innenbild von Bernhard Mischke von und über die Thalia-Tochter buch.de. Weniger die inzwischen sattsam bekannte Tolino-Strategie, sondern die Tatsache, dass das E-Book inzwischen 40 Prozent Anteil im Bereich der Belletristik bei buch.de einnimmt, Besteller wie "Erwartung" und "Ein ganzes halbes Jahr" verzeichneten eBook-Anteil von über 60 Prozent. Im E-Book-Bereich gebe es insgesamt wenige Beststeller, denen ein sehr langer LongTail folgt. Interessanterweise hat die Gruppe des "hybriden Kunden" (kauft beide Produktformen) die höchste Kaufintensität, eine (noch) kleine Zielgruppe, aber mit den höchsten Wachstumsraten.

International und futuristisch

In zwei anderen Themenfeldern wurde es dann noch sehr spannend. Das eine betraf die Zukunft des E-Books, das andere die Internationalisierung der digitalen Märkte.

Nie um markante Statements verlegen, widmeten sich Sobooks-Macher Sascha Lobo mit einem Blick auf das soziale Element des Lesens ("DRM ist das Senfgas des Internets") und Crowdfunder Dirk von Gehlen ("Kultur wird zu Software") mit der Auflösung des klassischen geschlossenen Kodex-Formats den Dingen, die da kommen mögen. "Text als Quelltext verstehen", oder von "Mashups, Remixes, Fanfiction" zu reden führte dann doch den einen oder anderen an seine Grenzen.

Learnings aus dem China-Engagement von Bastei Entertainment

Learnings aus dem China-Engagement von Bastei Entertainment

Zur deutlichen Erleichterung der Teilnehmer wurde es dann in einem Beitrag von Rita Bollig von Bastei Entertainment für viele zwar internationaler, aber auch greifbarer. Dabei liegt es ja geradezu auf der Hand, in einem Zeitalter, in dem digitale Märkte nicht logischerweise an nationalen Grenzen Halt machen müssen, sich diese Märkte anzusehen. So war es doch interessant zu erfahren, dass etwa China der Markt mit den meisten verkauften App-Downloads ist und gar nicht so sehr Wild-West, wie man das eurozentrisch hierzulande gerne denkt.

Aber auch bei der Produktkonzeption geht man bei Bastei neue Wege: nicht nur Internationalisierung gleich mitzudenken, sondern auch so zu schreiben, also nicht traditionell aus der deutschen Sprache heraus, sondern entwickelt von englischen Autorenteams als "source language". Oder in Eigeninitiative deutsche Autoren wie etwa Andreas Eschbach selbst als Übersetzung in Auftrag zu geben und international zu vermarkten. Dies sind erste Anzeichen dafür, dass in den nächsten Jahren der (digitale) Lizenzhandel komplett auf den Kopf gestellt wird. Sicher ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich hier als Verlag zu positionieren.

Eine Buchbranche, viele digitale Welten

Der Informations-Input war außerordentlich groß – groß war aber auch bei einigen Themen die gefühlte Unruhe bei den meisten anwesenden Verlagsvertretern. Moderator Werner-Christian Guggemos versuchte diese Unruhe in seiner Schlußmoderation auch zu fassen. Er sprach von "Digital Divides", die durch die Branche gingen bei einem Themenbogen von PDA (Patron Driven Acquisition) bei Wissenschaftsverlagen bis zu Übersetzungen digitaler Inhalte in Mandarin wie bei Bastei Entertainment. Fakt ist: Wir sprechen zwar von "einer Branche", aber die Produkt- und Marktanforderungen allein zwischen Fach- und Belletristikverlagen liegen Welten auseinander. Dafür gibt es wiederum sehr ähnlich gelagerte Probleme beim Thema Umstrukturierung und dem "richtigen" Personal. Auch der Anmerkung, das "E-Book hinkt der Entwicklung der anderen Mediengattungen hinterher" kann man nur zustimmen. Mit der 1:1-Digitalisierung unserer Print-Produkte kann die Fantasie der Verlage doch nicht erschöpft sein.

Aber genau diese Fantasielosigkeit, die auch etwas von Hilflosigkeit flankiert war, zeigte sich bei den Reaktionen auf die Beiträge von Dirk von Gehlen und Sascha Lobo. Und das, obwohl beide interessanterweise explizit ihre sicherlich futuristischen Vorträge entweder mit bildhaften Metaphern oder dem Verweis auf Elemente, die es auch früher schon gab, fassbarer gestalten wollten. Hier war doch viel Unverständnis seitens der Konferenzteilnehmer zu spüren. Oder, wie Guggemos formulierte: "Neue Produktphilosophien sind ungemütlich". Mag sein. Aber gemütlich geht es im Marktumfeld der Medien schon lange nicht mehr zu. Sich aus dieser Motivation heraus ganz pragmatisch dem Wandel und neuen Ideen zu verweigern, wird sich für Verlage als finaler Fehler herausstellen.

Ähnliche Beiträge


Kommentare


Links der Woche KW 49 | if-eBooks 7. Dezember 2013 um 09:56

[…] dazu auch die Zusammenfassung der eBook-Konferenz, die am Dienstag in München stattfand, auf lesen.net von Steffen Meier. Neben Kritik an der Haltung vieler Verleger verwies Meier auf den Einblick, den […]

Antworten

Die wilde Verfolgunsgjagd des Herrn Lobo ← Quo Vadis Buch? 16. Dezember 2013 um 12:08

[…] Auch wenn die von Sascha Lobo und Dirk von Gehlen angesprochenen Themen richtig und wichtig sind, so ziehen sie doch geistig in großen Schritten an den Verlagen vorbei. Während beide versuchen, das „Produkt Buch“ zu hinterfragen und neue Kommunikationsmodelle auf den Markt zu bringen, kämpfen andere noch mit der Idee, eBooks herauszubringen. Was dabei entsteht, ist ein Auseinanderdriften, eine Distanz zwischen den „Schnellen“ und den „Langsamen“. Steffen Meier sprach auf der Konferenz vom „Digital Divide“. […]

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*