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Buchhandel und eBooks: Feuer und Wasser?

buchhandlungDer stationäre Buchhandel möchte eine größere Rolle im Geschäft mit digitaler Literatur spielen, forderte dazu jüngst von den Verlagen einen Verzicht auf restriktiven Kopierschutz – DRM-bedingt sei gegenwärtig die Abwicklung zu kompliziert für den erfolgreichen eBook-Verkauf im Ladengeschäft. Ein Kommentar von Steffen Meier, Online-Chef bei Ulmer.

Vergangene Woche tagte der Sortimenterausschuss und erregte mit einem vehementen Veto gegen hartes DRM Aufsehen in der Branche – man möge es doch bitte dem Kunden nicht schwerer machen als nötig. Hintergrund war gemäß Stellungnahme die Einschätzung, "…dass das stationäre Sortiment vor erheblichen Schwierigkeiten steht, am E-Book-Verkauf partizipieren zu können".

Dem Branchenparlament wurden zeitgleich Forderungen vorgetragen, eine "stärkere Einbindung beim Vertrieb von Fachinformationen"  anzustreben. Alles daran ist völlig legitim. Ein Markt entsteht, Sortimenter möchten daran teilhaben. Allerdings stellt sich mir die Frage: Ist dies überhaupt möglich?

zeitungskioskDas tradierte Geschäftsmodell des Durchschnitts-Sortimenters basiert auf Lokalität, einem räumlich bedingt begrenzten Angebot, persönlicher und (meist) fachlicher Beratung sowie sofortiger Verfügbarkeit des gewünschten haptischen Produkts oder zumindest desssen Bestellmöglichkeit. Bei digitalen Gütern wie E-Books reden wir aber über eine ganz andere Transaktionskette.

Insofern ist die Idee, den Kauf eines E-Books nach dem Muster eines Print-Buch-Kaufs abzubilden, in meinen Augen schlicht Unfug. Warum sollte ich mit meinem Online-fähigen E-Reader in eine Buchhandlung gehen, um mir das gewünschte Produkt dort herunterzuladen oder freischalten zu lassen? Hier kämen maximal zwei Gründe zum Tragen: hemmungslose Liebe zum jeweiligen Sortimenter oder die fachliche Beratung. Beides wird aber sehr schnell aufgewogen durch die Bequemlichkeit, von meinem Sofa aus mir gewünschte Literatur herunterladen zu können.
Dann bleibt dem Sortimenter nur noch die Möglichkeit, dorthin zu gehen, wo sein Kunde ist – ins Netz. Positioniert er sich dort digital, kann er wieder Teilhaber der Transaktionskette werden. In der Theorie.

Das führt wiederum zur Frage: Kann der Sortimenter das überhaupt? Natürlich gibt es White-Label-Lösungen von Libri, KNV, Libreka. Aber im Netz verliert der Sortimenter alle obigen stationären Vorteile, vor allem den der persönlichen Beratung, tritt aber gleichzeitig in Konkurrenz zu völlig neuen Playern, all den Amazons, iBookstores und so weiter. Da machen ihm nicht die neue Weltbild- oder Thalia-Filliale zwei Blocks weiter zu schaffen, sondern eine unendliche Zahl von Mitspielern, einen Klick entfernt.

Die einzige Möglichkeit für den kleinen und mittleren Sortimenter ist es, sich selbst digital abzubilden, seine Kernkompetenz und seine Auswahls- und Beratungsleistung. Dies erfordert enormen Ressourceneinsatz und schlicht Geld.

Gleichzeitig ist eine derartige Investition unter rein betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten für Sortimenter schlicht ein Wagnis respektive eine Wette auf die Zukunft. Der Marktanteil von E-Book-Verkäufen ist einfach noch zu klein und die Entwicklung schwer einzuschätzen – jeder Controller würde müde lächeln und, wenn auch fantasielos, abwinken.

In der Realität läuft es in der Umsetzung gegenwärtig auf eine Mischung aus Idealismus und Selbstausbeutung hinaus.

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Kommentare


Melanie 3. Mai 2010 um 08:48

Gerade im Urlaub oder unterwegs kann ich mir gut vorstellen, das eine oder andere E-book im Laden zu kaufen – ich schleppe mein Notebook nämlich nicht immer mit. Manchmal habe ich aber Lust auf ein bestimmtes Buch, das ich im Vorbeilaufen gesehen, aber noch nicht auf meinem Reader habe.
Ich würde es deshalb begrüßen, wenn ich auch im Laden kaufen könnte.

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Wenke Richter 3. Mai 2010 um 10:33

Zunächst einmal muß ich sagen, daß ich über die Forderung des Sortimenterausschusses gegen hartes DRM positiv überrascht worden bin. Bisher gab es nur wenige Fachkollegen, die diese Position vertreten haben. Aber hier geht es ja nicht um DRM, sondern um die Partizipation des stationären Buchhandels beim E-Book-Verkauf (stationär und Internet ist eigentlich schon ein Widerspruch in sich ;-) ). Ja, der Buchhandel kann sich gerne am Verkauf beteiligen. In der freien Marktwirtschaft sind sie genauso ein Mitspieler wie Internetshops etc. Nur ist eben die Frage, wie der "kleine Buchhändler" bei dem Überangebot wahrgenommen werden kann. Das Zauberwort heißt wohl Kundenservice und zwar in der Art, wie sie Amazon nicht bieten kann. Persönliche Beratung mehr als über eine datenbankgenerierte Buchempfehlung, einen direkten, aus Fleisch-und-Blut-bestehenden Ansprechpartner zu haben, den ich möglichst gut bei Problem greifen kann. Das wären Vorteile gegenüber dem Klick im Internet. Was dafür aber meiner Meinung nach unbedingt notwendig ist, daß Buchhändler in technischer Hinsicht versiert sind, also sich auch in gewisser Hinsicht zum Elektrofachhändler entwickeln. Dieser Punkt bringt ihnen entscheidende Vorteile. Denn sie haben das Wissen um die Buchherstellung, -vertrieb (was ein Mediamarktmitarbeiter beispielsweise nicht hat) und können zugleich auch bei technischen Problemen helfen. Nur verlangt dieser Punkt auch eine neue Bereitschaft der Buchhändler zum Lernen, den ich momentan noch nicht so recht sehe (vielleicht täusche ich mich auch).

