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Onleihe führt neues DRM ein

Kleine Umstellung, große – und teilweise wohl dramatische – Wirkung: Nach über zehn Jahren wechselt die Onleihe ihren DRM-Dienstleister. eBooks der 3.100 an die Onleihe angeschlossenen öffentlichen Bibliotheken sind künftig statt mit dem weit verbreiteten Adobe-DRM mit einer Lösung des allenfalls in Fachkreisen bekannten französischen Unternehmen TEA verschlüsselt. Die Konsequenzen sind weitreichend, vor allem Nutzer älterer eBook Reader laufen Gefahr "abgehängt" zu werden.

Mehr Datenschutz dank einem offeneren System, leichtere Nutzbarkeit für Leser durch den Wegfall einer zusätzlichen Registrierung (Adobe ID): So begründet der Onleihe-Betreiber Divibib in einer am gestrigen Montag publizierten Pressemitteilung den Umstieg. "Auch das Lesen direkt im Browser soll durch die neue Verschlüsselung-Technologie bald möglich sein", heißt es weiter. Ein merkwürdiges Argument, lassen sich doch auch adobe-geschützte eBooks ohne Weiteres in HTML5-Web-Reader implementieren (siehe etwa Tolino).

Neuer DRM-Anbieter kaum bekannt

Aktuelle Lese-App von TEA

Die neue DRM-Lösung trägt den schönen Namen CARE ("Content & Author Rights Environment") und kommt vom französischen Anbieter TEA ("The eBook Alternative"). Skurril: Obwohl sowohl Produkt- als auch Firmenname englische Akronyme sind, ist die TEA-Website ausschließlich in französischer Sprache verfügbar. Im dortigen Firmenblog wurde die Onleihe-Kooperation übrigens bereits vor gut zwei Wochen bekanntgegeben, wovon allerdings – abgesehen von der lokalen Fachseite Actualitte – schlicht niemand Notiz nahm.

Nach unseren Informationen ist der Anbieter bislang auch ausschließlich im französischsprachigen Raum aktiv und selbst dort nicht gerade ein "Big Player". Andererseits ist die Zahl der Adobe-DRM-Alternativen endlich, in den letzten Jahren hat hier eigentlich nur noch Sony von sich reden gemacht.

Komplett-Abschied von Adobe DRM innerhalb eines Jahres

Schon bei "CARE" im Boot: Tolino

Der Zeitplan für die Umstellung fällt erwartungsgemäß großzügig aus. "CARE" debütiert im Mai 2018 im Rahmen einer "offenen Beta-Phase" in den Onleihe-Apps. Ein naheliegender Anfang, sind hier doch die wenigsten Inkompatibilitäten zu erwarten. Im weiteren Verlauf des Jahres 2018 soll dann die Implementierung von "CARE" in dedizierte Lesegeräte anlaufen, die Einführung des Webreader sowie die endgültige Umstellung sind im ersten Halbjahr 2019 geplant. Bis dahin sollen eBooks parallel mit Adobe DRM und "CARE" angeboten werden.

Die Divibib nennt eine verbesserte Kompatibilität als Grund für die Umstellung, tatsächlich dürfte die Kompatibilität aber deutlich abnehmen. Viele Lesefreunde werden nach der endgültigen Umstellung vor schwarzen Bildschirmen sitzen, ihre eBook Reader werden die mit dem neuen DRM verschlüsselten Onleihe-Dateien schlicht nicht anzeigen können.

In ihrer Pressemitteilung verweist die Divibib auf eine Vereinbarung mit Tolino, die das DRM in seine Lesegeräte integrieren wird. Und: "Mit weiteren Anbietern von Endgeräten und Lese-Apps ist die divibib bereits im Gespräch". Konkret dürften die aktuellen Lesegeräte von Kobo (die sich ja auch für die Tolino-Firmware verantwortlich zeichnen) und wohl auch Pocketbook mit dem CARE-DRM klarkommen. Hier liegt die Betonung aber schon auf "aktuellen".

Hunderttausende Alt-Geräte vor dem Aus

Sony Reader PRS-T3 (2013)

Ob etwa Pocketbook noch ein Firmware Update für sein erstes Touch Lux  bereitstellen wird und Kobo seinen "Glo" noch CARE-kompatibel macht, steht in den Sternen. Beide Lesegeräte haben schon gute fünf Jahre auf dem Buckel (erschienen Ende 2012/Anfang 2013), sind mit ihren beleuchteten und berührensempfindlichen E-Ink-Displays aber nicht weit weg vom aktuellen Stand der Technik. Für die einstmals teilweise extrem gefragten Lesegeräte von Herstellern, die sich in den letzten Jahren aus dem E-Reading-Bereich zuzückgezogen haben – genannt seien vor allem Sony und Trekstor – dürften sich "CARE"-Updates wohl sogar ausschließen lassen.

