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eBook Piraterie: Der Dieb in meiner Facebook-Chronik

Für zahlreiche populäre Indie-Autoren und ihre Leser verliefen die Tage "zwischen den Jahren" alles andere als ruhig und beschaulich. Grund: Eine publik gewordene Facebook-Gruppe, in der Hunderte eBooks illegal "getauscht" wurden – und zwar von Lesern, die den Indie-Autoren teilweise persönlich bekannt sind. Ein Kommentar von Indie- (und Rowohlt-)Autorin Poppy J. Anderson, die die Facebook-Gruppe in den letzten Tagen in mehreren Postings outete und einordnete.

Die Indie-Autorin Poppy J. Anderson ist aktuell mit drei Romanen in den Top 10 der Kindle Charts vertreten (3, 4, 9). Zu Preisen zwischen 1,49 Euro und 2,99 Euro sind die eBooks deutlich günstiger als das Groß der Verlagstitel. Trotzdem musste auch Anderson in den vergangenen Tagen zahlreiche Romane von sich in einer Facebook-Gruppe entdecken, wo eBooks per Dropbox getauscht werden.  

Im Zeitalter des Internets sind illegale Plattformen, die Filme, Songs oder auch eBooks kostenlos anbieten, ebenso real wie die Möglichkeit, dass sich ein sechzigjähriger Mann auf einer Datingseite als zwanzigjährige Blondine namens Barbiegirl96 ausgibt und dort flirtwillige Männer aufs Glatteis führt. Während das Eine gegen unser moralisches Empfinden verstößt, stellt das Andere zusätzlich eine kriminelle Handlung dar.

Wer sich am geistigen Eigentum anderer Menschen vergreift, macht sich strafbar. Ob ich nun in eine Buchhandlung gehe, um dort ein achthundertseitiges Hardcover unter meinem Mantel verschwinden zu lassen, oder ganz gemütlich daheim im Pyjama vor meinem PC sitze, um eBooks von einer illegalen Plattform herunterzuladen, zu kopieren und für meine Freunde über Dropbox bereitzustellen, macht in den Augen des Urhebers keinen Unterschied.

Für Buchhändler, Verlage und Autoren ist der Diebstahl von Taschenbüchern ebenso ärgerlich, wie es die illegale Verbreitung von Raubkopien für Selfpublisher ist. Sicherlich muss ich nicht erklären, welche Arbeit, welche Kosten und welches Herzblut Autoren in ihre Werke stecken. Es ist verständlich, dass man für seine Arbeit entlohnt werden möchte. Sobald ich beim Bäcker ein Brötchen kaufe, muss ich dafür bezahlen. Sobald ich mir beim Friseur meines Vertrauens die Haare schneiden lasse, muss ich dafür bezahlen. Wieso sollte ich dann für das Buch, das ich lese, nicht bezahlen?

Die Antwort ist ebenso einfach wie erschreckend:

Warum 99 Cent für ein eBook bezahlen, das man ohne großen Aufwand auch umsonst haben kann?

Leider halten viele Menschen das Internet noch immer für einen anonymen Raum, in dem sie schalten und walten können, wie sie möchten, und die Tatsache, dass sie technisch dazu in der Lage sind, Manuskripte in virtuellen Speichermedien hochzuladen, scheint jede Überlegung, was richtig und was falsch ist, abhandenkommen zu lassen. Ohne den moralischen Zeigefinger erheben zu wollen, muss ganz platt gesagt werden, dass bereits kleine Kinder im Kindergarten lernen, dass man nicht stehlen darf.

Bestohlen von den eigenen "Fans"

Download-Links in der Facebook-Gruppe

Download-Links in der Facebook-Gruppe

Aber was macht den Fall, der vor einigen Tagen bekannt wurde, so besonders? Internetpiraterie ist schließlich ein alter Hut. Selbst Filmstudios und Plattenfirmen können ein Lied davon singen und mit Zahlen um sich werfen, die die Umsatzeinbußen durch die illegale Verbreitung ihrer Werke belegen.

