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Von Hype und Relevanz: Der deutsche E-Book-Markt

Ende vergangener Woche vorgelegte neue GfK-Zahlen zum Buchmarkt werfen ein Schlaglicht auf die Entwicklung des Geschäfts mit E-Books hierzulande. Steffen Meier, als Sprecher des AKEP (Arbeitskreis Elektronisches Publizieren im Börsenverein) so etwas wie oberster deutscher E-Book-Lobbyist, ordnet in einem Gastartikel für lesen.net die neue Studie ein und zeigt wesentliche Problemfelder auf.

Zur Präsentation der ersten E-Book-Marktstudie riefen die Branchengranden noch den Hype und die Revolution aus. Ich redete lieber von Evolution statt Revolution (was mich bei einigen Kommentatoren glatt zum E-Book-Feind werden ließ). Die Presse war angesichts des Rummels auf der einen Seite und den realen Zahlen auf der anderen Seite enttäuscht. Interessanterweise – aber für mich unverständlich – hat sich die Situation mit den Zahlen der aktuellen E-Book-Marktstudie für 2012 fast gedreht. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels redet richtig, aber nüchtern von der "Relevanz" des E-Book-Marktes für die Branche, die Journalisten sind immer noch von einer E-Book-Nachfrage enttäuscht, die sich nur langsam entwickelt – während ich die Zahl von fast 10% Marktanteil eigentlich einen Grund zur Freude finde (und zum Nachdenken).

Einer der Gründe dafür ist das missverständliche Operieren mit zwei unterschiedlichen Zahlenbasen. Zum einen der GfK -Studie, die quasi am Point-of-Sale den Endkunden in Form eines Konsum-Tagebuchs befragt. Sie beinhaltet auch Selfpublishing-Produkte, fragt aber nur einen Teil der Verlagsprodukte ab – es fehlen Schul- und vor allem Fachbücher. Hier liegt der Umsatzanteil am Buchmarkt bei 2,4%, bei 13,2 Mio. heruntergeladenen E-Books und einem Durchschnittspreis von 7,72 EUR also ein Volumen von fast 102 Mio.

Die andere Untersuchung fragt nicht beim Endkunden ab, sondern beim Produzenten, den Verlagen. Hier sieht die Situation durch den Gesamtquerschnitt deutlich anders aus und der durchschnittliche Umsatzanteil liegt bei 9,5%. Leider liegen keine Zahlen für den Gesamtumsatz aller Verlage vor, um hier ein Gesamtvolumen zu errechnen.*

E-Book-Zahlen: Es geht um Akzeptanz

Nun könnte man sich als unbeteiligter Beobachter fragen, warum man sich innerhalb der Branche über unterschiedliche Zahlen, Gesamtvolumina etc. die Köpfe heiß redet. Die Antwort ist einfach: Es geht um Akzeptanz.

Als noch von Hype die Rede war, ging es um gerade einmal 1% Marktanteil (GfK-Zahlen). Keine besonders gute Ausgangslage, um in Verlagen Investitionen für E-Book-Workflows zu begründen oder gegen das klassische Vertriebsleiterargument "Ich mache ja immer noch 99% meines Umsatzes mit Print" anzukämpfen. Dennoch haben viele Verlage genau dies gemacht: leise, still und heimlich investiert, in technische Workflows und interne Abläufe. Der Lohn sind jetzt eben jene fast 10% Umsatzanteil, die mehr als nur relevant sind.  Auch die Zahl der Novitäten als E-Book steigt kontinuierlich (auf jetzt 54%). Über 53% aller Verlage bieten inzwischen E-Books an, insgesamt 84% wollen dies in ihr Produktportfolio aufnehmen.

Verlage können doch "Innovation"

Fakt ist: Der Beweis ist erbracht, dass E-Books ein wachsender Markt sind, nicht sprunghaft, aber mit steigender Dynamik. In wenigen Jahren hat sich die Situation gedreht, bald müssen Verlage sich rechtfertigen, warum sie keine E-Books im Portfolio führen. Und der Beweis ist erbracht, dass Verlage auf ihre ureigene Art und Weise doch "Innovation" können.

