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Gedruckt 5x teurer als digital: Einführungspreis von Bestseller-Garant verstimmt Buchhändler

Aktionsangebote für eBooks sind fast so alt wie eBooks selbst. Mit zeitlich begrenzten Sonderpreisen wollen Verlage zum einen die direkten Käufe ankurbeln, zum anderen – meist im Umfeld einer Neuerscheinung – gezielt Aufmerksamkeit auf einen Autoren oder eine Buchreihe lenken. Rabattiert werden entsprechend in aller Regel ältere Publikationen, die ihre beste Verkaufszeit schon lange hinter sich haben. Bis jetzt.

Der Entwicklungsroman Washington Black der kanadischen Autorin Esi Edugyan begleitet einen jungen Schwarzen, der im 19. Jahrhundert auf Barbados in die Sklaverei geboren wird und einen abenteuerlichen Lebensweg bestreitet. Die Originalausgabe des Buches erschien im August 2018 und wurde seither mit Leserlob und Literaturpreisen überschüttet.

Gelobt von Kritikern wie Lesern

Neben einer Reihe von Auszeichnungen stand "Washington Black" unter anderem auf der nur 6 Titel umfassenden Shortlist des letztjährigen Man Booker Prize, einem der weltweit wichtigsten Literaturpreise, und auf der öffentlichen Leseliste von Barack Obama. Und, für einen literarischen Roman alles andere als selbstverständlich: Der Titel kam auch beim Publikum gut an, ein Sterne-Schnitt von 4,3/5 Sternen bei Amazon.com spricht eine klare Sprache. Zum Vergleich: Der letztliche Preisträger des Man Booker Prize 2018 liegt bei 3,5/5 Sternen.

Gedruckt 24 Euro, digital 5 Euro

Literarisch hochwertig, beliebt beim Leser: "Washington Black" ist ein Roman, den jeder Buchhändler gerne im Sortiment haben sollte. Trotzdem hat es sich der Verlag Bastei Lübbe, welcher die deutsche Übersetzung vor zwei Wochen in seinem Imprint Eichborn veröffentlichte, mit dem Buch gerade im unabhängigen Buchhandel mit Sicherheit keine neuen Freunde gemacht. Grund: Das Pricing.

Als gebundene Ausgabe kostet "Washington Black" aktuell 24 Euro, ein für Qualität und Umfang (512 Seiten) absolut angemessener und marktgerechter Preis, an dem auch die Buchhändler gut verdienen. Anders verhält es sich mit der Digital-Ausgabe: Als Kindle Book oder (kopierschutzfreie) epub-Datei bei Thalia & Co. ist der Roman noch bis Ende September für gerade einmal 4,99 Euro zu haben.

Dreifach ärgerlich für stationären Buchhandel

Für den stationären Buchhandel ist das gleich in dreifacher Weise ärgerlich. Erstens verdienen die Buchhändler an einem 5-Euro-Titel absolut naturgemäß deutlich weniger als an einem 24-Euro-Titel. Zweitens ist auch die relative Händler-Umsatzbeteiligung bei eBooks spürbar geringer als bei gedruckten Büchern. Und drittens werden eBooks in aller Regel am stationären Buchhandel vorbei gekauft, Amazon und die in der Tolino-Allianz organisierten Filialisten haben den Markt praktisch vollständig unter sich aufgeteilt.

Zwar verkaufen inzwischen auch nahezu alle unabhängigen Buchhändler eBooks, über Libri teilweise ebenfalls unter dem Tolino-Dach. Die in aller Regel von Großhändlern betriebenen und kaum ans eigene Geschäft angepassten Online-Shops spielen für die meisten Einzelhändler aber umsatzseitig kaum eine Rolle. Entsprechend groß ist der Unmut der unabhängigen Buchhändler, der sich derzeit unter anderem in einer Fachgruppe bei Facebook entlädt.

Erfolgsstrategie von Indie-Autoren nicht 1:1 übertragbar

Im Self-Publishing-Kosmos sind Einführungspreise für Neuerscheinungen seit Jahren Gang und Gebe – mit großem Erfolg, wie schon ein Blick in die Kindle Charts und andere Bestsellerlisten illustriert. Kein Wunder, dass Verlage dieses Schema nun kopieren.

Allerdings sind die Rahmenbedingungen hier grundlegend anders: Indie-Autoren haben keine Kannibalisierung lukrativerer Print-Verkäufe zu befürchten. Print spielt im Belletristikbereich für erfolgreiche Self Publisher praktisch keine Rolle. Verlagsunabhängige Autoren profitieren viel unmittelbarer von indirekten Verkäufen und Folgekäufen – und vor allem haben sie keine Rücksicht auf die Kalkulation von wichtigen Handelspartnern zu nehmen, wie das stationäre Buchhändler immer noch für die Verlagshäuser sind. Hinter der Nachhaltigkeitsfrage eines solchen Preismarketings bei vielversprechenden Verlags-Neuerscheinungen muss man entsprechend doch ein Fragezeichen setzen.

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