Bibliotheken sind barrierefreiem Wissenszugang verpflichtet

Weil die technische Entwicklung bei dedizierten Lesegeräten in den letzten Jahren anders als etwa bei Smartphones sehr gemächlich voranschreitet, sind – aus gutem Grund – noch Hunderttausende vergleichsweise betagte Lesegeräte im Umlauf. Die bald ausgerechnet durch die rund 3.1.00 an die Onleihe angebundenen öffentlichen Bibliotheken, die Wissen ja gerade möglichst barrierefrei zugänglich machen sollen, empfindliche Einbußen beim Nutzwert erleiden.

Anders als bei käuflich erwerbbaren eBooks hat DRM bei Leih-Titeln durchaus seine Daseinsberechtigung – ohne ein gewisses Rechte-Management geht es nun einmal nicht. Das Adobe DRM ist sicher nicht gerade der Inbegriff von Nutzerfreundlichkeit und ohnehin seit Jahren geknackt (weshalb Adobe ja ein verbessertes DRM einführen wollte, was letztlich aufgrund drohender Inkompatiblitäten zurückgezogen wurde). Aber: Es funktioniert, auch auf zahlreichen älteren Lesegeräten, für die es keine Firmware Updates mehr geben wird.

Dass die Divibib GmbH als Wirtschaftsunternehmen kein Interesse an einer dauerhaften Parallelnutzung – nebst doppelter Lizenzgebühren – hat, ist ihr nicht zu verübeln. Die öffentlichen Bibliotheken als ihre Kunden sollten aber genau darauf hinwirken, wollen sie ihrem Bildungsauftrag bestmöglich gerecht werden (und nebenbei nicht für die ökologisch fragwürdige Ausmusterung zahlreicher voll funktionsfähiger Altgeräte verantwortlich sein). Ansonsten ist die Onleihe seit gut zwei Jahren auch aus Bibliothekssicht ja nicht mehr alternativlos

 

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Kommentare


MariaStrauber 27. März 2018 um 17:08

Hall, also das heisst ich kann dann keine E-Books mehr runterladen, gekaufte E-Books und muss mir neue E-Bookreader kaufen. Nein, das darf doch nicht sein, einnfach so, dann muss ich auf E-Books verzichten.

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Johannes Haupt 27. März 2018 um 17:32

Nein, das heißt es nicht, jedenfalls nicht so pauschal, bitte nochmal lesen & ggfs. konkreter fragen :)

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Fabian 27. März 2018 um 17:33

Hallo Maria, welchen eBook-Reader hast Du denn? Einige Reader erhalten ja ein Update, mit dem sie die Onleihe-eBooks weiter lesen können.

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Betty König 27. März 2018 um 18:00

Ich habe noch das 1. Tolino Exemplar und verstehe nicht ganz was ich dann bei der Umstellung machen muss (bin schon älter !) und kapiere nicht alles.

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Gurkenflieger 27. März 2018 um 20:25

Adobe DRM war ohnehin nur Schwachsinn. Vielleicht wirds jetzt besser? Oder noch schlechter?

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Elke 27. März 2018 um 21:51

Ich habe einen einwandfrei arbeitenden TRS 3 von Sony. Das hat bisher alles prima geklappt. Da bin ich jetzt doch sauer. Ich leihe mir jeden Monat etliche Bücher. Warum bitte soll ich direkt aus dem Browser lesen, oft bin ich unterwegs und nicht online. Das heißt dann wohl einen Tolino kaufen. Das ist nicht kundenfreundlich und produziert unnötigen Müll.

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Sven 27. März 2018 um 22:31

Dann ärgere ich mich also demnächst mit drei Kopierschutzvarianten rum? Amazon und auf meinem Pocketbook und Tolino Adobe DRM und Care parallel? Dolle Wurst.