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Tom 3. Mai 2010 um 11:35

Meiner Meinung nach kann der stationäre Handel von Ebooks profitieren. Das Ebook als Zugabe bzw. Bestandteil des gedruckten Buchs wäre aus Verbrauchersicht optimal. Bei Fachbüchern ist das schon länger nicht unüblich. Man kann sich dann wie bisher vom Händler seines Vertrauens beraten lassen. Was dieser nicht gedruckt (und digital) vorrätig hat, kann er dem Kunden dennoch sofort digital mitgeben. Papierausgabe folgt per Post. Das wäre ein Service, der dem Schmökern und gucken vor Ort in der Buchhandlung einen Schub geben könnte, oder ?

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Bigboo73 3. Mai 2010 um 12:02

Ich würde auch ein Bundle aus Gedruckten und Digitalen Buch bevorzugen.

Lesen tue ich ausschließlich auf dem E-Book Reader (früher sogar über Mobipocket auf dem Handy). Würde mich aber freuen ein Buch in mein Regal stellen zu können.

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R.Lenkeit 3. Mai 2010 um 13:04

Ich kann mich da nur anschließen, das gedruckte Buch mit eBook zusammen währe eine Superidee

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paradoxus 3. Mai 2010 um 13:11

Eine Bundlelösung ist ja prinzipiell eine interessante Sache — aber machen wir uns doch nichts vor, die Marktdiskriminierung läuft bei *belletristischen* E-Books (bei Fachbüchern, die aktualisiert werden können, ist das sicherlich anders — vielleicht wird die Belletristik auch mal zum Fortsetzungsroman, der täglich per UMTS an die Leser geht, die den Text dann auf ihrem iPad bewerten usf.) doch alleine über den Preis! (Siehe Amazon.) Zumindest solange die Lesegeräte derart beschränkt sind wie heute und keinerlei Mehrwert (bis auf das Gewicht) im Verhältnis zum gedruckten Exemplar bieten. Wie viele Personen fahren jährlich in Urlaub und haben ein Gewichtsproblem und wären daher bereit, die gedruckte Version daheim zu lassen und zuvor noch 200 EUR in einen E-Reader zu investieren? Eben. Welcher Pendler in der vollen U-Bahn will für ein E-Book den gleichen Preis zahlen wie für ein Hardcover? Und am Ende habe ich dann nur die widerrufbare Lizenz, nichtmal ein Produkt? Nein, E-Books werden erstmal dann laufen, wenn sie signifikant mehr bieten als ein Papierbuch oder eben preiswerter sind, also in der Liga der billigen Taschenbücher spielen. (Den Markt jenseits der Nischen gibt es, aber derzeit nur, wenn das Produkt kostenlos ist, zB bei avaxhome.)

Und der Buchhändler vor Ort als epub-DRM-Supporter von ca. 2 Dutzend Geräten? Mit Verlaub, dass ist lächerlich. Schon mal den Buchhändler vor Ort gebeten, bei einer Installation des Grimm’schen Wörterbuchs zu helfen? Oder des verblichenen DRM-Brockhaus' mit USB-Stick?

Ich habe gewiss keine Patentlösung, im Gegenteil. Aber E-Book und P-Book lassen sich weder im Geschäftsmodell noch sonstwie 1:1 aufeinander abbilden, da hat der Ulmer-Verlag völlig recht! Wenn man sich Film & Musik ansieht, dann würde ich sogarr sagen: Der stationäre Handel wird mit den E-Books nichts am Hut haben. Und falls sich e durchsetzt, wird der Händler, der "nur" preisgebundene, teurere Belletristik verhökert eben nicht mehr sein. (Ich glaube übrigens, dass die Vorschlagmechanismen, die Bewertungsforen etc. von Amazon sehr viel zu den Kaufentscheidungen beitragen und das sehr beschränkte Wissen des Buchhändlers über mich durchaus substituieren oder gar übertreffen können!)

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Wolfgang Lehner 3. Mai 2010 um 15:12

