eBooks hinter Gittern: Fortschritt verkleinert Angebot
Lesen gehört für die Insassen deutscher Justizvollzugsanstalten zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen. eBook Reader mit viel Platz für ein breites Angebot sind eigentlich prädestiniert für diesen Ort. In den letzten Jahren gibt es aber immer weniger "kompatible" Geräte.
Wer hat es nicht schon mal in einem besonders alten oder besonders schlechten Film gesehen? Da bekommt ein Gefängnisinsasse ein Buch in die Hand gedrückt und was verbirgt sich in einem Hohlraum zwischen den Seiten: Die zum Ausbruch verhelfende Feile! Genau aus diesem Grund war es in den USA Angehörigen von Gefangenen per Gerichtsurteil verboten worden, Bücher an ihre Liebsten hinter Gittern zu schicken. Ein erneuter Richtspruch hebt dieses Urteil nun aber wieder auf. Doch wie sieht es eigentlich mit elektronischen Büchern in deutschen Gefängnissen aus?
80 Prozent der Gefangene leihen Bücher
Die literarische Erlebniswelt übt auf Gefangene, denen die realweltliche Freiheit entzogen entzogen wurde, einen ganz besonderen Reiz aus. Daher ist es auch kein Wunder, wenn beispielsweise die Gefangenebücherei JVA Münster — immerhin im Jahre 2007 als Bibliothek des Jahres ausgezeichnet — von 80 Prozent der Gefangene auch aktiv genutzt wird.
eBook Reader wären prädestinierte Gefängnis-Lesegeräte
Bedarf an Büchern ist also mehr als vorhanden und neben dem gedruckten Buch böte sich der eBook Reader als Lesegerät mit seiner fast unerschöpflichen Menge an Speicher für eBooks für die beengten Verhältnisse in einer Gefängniszelle geradezu an. Tatsächlich gibt es für Gefangene in Deutschland sogar ein ausdrückliches Recht aufs Buch, dieses ist in §70 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) gesichert und erlaubt ausdrücklich den Besitz von Büchern für die Freizeitbeschäftigung. Aber — und hier kommt der Haken an der ganzen Sache — sollte durch die Gewährung des Besitzes von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet werden, könne diese Erlaubnis widerrufen werden.
Zur Ausübung von Straftaten geeignet
Das ein eBook Reader die Sicherheit oder Ordnung einer Gefängnisanstalt gefährdet ist ziemlich unwahrscheinlich, immerhin lässt sich mit den ebenfalls erlaubten TV- und Radiogeräten wohl mehr Unfug anstellen als mit beispielsweise einem Kindle. Allerdings kann man durch einen eBook Reader durchaus das Ziel der Inhaftierung gefährdet sehen. Nicht etwa durch die Lektüre von eBooks selbst wie auf den ersten Blick vermutet werden könnte, sondern aus dem selben Grund, aus dem auch Mobiltelefone und private Computer für Gefangene verboten sind.
Denn in § 2 des StVollG heißt es, dass der Vollzug zum Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten diene. Und genau wie Mobiltelefone kommen alle aktuell handelsüblichen eBook Reader mit einem natürlichen Sendungsbewusstsein auf den Markt, sprich mit WLAN und/oder 3G, die eben diese Straftaten möglich machen können. Eigentliche dient die Funkverbindung zwar nur zum Befüllen des eBook Readers mit neuem Lesefutter oder der Nutzung von Social-Reading-Funktionen, könnten aber auch zur Planung von Straftaten außerhalb der Knastmauern missbraucht werden. Denkbar wäre es beispielsweise, in einer über direkt über den eBook Reader abgegeben Bewertung eines gelesenen Titel versteckte Botschaften zu hinterlassen.
Auftragsmord per Online-Rezension
Hier sind der kriminellen Fantasie eigentlich keine Grenzen gesetzt. Denkbar wäre Grüße an die Großmutter zu ihrem Geburtstag oder Liebesschwüre an Geliebte. Es geht aber auch weniger harmlos. Wo ließe sich zum Beispiel der Mordauftrag an einer ungeliebten Person besser verstecken als in der Rezension eines Buches? Ausführen ließe sich dieser Mord dann zwar nur von einer anderen Person in Freiheit, maßgeblich ist aber, dass dies auf Anweisung des Inhaftierten geschieht und dieser somit die Allgemeinheit gefährdet.
Kein Funkmodul, kein Problem
Bücher sind im Gefängnis zwar eine gern und häufig genutzte Freizeitbeschäftigung und machen den trüben Alltag dort sicher ein bisschen erträglicher, wer aber auf elektronische Bücher zurückgreifen und auf Nummer sicher gehen will, braucht ein Gerät ohne WLAN- und 3G-Fähigkeiten. Und die sind inzwischen im Wesentlichen nur noch gebraucht erhältlich. Dann immerhin gibt es keine Probleme und durchaus praktische Vorzüge: Strafverteidiger Udo Vetter berichtete davon, eine dicke Strafakte per funklosem eBook Reader (gab es anno 2012 noch bei Thalia) an seinen hinter Gittern befindlichen Mandanten gebracht zu haben.
<Bildnachweis: Jail von Shutterstock>
Kommentare
NEWS! – 80% der Insassen leihen Bücher | OnleiheVerbundHessen 14. Februar 2015 um 17:07
[…] Nun haben auch elektronische Bücher Einzug gehalten hinter den “schwedischen Gardinen” – was nicht nur Vorteile mit sich bringt! Nun ist es theoretisch möglich, Buchkritiken zu verfassen und damit geheime Botschaften an in Freiheit lebende Komplizen zu senden. Den kompletten Artikel zu eBooks hinter Gittern lesen Sie auf lesen.net! […]