6 Verlage, die eBooks verstanden haben
Bücher werden seit jeher von Verlagen zum Leser gebracht, allein in Deutschland tummeln sich knapp 3.000. Angesichts des Boom von Self Publishing gerade bei eBooks steht ihre Existenz heute mehr denn je in Frage, zumal Digital-Leser in vielen Häusern seit jeher äußerst kritisch beäugt werden. Es gibt aber auch Verlage, die eBooks schon lange mitdenken – 6 Beispiele.
Hohe eBook-Preise nah an oder sogar gleich Hardcover/Taschenbuch, restriktiver Kopierschutz, früher des öfteren Digital-Ausgaben zeitverzögert zu Print oder überhaupt nicht: Verlage haben bei vielen Digital-Lesern einen denkbar schlechten Ruf, was durchaus seinen Grund hat. Dabei gibt es neben besorgten Verlagen, die die Digitalisierung eher als Bedrohung denn als Chance wahrnehmen, auch zahlreiche innovative und experimentierfreudige Häuser.
Dass eine konsequente Ausrichtung am Digital-Leser keine Frage der Firmengröße ist, illustriert die folgende Liste von Verlagen, die eBooks verstanden haben. Darauf finden sich ebenso Ein-Mitarbeiter-Unternehmen wie multinationale Konzerne.
Bastei Lübbe
Die Kölner sind seit jeher ein absolutes Vorbild in Sachen E-Reading-Innovation. Als einer der ersten Verlage überhaupt verkaufte Bastei Lübbe sein komplettes Digital-Sortiment kopierschutzfrei. Der Verlag vertraut seinen Kunden und verzichtet darum auch auf die Personalisierung seiner eBooks mittels Wasserzeichen – "softes" DRM, das derzeit stark im Kommen ist und längst nicht nur Freunde hat.
Seit vielen Jahren veröffentlicht Lübbe gedruckte und digitale Version eines Buches parallel. Insbesondere bei Hardcover-Veröffentlichungen sind die Preisabstände zwischen den beiden Ausgaben für Branchenverhältnisse enorm.
Von Serials bis hin zu Enhanced eBooks probiert das börsennotierte Unternehmen viel aus, immer mit der Fragestellung: Was wollen die Leser? Dazu zählen auch neue Geschäftsmodelle, aktuell die unter der Marke Beam in Entwicklung befindliche eBook Flatrate. Wenngleich der Motor hier bisweilen etwas stottert – an der Digital-Strategie von Bastei Lübbe können sich viele Verlage eine Scheibe abschneiden.
Luzifer
Wer unsere eBook Tipps verfolgt, wird in den letzten Monaten vermehrt über sehr günstig angebotene Thriller, zu einem großen Teil mit Endzeit- und/oder Horror-Einschlag und von US-amerikanischen Bestseller-Autoren, aus dem Hause Luzifer gestolpert sein. Das erst im Jahr 2011 gegründete umtriebige Verlagshaus hat viele zufriedene Leser, aber nur einen einzigen Mitarbeiter. Steffen Janssen lies anfangs sogar die Leser darüber mitentscheiden, was veröffentlicht wird.
Ein Interview mit dem Verleger dazu und mit weiteren Hintergründen aus dem Jahr 2012 (!) gibt es bei Phantanews. Auch wenn die Abstimmungen über Neuerscheinungen inzwischen der Vergangenheit angehören: Sehr gute Bewertungen und Chart-Positionen auch für diejenigen eBooks, die gerade nicht im Rahmen von Gratis-Aktionen verschenkt werden (aktuell etwa der leise Horror-Thriller Graues Land, Auftakt einer Trilogie) sprechen eine klare Sprache des Erfolges. Und sie sind ein Beweis dafür, dass selbst Einzelkämpfer mit Mut zur Innovation auch im Marketing-Breich – derzeit schaltet Luzifer als einer der ersten deutschen Verlage Amazon-Branding-Anzeigen – etwas bewegen können.
be.bra
Immer noch ist die E-Reading-Welt bestimmt von den Dickschiffen auf der einen Seite und von Indie-Autoren und Kleinstverlagen auf der anderen Seite. Der Mittelbau, bestehend aus unzähligen kleinen und mittelständischen Verlagen, schaute sich eBooks aufgrund von Investitionskosten und ungewissen Erlösen lange von der Seitenlinie an und ist derzeit eher pro forma dabei.