Gehe ich zum Bahnhof um ein Buch zu kaufen? Gelegentlich tatsächlich, meist aber eher wegen einer Zugfahrt. Trotzdem komme ich des öfteren von einer Fahrt mit einem neuen Buch zurück. Warum? Weil praktischerweise ein Buchladen in der Nähe war, als mir zwei langweilige Stunden bevorstanden. Bahnhof als Buchhandelsmodell? Unbedingt. Stationärer Buchhandel als E-Book-Shop? Ich würde sagen: ähnlich. Natürlich gehe ich nicht in einen Buchladen um ein E-Book auf einen USB-Stick zu laden. Schon eher um spontan Lesestoff auf mein Smartphone zu laden – z.B. auf dem Weg ins Freibad, denn zuhause würde ich ja schnell am Schreibtisch kaufen und downloaden. Was spricht gegen E-Book-Ladestationen am Bahngleis, vom örtlichen Buchhändler bestückt? Nichts.
In der Online-Welt gilt mehr denn je: Das Angebot muss dort sein, wo der Kunde ist. Wenn z.B. auf einer Website Vegetarier Rezepte und Kocherfahrung austauschen, dann sollte dort auch ein entsprechendes Buchangebot auftauchen. Verlage tun sich damit schwer solche Minimarktplätze zu bestücken, schließlich wollen sie ihr eigenes Programm darstellen, in diesem Fall vielleicht 5 Bücher passend zum Thema. Das lässt die Leser aber unzufrieden zurück, schließlich gibt es noch mindestens 20 weitere Verlage mit vielleicht 100 infrage kommenden Titeln. Hier sollte ein Buchhändler eine gute Auswahl zusammenstellen und auf technisch unkomplizierte Weise in die Website integrieren können. Dem User wiederum sollte es ziemlich egal sein, bei wem er gerade kauft, das Kaufverfahren müsste also einfach und möglichst überall gleich sein – bestimmt eine leichte Aufgabe für KNV, MVB & Co. Sind Buchhändler und Website-Betreiber physisch am gleichen Ort beheimatet, ist das geradezu ideal. Hier könnte man sich prima abstimmen und bei einem Glas Wein die Provisionsfrage besprechen (der physische Standort sollte wirklich nicht unterschätzt werden). Eine technische Lösung vorausgesetzt, heißt das: Wer irgendwo im Netz einen Platz für den Buchverkauf entdeckt und sich mit dem Betreiber einigt, hat seine Ladenfläche schon vergrößert.
Aber wir sind ja noch nicht so weit. Noch ist ein Kochbuch als E-Book eine dröge Angelegenheit und gegen die Printausgabe chancenlos. Aber wenn wir alle mal ein iPad o.ä. besitzen, und Kochbücher z.B. auch Filme für die schwierigeren Arbeitsgänge enthalten oder Audiofiles vom Koch(Autor) im O-Ton – und somit das Buch in dieser medialen Reichhaltigkeit nicht mehr gedruckt werden kann! – dann haben wir eine spannende neue Situation. Das große Angebot an Büchern wird immer eine Vorauswahl benötigen. Das Suchen auf Amazon ist schnell zeitraubend und frustrierend. Ein glaubwürdiger, unabhängiger Experte, kombiniert mit Leseproben und fachmännischem Urteil – das funktioniert immer. Jetzt reden wir aber nicht mehr über den einen Laden für alles, sondern der Laden wird sich evtl. in verschiedene Abteilungen aufsplitten, die wiederum an verschiedenen Orten zu finden sind.
OK, man darf Amazon und sein Partnerprogramm hierbei nicht ganz vergessen. Aber wäre der Riese wirklich in der Lage, sich auf eine Vegetarier-Website einzustellen, glaubwürdige und engagierte Rezensionen schreiben zu lassen und immer passend zu den angesagten Themen das Buchangebot zu variieren, zu aktualisieren oder mal ein Gewinnspiel zu organisieren? Ich denke, hier hat ein Buchhändler mit Draht zum Website-Betreiber und Gespür für die Leser gute Chancen.
Man muss es halt dann noch irgendwie hinkriegen, dass alle Beteiligten (evtl. braucht man z.B. auch geübte Texter) irgendwas daran verdienen. Aber da E-Books ja eine riesige Gewinnspanne enthalten – keine Ironie, wenn die Produktion mal richtig eingeübt ist, sich Synergieeffekte ergeben, und natürlich der Inhalt gut ist … – sollte das ein lösbares Problem sein.
Mal abgesehen davon, dass es noch die nächsten 10 Jahre genügend Printprodukte geben wird, die wir auch tatsächlich auf Papier haben wollen, hat der Buchhandel mit seinen speziellen Kenntnissen auch in der Online-Welt noch viele Möglichkeiten. Ob allerdings jeder Buchhändler diese hat, ist nochmal eine andere Frage.

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Steffen Meier 3. Mai 2010 um 15:35

@Wolfgang Lehner Für die Einschätzung spricht sicher einiges. Aber viele Buchhändler sind eben keine Spezialisten, sondern bieten ein halbwegs breites Sortiment an, insofern ist die Funktion als realer "Gatekeeper" für eine eingeschworene Zielgruppe, die auch noch lokal sein sollte, m.E. eher die Ausnahme.
Ich würde es ja Buchhandlungen wünschen, kann mir aber in der Masse nicht vorstellen, dass diese im rein digitalen Geschäft eine grosse Rolle spielen werden.
Das sieht bei Hybriden, wie weiter oben angesprochen (Buch plus gekoppeltes E-Book), natürlich anders aus.
Und noch ein Wort zur riesigen Gewinnspanne – das gilt, wenn es sich um reine 1:1-Adaptionen handelt. Etwa als weboptimiertes PDF eines Buchs. Dies kann aber nicht ein wirklich digitales Buch sein, es gehen zuviele Funktionalitäten verloren, die digital zur Verfügung stehen. Und wenn man diese nutzt, sehen Verlagskalkulationen gleich wieder ganz anders aus.

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Wolfgang Lehner 3. Mai 2010 um 15:53

Oh, und noch was zu "Idealismus und Selbstausbeutung": Das gehört selbstverständlich dazu – das wissen alle, die in der Buchproduktion arbeiten, größtenteils sind das ja Selbständige. Die Alternative heißt, beim Start soviel Geld auf dem Konto zu haben, dass man die Anlaufschwierigkeiten gut übersteht (also Papas Erbe verbraten) oder man arbeitet doppelt soviel wie die anderen und erfreut sich – wenn’s mal läuft – der cheflosen Selbständigkeit. Wer’s nicht mag, kann ja das Leben als Angestellter einer Buchhandelskette in vollen Zügen genießen. Wir haben zum Glück die freie Wahl.

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Steffen Meier 3. Mai 2010 um 16:09

Idealismus/Selbstausbeutung sind keine betriebswirtschaftliche Größe – und unter wirtschaftlichen Aspekten habe ich die Rolle des Buchhändlers im E-Book-Geschäft ja explizit gesehen.
Natürlich ist das eine starke Triebfeder (ich bin Onliner und weiß, wovon ich rede ;-) aber wenn der wirtschaftliche Erfolg (der sein kann, monatlich die Miete zahlen zu können) fehlt, ist dies sehr eng begrenzt.