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Mike 27. März 2018 um 22:59

Der "technische Fortschritt" entwickelt sich immer weiter. Man darf sich da keine Illusionen machen.
Bei Speichermedien (und vieler anderer Hardware), haben wir die Erfahrung machen können, dass kein Medium lange auf dem Markt bleibt. Wenn sich neue Gewinnmöglichkeiten bieten, wird keine Rücksicht auf Ressourcen, die Investitionen der Verbraucher oder produzierten Elektronikschrott genommen.
Jedem kann klar sein, dass auch der Tag absehbar ist, an dem kein Lesegerät mehr so ein "völlig veraltetes" Format wie e-pub anzeigen wird. Natürlich zum Besten des Verbrauchers, so wie in diesem Fall: "für mehr Komfort und Datenschutz". :-))
Noch müssen wir nicht, so wie im Roman "Fahrenheit 451", ganze Bücher auswendig lernen, um sie der Nachwelt zu erhalten. Denn es gibt ja noch das gedruckte Buch.
Noch können wir in den Antiquariaten Bücher für einen Bruchteil dessen kaufen, was sie als e-book kosten. Das sollten wir mit jedem erhaltenswerten Buch auch machen.

Bereit 1859 formulierte Karl Marx den sog. "moralischen Verschleiß" als: das Veralten von Produktionsmitteln nicht durch Abnutzung, sondern durch Überholtwerden durch neue Modelle.
"unmoralischer Verschleiß" wäre eine bessere Bezeichnung gewesen.

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elisabeth 19. Mai 2018 um 19:09

Sie haben mir aus dem Herzen gesprochen ! Ich habe die diese Wegwerfgesellschaft( an der auch ich mit Schuld bin satt !)Ich arbeite ehrenamtlich in einem Repaicafe und sehe leider zu oft die SOLLFEHLER die es nicht geben müßte .
Deshalb an alle : Es gibt immer jemanden , der auch an etwas nicht mehr ganz Neuem Freude hat , nicht entsorgen ,weiter schenken oder auf dem Trödelmarkt veraufen . Gebt auf euch acht …

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nelson4802 1. April 2018 um 17:14

Ich habe einen Kobo Glo älteren Semesters (so wie ich es bin) und frage mich was das für mich bedeutet. Habe bisher bei media2go.at heruntergeladen. Werde mir sicher deswegen kein neues Gerät kaufen. Haben wir nicht schon genug Elektroschrott?

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Fred 2. April 2018 um 15:34

Komisch, dass hier so negativ darüber berichtet wird und offenbar alle stocksauer sind.
Der DRM via Adobe inkl. des dafür nötigen Accounts ist datenschutztechnisch eine Sauerei und sollte – gerade für öffentlich geförderte Dinge wie Onleihe – nicht ein verpflichtender Standard sein.
Für mich wird das wohl ein Grund sein, mir Onleihe mal anzuschauen.

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Flups 8. April 2018 um 00:47

Sorry, aber der Artikel liest sich wie: "Fahrverbote! Mein Diesel ist nichts mehr wert!"

Die erhöhten Kosten für den Parallelbetrieb von Adobe DRM und CARE, die zahlt doch nicht Divibib. Das Geld wird man sich von den Büchereien wiederholen und deren Etats sind sowieso schon immer klamm. Ein möglichst zügiger Übergang ist also auch in deren Interesse. Nebenbei brauchen auch die Adobe-Lizenzserver Strom und das nicht wenig. Ist es wirklich gerechtfertigt, die auf immer und ewig weiter zu betreiben, nur damit ein paar Altgeräte nicht abgehängt werden?

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Franz 10. April 2018 um 11:34

Dass Adobe DRM "funktioniert" kann man nur mit Einschränkungen behaupten. Für die neueste Version trifft es jedenfalls für die Onleihe nicht zu.
Die Wahl eines Nischenanbieters ist sicher nicht besonders glücklich, aber es fehlen offenbar bessere Alternativen.
Der Autor des Artikels setzt sich leider auf ein ziemlich hohes Roß. Fordern ist leicht, wenn man selbst nicht liefern muss. Die Macht von Bibliotheken und auch der Firma DiViBib wird hier überschätzt.
Dass die Hersteller auch für andere E-Reader als den Tolino das neue DRM implementieren ist eine sinnvolle und massvolle Forderung, die auch im Bereich des Realistischen bleibt.
Der Aufwand, parallel eine Nutzungsmöglichkeit für eine mit den Jahre immer überschaubarere Zahl von Altgeräten anzubieten geht zu Lasten der zahlreichen Nutzer, die aktuelle Hardware einsetzen.
Verbesserte Funktionalität, wie z.B. vorzeitige Rückgabe oder flexible Leihfristen erfordern nunmal eine Weiterentwicklung. Die Klagen klingen ein wenig wie die von Windows-XP-Nutzern, die sich beschweren, dass die neueste Version eines Programms nicht mehr auf Ihrem Alt-System läuft.
Wenn man sich unbedingt beschweren will, dann bitte bei den Herstellern. Weder die Onleihe noch irgendeine Bibliothek hat die Firma Sony dazu gezwungen, sich aus dem E-Book-Markt zurückzuziehen, keine Aktualisierungen mehr zu liefern und die Kunden im Regen stehen zu lassen.
Es gab im Gegenteil erfolgreiche Bemühungen, diesen Reader noch mitzuschleppen, wenn auch nicht alle Funktionen wieder aus der Trickkiste hervorgezaubert werden konnten. E-Books lesen geht jedenfalls immer noch damit.
Aber irgendwann hat jedes technische Gerät das Ende seines Lebenszyklus erreicht und das eben nicht erst, wenn der letzte Transistor durchgebrannt ist. Ob es die alten Dachantennen für den Fernsehempfang sind oder die Apollo-Rakten, die Menschen auf den Mond gebracht haben. Es erwartet auch niemand, dass man beim analogen Mobilfunknetz bleibt, das doch so gut mit Opas altem Telefon funktioniert hat.
Leute, kommt mal im 21. Jahrhundert an. Ihr gart doch auch Euer tägliches Essen nicht mehr am Lagerfeuer, obohl das Jahrtausende lang prima funktioniert hat.