Eine Ausnahme und gleichzeitig ein Musterbeispiel für einen Kleinverlag mit Mut zum Experiment ist be.bra. Der ein knappes Dutzend Mitarbeiter zählende Verlag legt seinen Fokus auf regionale bis hyperlokale Inhalte und tritt in den eBook Charts vor allem mit seinen Berlin-Krimis in Erscheinung.
Dabei scheut be.bra auch nicht vor Preisaktionen bis hin zu Verschenkungen zurück, um Fans für seine Kiez-Krimis zu gewinnen. Generell ist das Preisniveau mit einem Standard-Preis von 6,99 Euro für die natürlich professionell lektorierten und gesetzten eBooks angemessen. In Summe hat be.bra in den letzten Jahren E-Reading-Fans weit über die Grenzen Berlins hinaus von sich begeistern können.
Haymon
Das österreichische Pendant von be.bra heißt Haymon. Der in Innsbruck beheimatete Verlag ist in den vergangenen 30 Jahren langsam aber beständig gewachsen. Darüber und mittels Zukäufen wie dem Studienverlag und Löwenzahn ist Haymon mit mehr als 500 lieferbaren Titeln inzwischen eine feste Größe in der deutschsprachigen Buchlandschaft.
Zum Sortiment von Haymon zählen neben Sachbüchern und hoher Literatur auch unzählige Krimis, die Haymon regelmäßig zu sehr attraktiven Preisen anbietet oder sogar verschenkt. Was natürlich nicht Selbstzweck ist: Der dauerhaft kostenlose 300-seitige historische Mystery-Roman Morbus Dei ist Auftakt einer Trilogie, mit den beide Folgebänden (für jeweils sehr faire 3,99 Euro) hat Haymon in den letzten Jahren sehr gutes Geld verdient. Könnten auch andere Verlage machen, passiert aber in der Regel nicht beziehungsweise allenfalls mit Kurzgeschichten und Leseproben – man hat schließlich nichts zu verschenken.
Droemer Knaur
Als Verlagsmarke von einem Dickschiff wie Holtzbrinck, das etwa bis heute sein komplettes Sortiment aus dem öffentlichen eBook-Verleih Onleihe ausklammert (Kurzfassung: Holtzbrinck will mehr Geld), hat man es nicht leicht. Trotzdem ist Droemer Knaur im digitalen Bereich so umtriebig wie kaum ein anderer Verlag. Im Frühjahr 2010, als viele Verlagsmanager noch spektisch bis ablehnend auf Indie-Autoren (herab)sahen, wurde verlagsintern der heute führende Self-Publihing-Dienstleister und -Distributor Neobooks aus der Traufe gehoben, dem auch bei Tolino Media eine tragende Rolle zukommt.
Seit vielen Jahren experiment Droemer Knaur mit Preisaktionen, exklusiven Digital-Ausgaben und Serienveröffentlichungen, und mit Feelings nennen die Münchener das – aus Gründen – derzeit vielleicht erfolgreichste verlagseigene Digital-Label in Deutschland ihr Eigen. Gerade angesichts der engen Grenzen, die ein Mega-Konzern wie Holtzbrinck einer Unternehmenstochter gibt, ist das aller Ehren wert.
Dotbooks
Genauso wie es progressive tradierte Publisher gibt, gibt es überraschend viele Digital-Verlage, die konsequent – und bewusst – an den Interessen der "Mainstream-Leser" vorbei publizieren. Sie verstehen sich als Möglichmacher für "hochwertige Literatur" und "wichtige Debattenbeiträge", was ehrenhaft ist, aber eben nur selten nachgefragt wird.