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paradoxus 3. Mai 2010 um 17:06

@Wolfgang Lehner Mit einem iPad oder einem Kindle brauche ich auf dem Weg zum Zug aber nicht in einen Laden, weil ich mir die Lektüre im Zug via UMTS ziehe, nachdem ich vorher die Rezension in der FAZ las (wie man darauf kommt, dass Buchhändler auch noch das Rezensionswesen ersetzen sollen…, zumal: "glaubwürdig" und "schreiben lassen", da kräuseln sich meine Nägel)!

Was den Rest des langen Textes angeht: Pures Wunschdenken ;-) Zumal ja "alle" auch "irgendwie" was verdienen wollen, vermutlich mehr als 340 EUR/Monat.

BTW: Wäre die Suche auf Amazon derart schlecht, wäre dieser Laden nicht so verdammt erfolgreich! Und diese Breite an Laien-Rezensionen (erstmal egal wie mies sie manchmal sind), Vorschlagsalgorithmen, ev. Einbindung in soziale Netzwerke, elektronische Lesezirkel usf. – keine Ahnung wie ein Buchhändler, der sich nicht auf die Literatur der Aufklärung von 1710-1735 spezialisiert hat, da mithalten sollte ;-) Wir dürfen ja nicht vergessen, neben all diesen Online-Aktivitäten soll ja noch ein Ladengeschäft laufen und da hapert es bei meinem Händler "um die Ecke" schon ein wenig mit der Zeit zum Lesen.

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Wolfgang Lehner 3. Mai 2010 um 17:18

@Steffen Meier Moderne Zeiten I: Arbeiten und gleichzeitig diskutieren auf Webseiten, die sich nicht selbst aktualisieren – so etwa muss man sich ein Gespräch mit einem Marsastronauten vorstellen.
Moderne Zeiten II: Gab es schon mal einen Umbruch in der Arbeitswelt, der keine Opfer gekostet hat? Heulen wir den verschwundenen Bergleuten aus dem Ruhrgebiet nach, den deutschen Fischern an der Nordsee? Es ist traurig, wenn man davon betroffen ist. Und, ja: Möglichkeiten gibt es viele, aber nicht für jeden stehen sie zur Verfügung. Die Gründe sind vielfältig. Logisch ist: Es kann nicht funktionieren, dass JEDE Buchhandlung online geht (ein Trost: es muss ja auch nicht jeder). Der Umbruch zieht aber viel weitere Kreise: Während ich als Setzer/Grafiker/Lithograph/Lektor und Möchtegern-Buchhändler noch damit kämpfe, E-Books in mein Leistungsspektrum einzubinden und mich jetzt plötzlich mit Videoschnitt beschäftigen muss, weil Audio, Video und Animation in iPad-tauglichen Dokumenten (die immer noch "Bücher" heißen) gefordert werden und das Dateiformat Flash plötzlich was mit Buchproduktion zu tun hat, versuchen Kollegen jetzt erst recht, sich noch so intensiv in der Printwelt zu engagieren, dass es vielleicht noch bis zur Rente reicht. Welche Strategie ist die bessere?
Richtig ist ganz bestimmt, dass in Phasen des Umbruchs scheitern kann, wer zu früh sich auf das Neue spezialisiert. Aber wer es zu spät macht, findet die Regale bereits von den Konkurrenten besetzt … Wo sind unsere Unternehmensberater, die hier konkrete Anleitungen geben könnten?
Zur Panik ist bestimmt kein Anlass. Auch nach 5 Jahren iPad werden die Buchläden noch voller Bücher aus Papier sein. Und wenn 10% der Bevölkerung ein Lesegerät besitzen ist der Verlust durch E-Books wahrscheinlich geringer als es jetzt der Verlust durch Amazon & Co. ist. Statt sich frustrieren zu lassen sollte man neugierig bleiben. Meine Kreativität wende ich nicht für Dinge auf, die ich ablehne.
Zum Thema E-Book-Preis werden wir noch viel fundiertes und gleichzeitig widersprüchliches hören, während Amazon und Apple Fakten schaffen, als gäbe es die Diskussion überhaupt nicht. Ihrer Anmerkung zum PDF stimme ich zu. Aber das PDF als Abbild eines Druckerzeugnisses ist ein kurzes Zwischenstadium (Zeitungen auf dem iPad werden uns in Bälde zeigen, was in PDF wirklich alles geht). In bestimmten Bereichen werden wir uns aber selbst ein Bein stellen, wenn wir weiterhin die Papierausgabe als Hauptsache im Blick haben, weil das jetzt noch das Erfolgsmodell ist. Dazu gern ein andermal/anderswo mehr.

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Wolfgang Lehner 3. Mai 2010 um 19:32

