Als Emma die Tür zum Schlafzimmer ihrer Eltern öffnete, ahnte sie nicht, dass sie dies zum letzten Mal tun würde. Nie wieder würde sie sich, mit einem Stoffelefanten bewaffnet, nachts um halb eins an ihre Mutter kuscheln, vorsichtig bemüht, Papa beim Ins-Bett-Krabbeln nicht aufzuwecken, der im Traum mit den Füßen strampelte, zusammenhanglose Worte murmelte oder mit den Zähnen knirschte.
Heute strampelte, murmelte oder knirschte er nicht. Heute wimmerte er nur.
»Papa?«
Emma tapste von der Dunkelheit des Flurs ins Schlafzimmer. Das Licht des Vollmonds, der über Berlin in diesen Frühlingsnächten wie eine Mitternachtssonne thronte, fiel mit einem quecksilbrigen Schimmer durch die zugezogenen Gardinen.
Mit zusammengekniffenen Augen, über denen Emmas Pony wie ein kastanienbrauner Vorhang hing, konnte sie die Umgebung erahnen: die Rattantruhe am Fußende, die gläsernen Nachttische, die das ausladende Bett flankierten, den Schrank mit den Schiebetüren, in dem sie sich früher manchmal versteckt hatte.
Bis Arthur in ihr Leben trat und ihr das Versteckspielen verleidete.
»Papa?«, flüsterte Emma und tastete nach dem nackten Fuß ihres Vaters, der unter der Bettdecke hervorstach.
Sie selbst trug nur eine einzelne Socke, und auch die hing ihr kaum noch an den Zehen. Die andere hatte sie im Schlaf verloren, irgendwo auf dem Weg vom Einhorn-Glitzerschloss zum Tal der silbergrauen Flugspinne, die ihr im Traum manchmal Angst einjagte.
Aber nicht so viel Angst, wie ich sie vor Arthur habe.
Obwohl der ihr immer wieder versicherte, er wäre nicht böse. Aber konnte sie ihm vertrauen?
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