Den umgekehrten Weg bestreitet seit jeher dotbooks, Deutschlands größter reiner eBook-Verlag. Wohl kein Digital-Verleger verfolgt so konsequent das Credo, der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler, wie Dotbooks-Verlegerin Beate Kuckertz. Sie ist nebenbei gemerkt – ebenso wie der umtriebige Ralph Möllers (Terzio, Quinto, Book2Look) – ein Paradebeispiel dafür, dass leserorientierte Digital-Denke weder eine Frage des Alters noch eines digitalen Nativismus sind.
Dotbooks macht eBooks, die sich verkaufen. Der Katalog besteht im Wesentlichen aus kurzweiligen Unterhaltungstiteln der Top-Genres, Originalausgaben ebenso wie digitale Erstveröffentlichungen längst vergriffener Print-Titel. Hinzu kommen zahlreiche erotische Geschichten (neuerdings auch unter eigenem Label), die einen beträchtlichen Teil zum Firmenumsatz beisteuern dürften.
Bereichert der unabhängige Münchener Verlag die deutsche Kulturlandschaft? Eher nein. Aber Dotbooks beobachtet und bedient so konsequent und vorurteilsfrei die Leser-Interessen, wie das sonst fast nur Indie-Autoren machen.
Verlagsname als Qualitätssiegel
Neben den genannten Verlagen gibt es zahlreiche weitere Häuser und vor allem Tausende Mitarbeiter, die Tag für Tag alles daran setzen, Digital-Lesern freudige Lesestunden zu bereiten. Die eigentlich völlig branchenfremde Edel AG buhlt mit ihrem preisaggressiven Digital-Verlag Edel eBooks und der nagelneuen Literatursparte edel & electric um die Lesergunst, Oetinger hat mit TigerCreate einen Selbstbaukasten für multimediale Kinderbücher ins Netz gestellt, und und und.
Die Ergebnisse werden auch von den Lesern durchaus goutiert. In einer Sonntagsfrage im vergangenen Herbst erklärte die Mehrzahl der lesen.net Besucher, beim Kauf hätten "eBooks mir bekannter/sympathischer Verlage haben einen Bonus".
Verlagsmarken werden als Qualitätssiegel wahrgenommen und spielen bei vielen Kaufentscheidungen eine gewichtige Rolle. Das allein wird den Verlagen – zumindest in der gegenwärtigen Anzahl – ihre Existenz allerdings nicht gewährleisten, erst recht wenn die Qualitätsstandards erupieren (Herstellung komplett in Indien, Lektorat durch ein Heer unbezahlter Praktikanten und dergleichen). Verlage müssen sich immer neu erfinden, um Autoren wie Lesern gerecht zu werden – die Verlage in unserer Liste sind Beispiele dafür, wie das passieren kann.
Disclaimer: Bastei Lübbe, Droemer Knaur und Haymon sind aktuelle beziehungsweise ehemalige Werbekunden von uns, neben zahlreichen weiteren Verlagen. Das hatte aber keinen Einfluss auf die Zusammenstellung der Liste (wirklich) sondern ist allenfalls ein weiterer Beleg dafür, wie viel diese Verlage richtig machen ;-)
<Bildnachweis: Schreibwerkzeuge von Shutterstock>
Kommentare
Verlage, die eBooks verstanden haben – LUZIFER Verlag 1. Oktober 2015 um 17:01
[…] ZUM ARTIKEL > […]
Mobile Publishing: Update September 2015 | smart digits 6. Oktober 2015 um 05:01
[…] für den Erfolg von digitalen Modellen, auch die Angebotsgestaltung im Detail: Unter dem Titel “6 Verlage, die eBooks verstanden haben” versammlt Johannes Haupt bei lesen.net Publishing-Modelle aus Deutschland, die sich in vollem […]