Er sah ihr gelbes Kleid, bevor er sie sah, glühend im Abendlicht, ein Leuchtfeuer am anderen Ende der Stallungen. Er hielt einen Moment inne, unsicher, ob er seinen Augen trauen konnte. Dann streckte sie ihren blassen Arm aus, Gerontius’ eleganter Kopf erschien über der Tür, um die Leckerei zu nehmen, die sie ihm hinhielt, und schon war er unterwegs, rannte beinahe, die Metallspitzen seiner Stiefel klapperten auf den nassen Pflastersteinen.
«Du bist da!»
«Henri!»
Sie drehte sich um, und seine Arme umschlangen sie; er küsste sie, neigte den Kopf, um den himmlischen Duft ihres Haars einzuatmen.
«Wir sind heute Nachmittag angekommen», sagte sie an seiner Schulter. «Ich hatte kaum Zeit, mich umzuziehen. Ich sehe bestimmt furchtbar aus … aber ich saß im Publikum und habe dich durch den Vorhang hindurch gesehen. Da musste ich einfach kommen und dir Glück wünschen.»
Ihre Sätze waren gestammelt, aber er nahm ohnehin kaum etwas wahr, so sehr wühlte ihn ihre schiere Anwesenheit auf, das Gefühl, sie nach so langer Zeit wieder in den Armen zu halten.
«Sieh dich nur an!» Sie trat einen Schritt zurück, und ihr Blick glitt von seinem schwarzen Zweispitz hinab über seine makellose Uniform, dann streckte sie die Hand aus, um einen eingebildeten Fleck von einer seiner goldenen Epauletten zu wischen. Dankbar bemerkte er, wie widerwillig sie ihre Finger zurückzog. Da war keine Beklommenheit, staunte er, trotz all der Monate, die sie sich nicht gesehen hatten. Keine Koketterie. Sie war vollkommen unbefangen – das Mädchen aus seiner Vorstellung war wieder Fleisch und Blut geworden.
Aus Im Schatten das Licht