Warum also dennoch sorgenvolle Gesichter?

Problem 1: Kannibalisierung

booksMan kann es nicht oft genug wiederholen: Technisch gute E-Books zu produzieren kostet Investitionen und Ressourcen. Der gegenüber Print eingesparte Druck- und Bindekostenanteil ist heute im Gesamtkontext eher marginal. Zudem gefährdet der höhere Umsatzsteueranteil sowieso nicht in großem Umfang vorhandene Erlöse. Die entscheidende Frage ist, ob es gelingt, mit E-Books neue Käuferschichten zu erreichen oder nur eine Abwanderung von Print hin zu Digital stattfindet. Viele Kollegen gerade aus Belletristikverlagen beobachten dies durchaus, zumal auch durch Selfpublishing angeheizt sich langsam sehr niedrige Ladenpreisschwellen ausbilden. Etwas hoffen läßt hier eine Untersuchung der GfK, die aufzeigt, dass es doch eine "Zuwanderung" von bisherigen Print-Nicht-Lesern gibt. Entscheidend wird sein, ob diese Neukunden insgesamt ausreichen, den Verlust in Print auszugleichen. Und entscheidend wird auch die alte Streitfrage sein, wie das Pricing bei E-Books aussehen soll. Immerhin bieten laut Verlagsumfrage des Börsenvereins inzwischen 48% aller Verlage ihre E-Books unter der "magischen Grenze" von 20% des Ladenpreises des gedruckten Buches an. Vergrößert ein günstiger E-Book-Kreis den Käuferkreis – oder erleben wir ähnliche Preisschwellen wie im App-Markt, die Verlagen eine vernünftige Teilnahme am mobilen Geschäft fast unmöglich machen?

Problem 2: Monopolisierung

kindle_paperwhiteEin Handelsmonopol entsteht und hört auf den Namen "Amazon" – eine Monopolisierung des Zugangs zum Endkunden. Laut GfK liegt Amazon hierzulande 2012 bei 41% Marktanteil, Thalia bei 16% (mit buch.de und bol.de), Weltbild bei 18%, Apple liegt mit 10% auf Platz 4. Natürlich bestimmt die Hardware und deren Verbreitung klar den E-Book-Markt. Und natürlich nutzt der Käufer die Bequemlichkeit, die er etwa in Shops wie Amazon oder dem iBookstore hat. Damit besetzen diese Plattformen aber genau den Endkundenzugang, den Verlage zukünftig brauchen werden, um vernünftige Produkte zu machen, denn hier geht ohne den kritischen Konsumenten nur sehr wenig. Wie aber mit ihm kommunizieren, wenn man quasi eine E-Books nur brav auf einem Server ablegt und dafür Umsatzzahlen – und sonst nichts – bekommt? Wie Marketing für Produkte machen, Sichtbarkeit ("Discoverability" auf neudeutsch) erreichen, wenn der einzige Aufmerksamkeitspunkt des Nutzers die aktuellen redaktionellen Auswahllisten der Plattformen sind. In die man sich mit viel Glück nur mit viel Geld einkaufen kann?

Während die Kannibalisierungsthematik vielleicht ein Problem einiger Teilsegmente der Buchbranche ist, betrifft die Entstehung von Handelsmonopolen alle Verlage. Insofern ist auf der einen Seite durchaus Freude angesichts eines Umsatzanteils der E-Books von fast 10% und der "Relevanz" dieses Marktsegments angebracht – aber damit werden auch die einhergehenden Probleme relevanter. Es wird nicht langweilig in der Buchbranche.

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*Anmerkung: fairerweise muss man dazu sagen, dass wir für den deutschen Buchmarkt mit den beiden Studien wenigstens relevantes und valides Zahlenmaterial haben. Viele ausländischen Marktzahlen, die hierzulande durch jedes Branchenorgan getrieben werden, fußen dagegen mitunter auf der Angabe einiger weniger Teilnehmer.