@paradoxus Wollen wir es dem armen Buchändler zuliebe noch etwas vertiefen.
Gebe gern zu, dass mir die Feinheiten der aktuellen Online-Kaufmöglichkeiten mit diversen Geräten nur theoretisch bekannt sind. Aber klar ist mir, dass der Einstieg in den Handel mit digitalen Dokumenten erst noch bevor steht, aber noch nicht begonnen hat (soll heißen, dass wenigstens spürbare 5 bis 10 Prozent der Leserschaft damit umgehen können und es auch tatsächlich regelmäßig tun, so dass es sich in Zahlen messbar niederschlägt (Fachbücher mal beiseite). Dass Sie oder ich uns beruflich oder interessehalber damit beschäftigen und als Testkäufer (early adopters) gern neue Techniken erproben, hat mit einem "Markt" noch nicht viel zu tun.
Der Erfolg von Amazon kommt m.E. nicht von Leserempfehlungen und Vorschlagalgorithmen. Vielmehr hat dieser – sowie die anderen, weniger bedeutenden Onlineshops – ganz banal 24 Stunden am Tag geöffnet, die ganze Woche und das an fast jedem Ort, in jedem Dorf der Welt. Das ist ein Killer-Feature. Aus eigener Erfahrung: Es ist einfacher geworden bei Amazon zu bestellen, als fünf Stationen mit der Straßenbahn zu fahren, im überfüllten Kaufhaus (man hat ja meist nur am Samstag Zeit) sich ans Regal zu kämpfen, nur um dann doch bestellen zu müssen. Damit muss der Buchhändler konkurrieren.
Den Rezensionen in unseren so hochgeschätzen Tageszeitungen stelle ich jetzt einfach mal die etwa 90.000 jährlichen Neuerscheinungen in Deutschland gegenüber ;-))
Der Buchhändler – so er online gehen will – muss in irgendeiner Form das Buch/die Bücher bewerben und Käufer in den Shop locken. Rezension sind ein Mittel – keine literaturwissenschaftlichen Abhandlungen, sondern aussagekräftige Inhaltsangaben, Einordnung in die bestehende Literatur zum Thema, objektives Urteil zur inhaltlichen Qualität – die fallen natürlich nicht vom Himmel und von den Verlagen können Sie genau dies nicht erwarten. Sie von Lesern erstellen zu lassen wäre unsinnig – dahinter steckt erst recht ein enormer Aufwand. Natürlich kann das nicht jeder Buchhändler zu jedem Buch – deswegen der Nischengedanke. Vielleicht geht’s ja auch ohne Besprechung? Wenn diese andernorts zu finden ist. Bei Krimis z.B. könnte man ohne auskommen, weil vielerorts darüber gequasselt wird. Man muss es halt schaffen, dort präsent zu sein, wo Krimifans sich treffen. Und nochmal: Auch hier reicht logischerweise der Platz nur für wenige Shops.
Es gab mal Zeiten, da waren Tankstellen für bestimmte Printprodukte der Geheimtipp. Für manche Bücher waren dann Apotheken der perfekte Platz (der Apotheker hat die Bücher gewissermaßen geadelt – glücklich der Verlag, der es als erster geschafft hat, er sitzt heute noch dort). Bücher müssen nicht automatisch in den Buchladen.
Soziale Netzwerke? Ja, ganz wichtig. Aber: Macht halt nur Sinn, wenn ein Link zum Shop führt.
So oder so, es braucht halt zumindest einen akzeptablen Katalogtext (um mal von der "Rezension" wegzukommen und vielleicht die Verlage ins Spiel zu bringen, die könnten sowas nämlich leicht liefern – Katalogtext, nicht Rezension) und dann noch einiges an Technik drumherum. Die PR macht dann eben die Community.
Und "glaubwürdig" und "schreiben lassen" sind kein Widerspruch, auch wenn es so aus dem Zusammenhang gerissen nach bestellter "guter" Kritik klingt. Jeder Berufskritiker kann ihnen das sicher bestätigen.
Vielleicht ist aber in Wirklichkeit alles schon gelaufen und Steve Jobs hat doch recht? Die Leute wollen eigentlich garnicht mehr lesen, und das Theater um E-Books ist eigentlich nur ein letztes Aufbäumen einer sterbenden Kunst. (Ist deswegen der große Unterschied des iPads zum Kindle die Videotauglichkeit?) Über kurz oder lang werden wir (eher unsere Kinder) nur noch Videos gucken (was hier nicht als Negativum gemeint ist und keinesfalls zu einer neuen Diskussion über den Wert des Lesens führen soll).
Gott grüß die Kunst.

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Peter Reich 4. Mai 2010 um 19:24

Ich denke aus der Forderung nach der Beteiligung des stationären Sortiments am E-Book Handel spricht von Sortimenterseite teilweise die nackte Angst, dass hier ein entscheidender Teil des Umsatzes wegbrechen könnte.
Die von Ihnen angesprochene "hemmungslose Liebe" des Kunden zum Sortiment gibt es, jedoch kann die keinesfalls überbewertet werden. Wie oft stehen Leute bei mir in der Buchhandlung und beklagen sich bitterlich über meine Mitbewerber, um bei mir "problematische" Bestellungen loszuwerden. Es gibt sicherlich "treue Kunden", aber die Mehrheit bevorzugt die Summe aus kürzestem Weg und geringstem Widerstand seitens des Sortimenters.
Interessant fand ich, dass bei der Jahrestagung des AkS in Paderbborn vom Vertreter von Libreka behauptet wurde, das sogenannte weiche DRM mit dem Namen des Kunden als Wasserzeichen, würde bereits die Verbreitung über Tauschdienste verhindern.
Wenn der E-Book-Reader bereits selbst einen Onlinezugang hat, wie der Kindle ist der Kunde sowieso für das Sortiment verloren.
Ich sehe nicht, dass sich die Wunschpreise der Verlage, die häufig zwischen TB und HC-Preis angesiedelt sind halten lassen. Die Preise werden fallen, weil die Kunden ansonsten in die Tauschdienste (Illegalität) abtauchen. Jeder Kopierschutz wird geknackt. Insofern sollten die Verlage vielleicht wirklich auf das Soft-DRM setzen, weil sie hier ansonsten nur unnötig Geld verheizen, dass Ihnen auf lange Sicht keine Kunden sichert. Wozu der Umweg. Die Filmindustrie hat es uns doch bereits vorgemacht. Der Spieltrieb der Programmierer wird die freie Kopie in jedem Fall möglich machen.
Für den Endkunden ist ein Buch etwas haptisches, dass er mit dem Inhalt des Buches verknüpft und darin beispielsweise über die Dicke und die Seitenzahl einen echten Wert empfindet. Einem heruntergeladenen Buch, dass vielleicht eine Datenmenge von 4MB als PDF enthält fehlt genau dieser haptische Gegenwert. So wird der Kunde erwarten, dass er sein E-Book zu einem Preis bekommt, der erheblich unter dem Preis der gedruckten Augabe liegt. Das der reine Materialwert irgendwo zwischen 10-20% der verkauften Ausgabe liegt und dass die geistige, herstellerische und vertriebliche Leistung die restlichen 80-90% verschlingen, ist nicht bewusst.
Streng genommen sehe ich auch für die Verlage im E-Book-Vertrieb keinen Platz mehr. Wenn EBooks zunehmen, wird es auf lange Sicht eher passieren, dass Dienstleister die Texte der Autoren aufbereiten und dann an den Verkäufen der Autoren beteiligt werden. Die Autoren sitzen am längsten Hebel, weil sie den Rohstoff herstellen, aus dem die Bücher gemacht werden. Warum soll sich ein Autor mit dem Autorenhonorar allein zufrieden geben, wenn sich hier für ihn die Möglichkeit ergibt, die ganze Verwertungskette auszuschalten. Wenn man es ganz pessimistisce betrachtet, sind die EBook-Reader-Hersteller, die einzigen, die hier gewinnen können. Die Qualität des Lektorats eines Verlages als unverzichtbar hinzustellen, kann ich nur als frommen Mythos sehen, der sich dann letzten Endes auch selbst erledigen wird.
Die Wahrheit liegt wie bei allen Dingen irgendwo in der Mitte, denn schon die Entwicklung des Radios, des Kinos, des Fernsehers, des Computers und des Internets wurden alle als Untergang des Abendlandes gefeiert, die die Lesekultur vernichten würden.

