Ein Jahr Weltbild-Pleite: Hoffnungsträger Tolino
Am Samstag vor einem Jahr ging die Verlagsgruppe Weltbild in die Insolvenz. Zwölf Monate später ist die Buchhandelskette zwar immer noch existent, aber deutlich geschrumpft und tief zerstritten. Einer der wenigen Hoffnungsträger ist das Digital-Geschäft.
Zum Jahrestag der Weltbild-Pleite zogen sowohl die Süddeutsche Zeitung als auch der Verdi-Betriebsrat von Weltbild Bilanz. Demnach seien von den einstmals 2.200 Mitarbeitern am Stammsitz in Augsburg noch 950 übrig, in den Filialen wurden rund 300 Stellen gestrichen. Die Stimmung im Konzern wird von einem Verdi-Mann als katastrophal beschrieben.
Radikal-Sanierung auf Kosten des Umsatzes
Der anfänglich als Retter gefeierte neue Eigentümer Droege habe sich als Radikal-Sanierer entpuppt, der knallhart auf die Kostenbremse tritt und infolge der daraus resultierenden Umsatzrückgänge weiteren Personalabbau fordert. Zuletzt gab es im Weihnachtsgeschäft leere Regale, weil zu wenig Ware in die Geschäfte geliefert wurde. Ein geplanter Werbespot sei kurzfristig eingestampft und die Produktion des umsatzträchtigen Weltbild-Kataloges heruntergefahren worden.
Auch Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz, der stellvertretend für die Gläubiger 40 Prozent der Unternehmensanteile hält, soll nach Informationen der Süddeutschen Zeitung "sehr unzufrieden" mit der Droege-Politik sein, insbesondere im Bezug auf den Umgang mit der Belegschaft. Von Walter Droege selbst bekam die Süddeutsche keine Stellungnahme, dafür aber immerhin von einem der beiden verbliebenen Weltbild-Geschäftsführer (nachdem Gerd Robertz im November seinen Hut nahm).
Weltbild-Chef Siko Böhm hob hervor, "Tolino ist es im dritten Quartal 2014 gelungen, Amazon beim eBook-Verkauf zu überholen". Die Tolino-Hardware (Vision 2, Tab 8, Shine)verkaufe sich besser denn je.
Frage nach Daseinsberechtigung
Gegenwärtig beschäftigt Weltbild laut Verdi noch rund 2.000 Menschen, davon rund 1.000 in den verbliebenen Filialen. Insbesondere hier wird es in den nächsten Monaten, sollte sich am grundsätzlichen Kurs nicht noch etwas ändern, wohl weitere massive Einschnitte geben. Droege scheint Weltbild zu einem Amazon-Rivalen mit allenfalls peripherem Offline-Geschäft umbauen zu wollen. Die Konkurrenzfähigkeit des Augsburger Unternehmen als überwiegender oder sogar reiner Online-Händler ist gleichwohl fragwürdig. Den Kommentaren im Weltbild-Verdi-Blog nach haben viele Mitarbeiter längst resigniert, verrichten "Dienst nach Vorschrift" und hoffen auf eine möglichst lange Fortzahlung ihrer Gehälter.
Kommentare
Weltbild halbiert Filialnetz » lesen.net 13. Februar 2015 um 12:29
[…] schlanken Strukturen. Ob es dafür einen Bedarf gibt, steht aber noch in den Sternen. Und die sich fortsetzende Radikal-Sanierung wird der bislang schon sehr überschaubaren internen Stimmung kaum zuträglich […]
Neues Weltbild.de: “Kaufen bei Amazon.de” » lesen.net 16. März 2015 um 12:56
[…] bislang zumindest in der Außendarstellung nicht wesentlich erfolgreicher als das “Insolvenzjahr” 2014. Der Verkauf der Hälfte der verbliebenen Filialen an einen branchenfernen […]