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Kommentare


Thomas 11. Juni 2013 um 12:00

Punkt 1) Kannibalisierung
Als Gegenargument kenne ich zahlreiche Leser, die sich sowohl Print wie digital kaufen. Digital zum Lesen und für unterwegs, Print fürs Regal – vorausgesetzt, der Titel ist ihnen das wert. Zudem hat das E-Book neue Leserschichten erschlossen, die sich teils wegen der Preise, teils wegen der Inhalte (Mainstream) schon seit Jahren keine gedruckten Bücher mehr kaufen.
Das kann man also nur langfristig beobachten, wie und warum sich der Markt entwickelt.
Rückgehende Buchverkäufe lassen sich nicht per se auf zunehmende E-Book-Verkäufe zurückführen.

Punk 2) Monopolisierung
Bei den aufgeführten Zahlen müssten man eher von einer Oligopol sprechen, nicht von einem Monopol. Selbst in den USA stagniert Amazon inzwischen bei 60%.
Was mich zudem verwundert ist, wie blind Verlage auf einem Auge sind. Was herrscht denn im Bereich der Grossisten und Ausliefer? Wer nicht bei KNV, Umbreit oder Libri gelistet ist, existiert de facto nicht.
Darüber haben sich die Verlage allerdings nie beschwert. Und ebenso deren (in meinen Augen anmaßende) Konditionen geschluckt. Warum also jetzt bei den Online-Shops? Da misst man mit zwei Maßen.

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Steffen Meier 11. Juni 2013 um 14:18

@Thomas Wenn Kollegen von stagnierenden Print-Buch-Absätzen und steigenden E-Book-Absätzen derselben Titel berichten sehe ich da schon einen Zusammenhang. Und letztlich ist es ja die ökonomisch zwingende Frage, ob in Summe mehr erlöst wird oder nicht. Das mag sich von Thema zu Thema, von Verlag zu Verlag unterschiedlich entwickeln, aber ich plädiere inzwischen auch aus diesem Grund für eine Zurückhaltung bei allzu forschem Preisdumping.

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Thomas 11. Juni 2013 um 16:03

Das kann nur jeder Verlag für sich anhand seines Sortiments entscheiden. Einen als E-Book neu aufgelegten Titel aus der Backlist zum Vollpreis zu verkaufen, lässt sich Kunden allerdings kaum vermitteln.
Nicht, wenn man das gedruckte Buch als Remittende für einen Euro oder bei Amazon gebraucht für einen Cent erhält.

Bei Neuerscheinungen sieht das wegen der von dir angesprochenen Kostenstruktur freilich ganz anders aus.

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samy 12. Juni 2013 um 14:21

Naja Print und Ebook kaufen sich sicherlich die wenigsten. Allerdings sollten sich die Verlage freuen. Ich z.B. hab Printexemplare immer gebraucht gekauft = kein Cent an den Verlag. Das sollten Verlage auch mal bedenken. Kaufe aber überwiegende Englische Titel, da die deutschen Schweinepreise haben…

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ReaderT2 12. Juni 2013 um 21:52

Was wieder mal gar nicht bedacht wird, daß es kaufinteressierte Leser gibt, die derzeit aus den Buchhandel rausgedrängt werden, weil deren Bedarf einfach nicht bemerkt wird. In Jahren, wenn es vielfach zu spät sein wird, werden genau diese Kunden dann mühsam mit hohem Aufwand wieder in die dann noch vorhandenen Verkaufsstellen zurückgelockt.
Außer Amazon kommt auf die Idee, sich aktuell schon um genau diese Kunden zu kümmern, dann wird die deutsche Buchbranche natürlich meckernd nachziehen, weil es ja so unerwartet kommt, daß jemand der gerne Bücher liest, diese auch gerne da kaufen möchte wo es Bücher gibt. Völlig unabhängig davon ob gebundene Ausgabe, Taschenbuch, eBook, Hörbuch und was in den kommenden Jahren sonst noch so an Angebot auf den Markt kommt.
Technisch machbar ist es, es muß nur noch von den Händlern gewollt werden.
Da aber Amazon das noch nicht bietet, kann auch noch niemand nachziehen.

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