Der kürzlich öffentlich gemachte Fall von Internetpiraterie ging nicht von anonymen Usern irgendwelcher Plattformen aus, sondern wurde durch treue Leserinnen ins Leben gerufen, die munter an Gewinnspielen der betroffenen Autorinnen teilnahmen, nach signierten Taschenbüchern für externe Verlosungen fragten und sich mit jenen Autorinnen sogar privat trafen, während sie sich gleichzeitig in kleinen Gruppen organisierten und dort unzählige eBooks tauschten.

Kostenlos natürlich.

In diesem Fall geht es daher weniger um materielle Aspekte wie Einkommensverluste, sondern eher um den Vertrauensbruch, den einige Autorinnen zu beklagen haben. Menschlich sind sie enttäuscht.

Insbesondere die Selfpublisher pflegen einen intensiven und freundschaftlichen Umgang mit ihren Lesern. Dies geschieht über soziale Netzwerke wie Facebook. Durch diesen engen Kontakt bietet man einigen Lesern Vorabexemplare an oder lässt sie testlesen, schließlich können sie am besten bewerten, ob man seinem Stil auch im neuesten Werk treu geblieben ist. Die Tatsache, dass solche engen Kontakte dazu genutzt wurden, noch nicht veröffentlichte Manuskripte in geheimen Gruppen zu verbreiten, hat den kleinen Kosmos der Selfpublisher zutiefst erschüttert.

Meiner Meinung nach sind es zwei verschiedene Paar Schuhe, ob ich von einem Fremden oder von einem Freund bestohlen werde.

Als Reaktion auf diesen Vorfall, der in den sozialen Netzwerken sehr hohe Wellen schlug, wurde das Thema in diversen öffentlichen Gruppen diskutiert – stets mit dem Hashtag #EBookKlau versehen. Die Mehrheit der Leserinnen und Leser kann nicht nachvollziehen, dass eBooks vervielfältigt und mehr oder weniger unter der Hand herumgereicht werden.

Hemmschwelle wird immer geringer

Dennoch gibt es auch weiterhin Personen, die tatsächlich die Chuzpe besitzen, öffentlich damit zu prahlen, dass sie kopierte eBooks lesen, weil sie es nicht einsehen, für eBooks Geld zu bezahlen. Sätze wie „eBooks sind nur getippte Worte“, „warum soll ich für eBooks bezahlen, das sind keine richtigen Bücher“, „diese Copyrightfetischisten sollten sich einen vernünftigen Job suchen“ oder „ich finde eBooks zu teuer, um sie mir zu kaufen. Macht sie doch billiger, wenn ihr nicht wollt, dass sie kopiert werden“ befanden sich in diversen Foren.

Anscheinend wird die Hemmschwelle immer geringer, was den Diebstahl des geschriebenen Wortes betrifft. Der Wert eines Buches sollte nicht nach dem Medium bemessen werden, auf dem es gelesen wird, sondern nach dem Inhalt. Ob ich einen Roman in einem Taschenbuch oder auf einem eBook Reader lese, sollte irrelevant sein. Der Inhalt ist der gleiche – genauso wie die Arbeit die gleiche ist, die der Autor in dieses Buch hineinsteckt. Was kann ich mit einem Taschenbuch ohne getippte Worte anfangen? Auch ein leerer Reader bringt mir nichts.

Das Internet vergisst nicht

Ob ich nun ein Buch in der Buchhandlung unter meinen Mantel stecke oder mir irgendwo die Kopie eines eBooks besorge, ist egal. Es sollte doch völlig selbstverständlich sein, dass man nicht stiehlt. Zudem ist es kein haltloses Gerücht, dass das Internet nicht vergisst. Razzien in jüngster Vergangenheit, die nicht nur die Betreiber illegaler Plattformen betrafen, sondern auch stinknormale User ins Visier nahmen, belegen das.

Was mich allerdings den Kopf schütteln lässt, ist der Verweis auf den Preis von eBooks. 99 Cent sind zu teuer für ein Buch?

Dem ist nichts hinzuzufügen.

B_000006Über die Autorin: Poppy J. Anderson ist das Pseudonym einer deutschen Autorin, die seit Ende 2012 als Selfpublisherin Romane veröffentlicht, welche mittlerweile auch über Rowohlt verlegt werden. Die meisten ihrer Bücher schafften es auf Platz 1 der Bestsellerliste und haben sich über 800.000 Mal verkauft.

<Bildnachweis: Thief von Shutterstock>

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