Mein Rat an die Verlage: Soft-DRM, um kein Geld zu verheizen. Niedrige Preise, um die Nutzer nicht in die Illegalität zu treiben.
Beteiligung des Sortiments wäre wunderbar und wahrscheinlich im Interesse der Verlage, weil die persönliche Beziehung des Sortimenters möglicherweise einen Mehrwert für den Kunden bietet.
Ansonsten werden sich andere Anbieter im Internet eine Plattform schaffen, an der keiner mehr vorbeikommt. Sämtliches Herumgeeier und "weiss-nicht,-ich-warte-mal-ab" treibt den Umsatz ins Netz. Vielleicht bietet Google den Autoren irgendwann an, die Bücher zu lektorieren und mit einer Autorenbeteiligung von 50% direkt zu vermarkten.
Für das Sortiment bleiben dann nur noch die haptisch interessierten Kunden, die noch gelernt haben, dass man Bücher auch untersreichen, mit Eselsohren versehen kann oder unter ein wackelndes Tischbein legen kann.

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Susanne Martin 5. Mai 2010 um 09:18

Ich bin froh, daß meine KollegInnen so deutlich Stellung bezogen haben, was das DRM anbelangt. Ich bin schon lange der Auffassung, daß es das digitale Wasserzeichen auch tun würde.
Ob das – wenn es so käme – uns SortimenterInnen die E – Book – KundInnen in die Arme treiben würde, das glaube ich allerdings nicht. So schwarz – weiß wie von Ihnen, Herr Meier, beschrieben, möchte ich die Sache allerdings dann auch wieder nicht sehen.
Ohne Frage wird der größte Teil des E – Book – Kuchens nicht von uns verspeist werden. Aber es wird sich mit der Zeit eine kleine Zielgruppe herausbilden, die es gewöhnt ist, in "ihrer" Buchhandlung einzukaufen – sei es via Netz oder im Laden. Und wenn ich dieser Zielgruppe nicht von Anfang an ein Angebot mache, dann habe ich wirklich verloren!
Daß ich mich dabei nicht auf ein stationärens Angebot verlassen kann, sondern auch ein Angebot im Netz machen MUSS, versteht sich von selbst.
In einem (für das allgemeineSortiment) so neuen Markt ist es m.E. zu früh, schon gesicherte Aussagen zu machen. Da gilt es, auch mal was auszuprobieren und ein wenig Geduld dabei zu haben. Lassen Sie uns doch in 1 oder 2 Jahren schauen, wie sich der Markt entwickelt hat, welche Angebote sich etablieren konnten und welche ein Schuss in den Ofen waren.
Ich spreche hier nur als Buchhändlerin mit einer Buchhandlung, die ein allgemeines Sortiment führt – im Fachbuchbereich gelten sicher ganz andere Gesetze!

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Thomas Knip 5. Mai 2010 um 12:52

Es gibt bis heute keine nachhaltige Umsetzung von MP3-Downloads im stationären Handel; einem Marktsegment, das deutlich größer ist als das von eBooks. Oder um themennah zu bleiben: für Hörbücher.

Warum sollte es also gerade mit eBooks gelingen?

Der stationäre Handel sollte nach 10-15 Jahren effektiver Internetnutzung in der Bevölkerung gelernt haben, dass ihm mit dem Online-Vertrieb ein konkurrierender Vertriebsweg entstanden ist. Einer, der nach anderen Vorgaben funktioniert und andere Bedürfnisse der Kunden befriedigt.
Natürlich ist es die Stärke des stationären Handels, dass er sich das Internet "ins Haus holen" kann, wortwörtlich. Eine Buchhandlung kann hier zweigleisig fahren und damit auch betonen: uns kommt es auf den Inhalt an, nicht die Form. Dennoch wird das nur in größeren Buchhandlungen funktionieren (Ressourcen, Personal (geschultes!)), und auch dann wird es nur ein Segment der Einnahmen bleiben.

Auch wenn in DE einmal 10% aller Verkäufe auf eBooks entfallen sollen (was schon beachtlich wäre), bleiben immer noch 90% für den Printsektor. Und ganz realistisch wird das noch die nächsten 15-20 Jahre so bleiben. Es ist vernünftig, dass sich der Buchhandel aktiv mit dem Thema digitale Literatur auseinander setzt. Aber wirklichen Grund zur Sorge muss er deswegen noch lange nicht haben.
Sollten sich weniger Bücher über den stationären Handel verkaufen, liegt das am allerwenigsten an eBooks (oder Raubkopien).

Und letzten Endes passt der klassiche Buchhandel tatsächlich nicht zu eBooks. Da erwarte ich mir eher einen offen gestalteten Laden mit mehreren Terminals, einem großen Sortiment verschiedener Lesegeräte und einem großen (!) Lounge-Bereich, in dem ich entweder die Geräte testen kann, schmökern oder einfach abhängen kann, mit Latte M und allem. Mit Büchern höchstens als Dekoobjekte.

