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1 Cent pro Buch: Das Geschäft mit überschüssigen Buch-Spenden

Der Büchermarkt ist übersättigt, vor allem im Bereich gebrauchter Bücher. Gut für Lesende, weil es diese Bücher immer günstiger zu kaufen gibt. Doch woher kommen Bücher, die zum Teil für gerade mal einen Cent angeboten werden, und kann man damit tatsächlich Geld verdienen? Man kann – über "Versandkosten".

Lesefreunde, die gebrauchte Bücher am liebsten spenden, anstatt in die Papiertonne zu werfen, müssen jetzt ganz stark sein: Auch Spenden-Empfänger wie örtliche Bibliotheken, Second-Hand-Geschäfte oder Antiquariate entsorgen alte Bücher – und zwar zahlreich und auf eigene Kosten. Daraus haben Händler in den letzten Jahren ein neues Geschäftsmodell gemacht: Sie sammeln überschüssige Spenden-Titel ein und verkaufen sie für einen Cent (oder mehr) vor allem bei Amazon Marketplace. Damit ist zwar ein großer Aufwand verbunden, aber es kann tatsächlich auch Gewinn erwirtschaftet werden. Das verdeutlicht das Beispiel von Colin Stephens, dem Gründer und Leiter des englischen Anbieters Sunrise Books, über dessen Geschichte der "Guardian" berichtete.

Massenhafte Spenden überfordern Ladenbesitzer

Buch-Lager in Großbritannien

Buch-Lager in Großbritannien

Colin Stephens stöberte selbst in den Regalen eines Second-Hand-Ladens, als die Besitzerin über die gebrauchten Bücher klagte. Sie berichtete, dass ihr Geschäft quasi zugeschüttet werde mit Buchspenden. Das ist zwar im Grunde eine gute Sache, bedeutet aber für die Besitzer eine Menge Aufwand. Die Bücher müssen sortiert, bewertet und – wenn keine Möglichkeit gesehen wird sie zu verkaufen – auf eigene Kosten entsorgt werden.

Stephens, der schon länger privat Bücher über Ebay an- und verkaufte, erkannte in dieser Klage eine Gelegenheit und bot der Ladenbesitzerin an, die überschüssigen Bücher hin und wieder abzuholen und neue Besitzer für sie zu finden. "Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf von einem befreundeten Second-Hand-Geschäfts-Inhaber, tags darauf noch einen und dann noch einen", erzählt der Bücherliebhaber dem "Guardian". Was als kleiner Weiterverkauf verwaister Bücher im Wohnzimmer begann, ist heute, zehn Jahre später, ein riesiges Unternehmen. Es gehen wöchentlich um die 20 Tonnen überschüssiger Buchspenden ein, die es in vier firmeneigenen Lagerhallen vorhält (eine Fünfte steht vor der Eröffnung).

Weiterverkauf vieler Spenden unmöglich

Tatsächlich wandern auch von diesen Büchern nur knapp 20 Prozent in den Online-Verkauf. Der Rest wird ebenfalls entsorgt und recycelt. Gründe dafür gibt es viele, am häufigsten liegt es am schlechte Zustand beziehungsweise dem hohe Alter der Bücher. Ein großes Problem ist außerdem die mangelnde Nachfrage, entstanden durch die jahrelange Überproduktion von Verlagen. "Es gibt einfach ein Limit, wie viele Kopien ich von einem bestimmten Buch verkaufen kann", erklärt auch Mike Ward, der Besitzer von Thrift Books gegenüber dem "Guardian".

Geschäft mit überhöhten Versandkosten – abgenickt von Amazon

Chuck Roberts, der Inhaber von Wonder Book, räumt ein, dass man schon "sehr effizient" sein muss, um als Verkäufer von 1-Cent-Büchern Geld zu verdienen. Der Gewinn entsteht in der Regel durch die Versand- und Betriebskosten, die höher veranschlagt werden als nötig. Übrig bleiben dabei zwar nur ein paar Cent pro verkauftem Buch. Bei einer Masse von 11,5 Millionen verkauften Büchern im Jahr (Angabe von Buchhändler Mike Ward im "Guardian"), kommt da aber schon etwas zusammen.

Die Rechnung ist einfach: Für ein über den deutschen Amazon-Marktplatz verkauftes Buch berechnet Amazon dem Käufer pauschal 3 Euro Versandkosten, von denen Powerseller (kostenpflichtiges Händler-Programm) nach Abzug der Amazon-Gebühr exakt 2 Euro ausbezahlt bekommen. Die tatsächlichen Versandkosten für Büchersendungen betragen um 1 Euro, bei cleverem Wirtschaften bleibt unter dem Strich ein Gewinn.

Bemerkenswert ist, dass diese Rechnung im Forum von Amazon von einem Amazon-Mitarbeiter aufgemacht wird, der auch unumwunden einräumt, dass  nach Bezahlung der tatsächlichen Versandkosten "auf jeden Fall ein Gewinn" bleibt. Das ist per se nicht verwerflich, allerdings muss sich Amazon den Vorwurf gefallen zu lassen, mit der Deklarierung als "Versandkosten" seine Kunden bewusst in die Irre zu führen. Ein Wort wie "Abwicklungsgebühr" oder gleich die freie Gestaltung der Versandkosten a là ebay wäre ehrlicher, würde den Angeboten allerdings auch ihren scheinbaren 1-Cent-Schnäppchen-Charakter nehmen.

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