Skip to main content

txtr stampft Community ein

txtrMit großen Ambitionen machte das Startup txtr im Sommer 2009 von sich reden: Man plante als deutschen Gegenentwurf zu Amazons Kindle Plattform ein voll vernetztes eBook-Ökosystem bestehend aus Website, Apps und einem eigenen eBook Reader. Dabei setzte das Berliner Unternehmen von Beginn an auf die Weisheit der Massen (bzw. auf deren Texte): Hochgeladene Dokumente konnten beliebig geteilt und auch über mobile Endgeräte geschmökert werden.

Nachdem der eigentlich schon fürs Weihnachtsgeschäft 2009 geplante txtr Reader aufgrund von Produktionsmängeln immer wieder verschoben werden musste und preislich wie funktional inzwischen nicht mehr konkurrenzfähig ist, konzentrierte sich txtr in den vergangenen Monaten zunehmend aufs B2B-Geschäft – mit einigem Erfolg.

txtr1Publik wurden unter anderem Kooperationen mit ASUS und Pocketbook, darüber hinaus sollen die Berliner unter anderem in Ungarn und Südamerika aktiv sein. Mit rund 50 Beschäftigten übertrifft die Unternehmensgröße von txtr die vieler ungleich bekannterer deutscher "Buch 2.0" Unternehmen (textunes, paperc, Lovelybooks …) bei weitem.

Das ohnehin irrelevante Endkundengeschäft beziehungsweise konkret die Community wurde für txtr da zunehmend zum Klotz am Bein, und so zieht das Unternehmen nun kurzerhand den Stecker: Im Zuge eines Relaunches werden zeitnah sämtliche öffentliche Ordner entfernt, die Inhalte werden in die privaten Bibliotheken der Ersteller kopiert. Auch das Instant Messaging System wird abgeschaltet, bislang angelegte Kontaktlisten und ausgetauschte Nachrichten gehen verloren. Wer Konversationen sichern oder noch ein paar spannende gratis eBooks von txtr.com laden möchte (etwa hier), sollte also keine Zeit verlieren.

Neben der Neuausrichtung vom Geschäftsmodell in Richtung Geschäftskunden spielte auch Piracy eine Rolle bei der Entscheidung zum Relaunch, so txtr-Sprecher Fabian Heinrich im Gespräch mit lesen.net: "Leider sind auf der Plattform in letzter Zeit auch vermehrt illegale Kopien von eBooks aufgetaucht. Im Sinne der Rechtssicherheit und unserer engen Zusammenarbeit mit den Verlagen, Kunden und Partnern ist das natürlich kontraproduktiv."

Dass Dokumenteplattformen – insbesondere solche mit Downloadmöglichkeit – ein beliebter Austauschort für Piraten sind, ist kein Geheimnis; das führende US-Portal Scribd büßte vor einiger Zeit infolge eines restriktiveren Vorgehens gegen illegale Inhalte einen wesentlichen Teil seiner Reichweite ein. Für txtr stand der zur Prävention und Entfernung von Piracy nötige Aufwand in keinem Verhältnis zu den neu definierten Unternehmenszielen, zumal txtr.com zuletzt wohl ohnehin eher als Demo-Plattform für potenzielle Geschäftskunden denn als aktive Gemeinschaft für Lesefreunde fungierte.

txtr_solution_components101110_3Social Reading beschrieben wir als einen eReading Megatrend für 2011. txtr war mit seinem nicht vollumfänglich ausgearbeiteten Sharing-Ansatz sicherlich kein typischer Vertreter dieser Gattung, steht aber exemplarisch für die Unwägbarkeiten dieses Geschäftsmodells aus Anbietersicht. Entsprechende Plattformen sind infolge des user-generated content überproportional pflegeintensiv und – im Fall vom Dokumentenaustausch – vielfach nur indirekt monetarisierbar. Zudem gilt es eine ausreichende Anzahl an aktiv partizipierenden (in diesem Fall: teilenden und diskutierenden) Nutzern für sich zu gewinnen, um der technischen Plattform sozusagen soziales Leben einzuhauchen. Für txtr ging diese Rechnung offensichtlich nicht auf, der Ärger um den txtr Reader hat den Berlinern hier das wirtschaftliche Genick gebrochen.

Ganz verabschiedet hat sich txtr freilich noch nicht von seiner Hardware. Im vergangenen Monat kursierende Meldungen um ein endgültiges Aus des txtr Reader verwies Unternehmenssprecher Fabian Heinrich ins Reich der Gerüchte: "Der Reader ist definitiv nicht tot. Plan ist es nach wie vor, einen Businesspartner zu finden, mit dem man zusammen die Produktion und das Pricing wettbewerbsgerecht umsetzen kann." Ein 'wettbewerbsgerechtes Pricing' würde in jedem Fall deutlich unter den 300 Euro liegen, die txtr noch im September 2010 für sein innovatives, aber technisch doch leicht angestaubtes Lesegerät ausrief.

Ähnliche Beiträge


Kommentare


Andi 28. Januar 2011 um 23:17

Die sollen einfach ihren Laden einstampfen und zugeben, dass es in diesem Leben keinen txtr-Reader mehr geben wird …

Antworten

Andrea 29. Januar 2011 um 09:17

Bitte nicht den ganzen Laden einstampfen ;-) txtr ist nach wie vor der einzige E-Book-Reader für iPhone, der mit DRM-E-Books umgehen kann – die man nicht via iBooks erworben hat. Oder gibt es da inzwischen doch etwas Neues?

Antworten

Johannes 29. Januar 2011 um 11:13

@Andrea Schau' dir mal http://www.bluefirereader.com/ an (gibt’s auch im deutschen App Store)

ciao
Johannes

Antworten

Thomas Knip 30. Januar 2011 um 13:03

Ein Sterben auf Raten. In diesem Schwebezustand bleibt uns txtr noch gut zwei, drei Jahe erhalten.

Antworten

Sven 31. Januar 2011 um 13:54

Irgendwie schade den Potential hatten die von Anfang an.

Antworten

Oyo WLAN+3G (vorerst) gestorben » eReader » lesen.net 8. Februar 2011 um 18:08

[…] primär hardwareseitigen) Qualitätsproblemen immer wieder verschoben wurde und letztlich sogar die Unternehmensziele änderte. Was bei einem Startup wie txtr allerdings durchaus erwartbar ist, stellt im Fall von Thalia doch […]

Antworten

Granon 18. Juli 2011 um 16:59

Potential? Potential hatten im besten Falle die Versprechungen ;-)

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*