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Rob 5. Mai 2010 um 22:07

Ich könnte mir es durchaus gut vorstellen, mit meinem eBook Reader in der Buchhandlung ein eBook zu kaufen… wenn ich es denn direkt drauf haben würde. Beim ebook Kauf im Internet ist das Schmökern nicht zu gut möglich wie in einer Buchhandlung, und ein Spontankauf würde durchaus gelingen. Schon oft bin ich aus Buchhandlungen mit Büchern gekommen, die ich beim vorbei gehen "entdeckt" habe. Dieses Erlebnis fehlt mir im Internet. Im US Sony Store ( in dem ich oft einkaufe) sind oft die wechselnden Highlights in jeder Kategorie, die oft auch interessant sind und von denen ich mir einige schon gekauft und gelesen habe, aber nicht in der Masse wie im Buchhandel. Nun gut, ein entscheidender Faktor wäre auch die gleichzeitige Verfügbarkeit von Print- und Digital-Buch. Daran happert es hier noch deutlich.

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Matthias Ulmer 6. Mai 2010 um 11:47

Für mich sind das zwei ganz getrennte Themen. DRM ja oder nein, dazu ist wohl alles gesagt. Da soll ruhig jeder seine eigene Meinung dazu haben. Dass aber der Sortimenterausschuss das beschämende geringe Engagement des Sortiments bei Libreka (nur darum ging es ja) auf DRM schiebt, das war wohl einer der schwächsten Momente des SoA in den letzten Jahren. Schwamm drüber.

Das Thema Sortiment und E-Book dagegen finde ich spannend. Es wird aber nicht angemessen diskutiert, wenn man das auf die Frage reduziert, ob Kunden in den Laden kommen um eine Datei auf ihren Rechner zu ziehen. Das kann ja nicht die Zukunft sein, das ist doch klar.

Ich vermute, dass wir in wenigen Jahren schon E-Books überhaupt nicht mehr runterladen, sondern über unseren Rechner nur noch auf Content zugreifen. Damit ist das ganze Thema Donwload-Stationen gegessen.

Ich vermute weiter, dass nur zum geringsten Teil E-Books Alternativen zu gedruckten Büchern sein werden, dass vielmehr die Normalität wird, dass Fachbücher, Lehrbücher, Reiseführer, Ratgeber, Kochbücher, Schulbücher etc. aus einem gedruckten Teil und einem komplementären elektronischen bestehen. Und es scheint mir undenkbar, dass im Buchhandel dann nur der eine Teil verkauft wird mit dem Hinweis, hol Dir den anderen selbst im Netz. Deshalb würde ich es so rum formulieren: Wenn Buchhändler weiterhin gedruckte Bücher verkaufen wollen, dann kommen sie nicht darum herum, auch E-Books zu verkaufen.

Und meine dritte Annahme ist, dass die Arbeit des Sortimenters im Moderieren eines Kundenkreises liegt, der sich über das Lesen von Literatur oder bestimmten Sachthemen definiert, und der über die Webseite und Social Medias vernetzt wird, moderiert vom Buchhändler, dessen Ladengeschäft die Kern-Begegnungsstätte für diese Community ist. Eine dichte Kundenbeziehung in einer Welt des vernetzten Lesens wird ohne die Kombination von Laden und Webseite keine Chance haben.

Das werden Ketten gar nicht leisten können, dazu braucht es inhabergeführte Buchhandlungen, Persönlichkeit und Leidenschaft, lokale Verankerung als Kulturinstitution in einem Viertel oder einer Stadt. Auf diesen Buchhandel freue ich mich.

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Thomas Knip 6. Mai 2010 um 12:06

Ihr idealisiertes Zukunftsbild vom Buchhandel hat mit Sicherheit seinen Charme. Nur denke ich, dass Sie damit den Buchhandel genauso überschätzen wie der Buchhandel sich und seine Wirkung selbst überschätzt.

Ich bezeichne Buchhändler gerne despektierlich als "Buchverkäufer". Kein anderes Gewerbe maßt es sich an, den schlichten Verkauf und die eventuell vorangegangene Beratung als "Handel" zu bezeichnen. Das heißt "Fachverkäufer". Punktum.

Buchhändler (bleiben wir netterweise bei diesem Euphemismus) hätten dieser Rolle eines Modarators schon immer gerecht werden können, auch vor dem Internet.
Lesezirkel, Rundbriefe, Förderung regionaler Autoren, Fachabende zu speziellen Genres oder neue Verlagen – ist Ihnen so etwas tatsächlich in den vergangenen Jahrzehnten an Tugenden im Buchhandel begegnet? Mir nicht. Und das war alles schon offline möglich.

Warum sollte der Buchhandel also nun online etwas schaffen, was ihm in seiner Kernkompetenz – der lokalen Präsenz – effektiv nie gelungen ist?

Hören wir doch bitte auf, den Buchhandel so hochzustilisieren. Sobald ich wusste, wo die Bände des VLB liegen, habe ich meinen Lebtag in keiner Buchhandlung noch einen Verkäufer ("Händler" selbstverständlich, hach, das passiert so schnell …) bemüht.
Sondern nur gesagt, dass ich den und den Band gerne hätte.

Für eBooks brauche ich nun kein Ladengeschäft mehr. Und seit dem Kindle nicht einmal mehr einen PC.

Antworten

Matthias Ulmer 6. Mai 2010 um 13:39

Na ja.

Also den Namen Buchhändler hat sich ja niemand selbst gegeben. So heißt das halt seit Jahrhunderten. Im übrigen zieht sich diese "Anmaßung" durchaus auch durch weitere Branchen. Ich empfehle einen Besuch beim Zoohändler.