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Mike 12. April 2018 um 22:53

Man kann auch im 21. Jahrhundert ankommen, ohne so wie Franz alle ökonomischen und ökologischen Aspekte zu ignorieren. In diesem Jahrhundert darf man z.B. die Frage stellen, was Windows10 kann, was WindowsXP nicht konnte? Wenn man von ein paar Gimmicks an der Oberfläche absieht.

Vergleichen wir nur den Nachfolger Win7 mit XP: Win7 ist bei den wichtigsten Anwendungen (Office) langsamer, bei Spielen (3D-Performence) langsamer, der Stromverbrauch, selbst im Ruhemodus, höher. Dazu stieg der benötigte Speicherplatz von 1,5 – 3,0 GB auf 16 – 20 GB und der Hauptspeicherbedarf stieg von 128 MB auf 1 – 2 GB.
Ist es Fortschrittsenthusiasmus, was man da braucht, um mit Freuden seine alte Hardware wegzuwerfen? Oder muss man dazu nichts weiter, als ganz fest an die Reklame glauben und nichts hinterfragen?

Dem neuen DRM eine bessere Funktionalität zuzusprechen ist wohl etwas verfrüht. So etwas muss sich erst einmal in der Praxis zeigen. Warum hat sich wohl in der IT der Spruch: „never change a running system“ eingebürgert?

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Eva 17. April 2018 um 11:14

Ich muss gestehen: Ich bin ein Ebook-Junkie und mache mir ernsthafte Sorgen, ob ich nach Ablauf des Jahres noch welche lesen werde können. Denn als blinder Leser gehöre ich zu einer kleinen Nischengruppe, die oft, meist aus nachvollziehbaren Gründen, dem Sparstift zum Opfer fällt. Dabei habe ich kaum Alternativen zum Ebook, von Hörbüchern einmal abgesehen.

So etwa ist die von den Bibliotheken genutzte Onleihe-App für blinde Leser absolut unbrauchbar. Die einzige Möglichkeit, ein entlehntes Ebook zu lesen, ist derzeit für uns die Adobe Digital Edition unter Windows. Was ich von Adobe halte, ist dabei völlig irrelevant, so lange ich keine Wahl habe. Ob der künftige Wegfall dieser bisher einzigen Möglichkeit auch bedeutet, dass es eine nutzbare Alternative geben wird, bleibt abzuwarten. Zumal bisher ja auch verabsäumt wurde, die Onleihe-App für iOS oder Android zugänglich zu machen – von all den E-Book-Readern auf dem Markt ganz zu schweigen.

Rühmliche Ausnahme: Amazons Kindle, das unter Windows, Mac, iOS und android und den Kindle-Readern auch von blinden Lesern genutzt werden kann. Wer hätte das gedacht!

Das Ebook ist für mich die einzige und auchnoch komfortable Chance, Neuerscheinungen zu kaufen und zu lesen und natürlich mit entlehnten Ebooks ökonomisch zu ergänzen. Auf diese Quelle nach Ablauf eines Jahres vielleicht verzichten zu müssen, käme einem Rückschritt ins letzte Jahrtausend gleich.

Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Gerade der Umstieg auf ein neues System bietet auch die Gelegenheit, den barrierefreien Zugang für alle Nutzergruppen – endlich! – mit einzuplanen.

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