Branche diskutiert Libreka
Ein viel diskutiertes Thema rund um die Frankfurter Buchmesse war der Zustand von Libreka, dem eBook-Projekt vom Börsenverein des deutschen Buchhandels. Der anonyme vierseitige Brandbrief eines "Insiders" – zuerst publik gemacht bei uns – wurde auch von zahlreichen branchenfremden Medien (Handelsblatt, Spiegel Online, …) zum Anlass für einen kritischen Blick auf das Portal genommen.
Nach langem Schweigen gab es erst Ende Oktober ein ausführliches Statement vom Libreka-Verantwortlichen Roland Schild. Im Gespräch mit dem Verbandsorgan Börsenblatt appelierte Schild nochmals an die Branchenteilnehmer, Libreka als gemeinsames Projekt zu begreifen und dem Angebot seine Zeit zu geben. Im Rahmen der Zusammenkunft aller Interessengruppen in Frankfurt kam es nun zu einer offenen Aussprache zum Thema.
Anders als beim letzten "Branchenparlament" im Frühling, als noch nahezu alle Seiten Libreka auf einem guten Weg sahen, wurde das Projekt nun vielfach auf den Prüfstand gestellt. Am positivsten kam die Plattform im Verlegerausschuss weg, wo im Wesentlichen Probleme bei der internen Kommunikation und die mangelhafte Mitarbeit von einzelnen Verlagen festgestellt wurden.
Viel Verbesserungspotenzial erkannten dagegen stationäre Buchhändler, die sich in diesem Zusammenhang auch ein größeres Gehör bei Strategieentscheidungen wünschen.Das ist in sofern nachvollziehbar, als das der Einzelhandel sicherlich am unmittelbarsten von einer Verschiebung der Umsätze ins Internet betroffen ist und momentan über VLB-Beiträge einen wesentlichen Anteil der Libreka-Kosten trägt.
Die Buchhändler appelierten denn auch an die Verleger, Libreka zu unterstützten und "in jeglicher Hinsicht so günstig zu stellen wie alle anderen vergleichbaren Plattformen" – verständlich, denn beim Verkauf digitaler Literatur über Ciando & Co. (was für Verlage finanzielle Vorteile haben kann) gehen Buchhändler leer aus.
Auch bei Kernthemen wie DRM und eBook-Bepreisung wünscht sich die Interessengruppe ein Mitspracherecht. Das ist interessant, denn zum Thema Pricing hat der Börsenverein eigentlich schon vor über einem Jahr via "Stellungnahme" (Buchpreisbindung gilt auch für eBooks; wer günstiger anbietet, wird verklagt) Fakten geschaffen. Verkaufsfördernde Impulse ausgerechnet vom stationären Buchhandel, der nicht gerade zu den offensichtlichen Profiteuren steigender eBook-Markteinteile gehört, wären eine Überraschung. Wahrscheinlicher ist das Gegenteil.
Der Zwischenbuchhandel schließlich betrachtet Libreka primär als Konkurrenz zum eigenen Geschäftsmodell. Zum Verständnis genügt schon ein Blick auf den Marktführer Libri, dessen Internetplattform sich schon vor Jahren zum Multimediashop (nebst großem Angebot an digitaler Literatur und elektronischen Lesegeräten) gemausert hat. Das vernichtende Urteil eines Vertreters dieser Gruppe: "Das Geschäftsmodell libreka hat aus unserer Sicht keine Chance, eine wichtige B2C-Marke und Plattform zu werden."
Die entgegenlaufenden Interessen im Bezug zu Libreka sollen nun von einer neu eingerichteten Arbeitsgruppe in Einklang gebracht werden, beschloss das Branchenparlament gestern in Frankfurt. Ob die Plattform auf diesem Weg insbesondere im Endkundengeschäft wirklich konkurrenzfähig gemacht werden kann. bleibt abzuwarten. Positiv ist auf jeden Fall schon einmal die offensichtliche Bereitschaft des Börsenvereins zum Dialog und zur (nötigen) Veränderung.
Auf der anderen Seite erinnert das Vorgehen an eine gerade wieder aktuell gewordene Redewendung und drückt auch ein bisschen Ratlosigkeit aus. Es bleibt die Frage im Raum, ob ein von so vielen divergierenden Gruppen getragenes Projekt (in der Funktion "eBook-Shop") dauerhaft lebensfähig und überhaupt wünschenswert ist.
Kommentare
jazznrhythm 13. November 2009 um 09:00
Als Verbraucher (Endkunde) erscheint Libreka in erster Linie unattraktiv, uninteressant und in seinem Aufbau verwirrend, wie ein ungeliebtes Kind, mit dem man sich halt beschäftigen muß, weil es jetzt nun mal schon da ist und man sowieso nichts mehr dagegen tun kann. Im Grunde ist es – gerade im Hinblick auf die Buchpreisbindung, an der man ja von gleicher Seite verzweifelt festhalten will – nicht einsehbar, wo für denjenigen, der die Plattform mal bezahlen soll, irgendwann mal der Vorteil liegen kann hier einzukaufen. Onlinehandel hat sehr viel mit Vertrauen, Bindung und einem einfach zu durchschauenden Ablauf und Angebot zu tun. Nichts davon ist bei Libreka gegeben. Das Angebot ist begrenzter als in jedem anderen Online-Buchhandel, das Vertrauen ist noch nicht da, die Bindung kann daher nicht aufgebaut werden und weder die Suche noch diese seltsame Vernetzung mit dem Offlinehandel ist für den Kunden erklär- und vollständig durchschaubar. Die ganze Idee ist ein Konzept, das den Eindruck großer Spontanität und kleiner Pläne, sowie winziger Schritte hinterlässt. Libreka wird allerdings nie das Problem der Kunden werden, aber immer das der Betreiber bleiben.
Branchen-Diskussionen rund um libreka! – denkt auch jemand an den Kunden? | Leander Wattig 13. November 2009 um 18:05
[…] zu beziehen, was er im Börsenblatt getan hat. Weitere Ereignisse der letzten Wochen und Tage hat Johannes Haupt zusammengefasst. Ein […]
links for 2009-11-13 : Bibliothekarisch.de 14. November 2009 um 08:08
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