Sie haben natürlich recht, die Moderation einer lokalen Literatur-Community war auch früher schon möglich. Und es macht dem Berufsstand Ehre, dass das auch viele immer schon gemacht haben und machen. Das waren schon immer die geliebten und legendären Buchhändler.

Nicht alle Buchhändler können das. Aber auch nicht alle Kunden sind So wie Sie und brauchen das nicht. Wenn es um die Frage geht, welche Bedeutung hat das E-Book für den Buchhändler, dann meine ich weiterhin: keiner wird sich dem verweigern können. Und bei dem vermutlich anstehenden starken Ausdünnen der Buchhhandelslandschaft (ob Herrn Halfs 40% realistisch sind ist da schon sekundär, auch 20% sind ein Erdbeben), bei dieser Entwicklung haben in meinen Augen aus den eben genannten Gründen diese inhabergeführten Buchhandlungen die beste Überlebenschance.

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Steffen Meier 6. Mai 2010 um 14:47

@SusanneMartin Sie kennen mich und meine grundsätzlich positive Haltung zu Sortimentern. Für eine Diskussion ist es aber mE manchmal wichtig, eine "extreme" Position zu beziehen, um eine vernünftige Diskussion in Gang zu bekommen. Eine Lösung lässt sich hier und heute sicherlich nicht finden, aber die Diskussion muss hier und heute stattfinden.

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Steffen Meier 6. Mai 2010 um 14:50

Und manchmal hätte ich gern mehr Zeit für Postings, sonst hätte ich im letzten vermieden, dreimal in zwei Sätzen den Begriff "Diskussion" zu verwenden ;-) #keingutesdeutsch

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Steffen Meier 6. Mai 2010 um 18:51

Ein paar kluge Gedanken ("Buchhandel morgen – ein Blick in Gegenwart und Zukunft") von Detlef Bluhm finden sich übrigen auch hier: http://www.buchmarkt.de/content/42559-dokument.htm

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Ralph Möllers 7. Mai 2010 um 10:13

Sehr spannende Diskussion! Ein Stichwort, das ich für zentral halte, taucht indirekt immer wieder auf: community building. Das "Stationäre" des Buchhandels muss in der Welt der eBooks durch die Community ersetzt werden. Susanne Martin macht das mit der Schiller-Buchhandlung doch vor. Sie betreut eine (hoffentlich wachsende) lokale Community mit interessanten Angeboten im Netz (Rezensionen, Podcasts, lokale Veranstaltungshinweise …) und kann so sicherlich auch den Verkauf auf ihren Onlineshop lenken.
DAS ist meiner Meinung nach das Modell für den eBook-Verkauf: Community Lösungen, die es dem Händler erlauben eBooks seiner Community zu verkaufen. Dass das dann logistisch von einer digitalen Verlagsauslieferung abgewickelt wird, spielt eine untergeordnete Rolle.
Genau das ist auch der tiefere Sinn hinter unserem Tool "book2look", wir bieten genau deshalb jedem Händler seine eigenen "viralen Leseproben" damit er seine Gemeinde mit besseren Informationen über einzelne Bücher versorgen und die Bestellung zu seinem Onlineshop lenken bzw. direkt im "Biblet" abwickeln kann. EBook-Verkauf muss so denzentral werden wie es das gesamte Internet gerade wird. Das Buch muss in einer angemessenen Form zum Leser "schwimmen" und er entscheidet dann ob er bei der Schiller-Buchhandlung oder bei libri das Print- oder das eBook (am besten ohne DRM!) kauft. Die Diskussion über das Thema krankt meines Erachtens daran, dass man die gewohnten Strukturen über eine völlig neue Situation stülpen will. Das ist für mich auch der Webfehler (hübsches Wortspiel) von libreka. Auch wenn es jetzt Eigenwerbung ist: Die Zukunft liegt eher in Systemen wie book2look, die den Handel communitybasiert und dezentral verstehen.

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Tobias Schmid 10. Mai 2010 um 09:37

Das Engagement der Buchhändler für E-Books mit sozialem DRM ist ja keineswegs zwingend an den stationären Verkauf von E-Book-Inhalten gebunden. Vielmehr ist es so, dass wir Buchhändler wissen, dass wir ein Interesse am Erfolg des Produkts E-Book haben sollten, damit uns nicht dasselbe passiert, wie der Schallplattenindustrie – ganz unabhängig vom Vertriebsweg.

Wir müssen das Produkt also für unsere Kunden attraktiv machen. Es gibt viele Aspekte, die wir hier als Händler (oder meinetwegen auch Verkäufer) leisten können, aber da sind auch noch ein paar Punkte, die nur die Verlage tun können. Und dazu gehört die Frage, welche DRM-Verfahren eingesetzt werden. Erfolgreich werden E-Books nur sein, wenn unsere gemeinsamen Kunden zumindest gefühlt dieselben Nutzungsoptionen haben wie beim gedruckten Buch – besser mehr. Und solange Verlage auf hartes DRM setzen, haben sie das nicht. Fazit: wir, die wir wollen, dass das E-Book eine Erfolgsgeschichte wird, sollten uns für Geschäftsmodelle einsetzen, die auf dem Einsatz von weichen DRM-Verfahren basieren.

Und deshalb ist es auch keine schwarze Stunde für den SoA, wenn er sich dafür einsetzt, dass das Produkt E-Book auch verlagsseitig attraktiv gemacht wird, sondern seine ureigenste Pflicht als Branchenverband.

PS. & @Herr Ulmer: Vielleicht wird Libreka ja auch von mehr Buchhändlern offensiv eingesetzt, wenn sich dort mehr attraktive Produkte finden?

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Matthias Ulmer 11. Mai 2010 um 15:19

Klasse, jetzt gibts schon die nächste Ausrede: die Inhalte sind nicht attraktiv!

Herr Schmid: welcher E-Book Shop hat denn attraktivere Inhalte?

Wie heißt es bei Asterix: wahrscheinlich haben die Wildschweine was Falsches zu essen bekommen…

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