Ein Roman, 24 Autoren: Making-of [Kolumne]
Können 24 der erfolgreichsten deutschen Indie-Autoren einen gemeinsamen Roman erschaffen, ohne sich in endlosen Diskussionen zu Form und Inhalt zu verlieren – und ist der unter dem Strich stehende wilde Genre-Mix tatsächlich lesenswert? In ihrer neuen Kolumne gewährt Poppy J. Anderson einen Blick hinter die Kulissen des ehrgeizigen Projektes.
Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich zusammen mit 23 anderen Autorinnen und Autoren ein Buch schreiben würde, hätte ich denjenigen für verrückt gehalten. Ich hatte bis dahin nämlich zwei ganz entscheidende Erfahrungen gemacht, was die Arbeit in Gruppen und die Arbeit an Romanen anging.
Viele Bedenken
Erstens endeten die meisten Gruppenarbeiten während des Studiums in einem absoluten Chaos, nachdem man von seinem Dozenten dazu verdonnert wurde, mit fremden Studenten an einem Thema zu arbeiten und dies auch noch präsentieren zu müssen. Zwist, Ärger und Frustration waren an der Tagesordnung, weil es immer einen Beteiligten gab, der seine Aufgabe nicht erledigte, viel zu spät abgab oder zur entscheidenden Präsentation fehlte, sodass man improvisieren musste – zur Belustigung des Plenums.
Zweitens sind Autoren absolute Mimosen, was ihre Bücher angeht (da bin ich selbst keine Ausnahme). Wir behandeln unsere Bücher wie Babys, verteidigen sie bis aufs Blut und reagieren empfindlich, wenn jemand sie nicht genauso großartig findet wie man selbst. Als Autor hat man eine ganz bestimmte Vorstellung, wie das eigene Buch sein soll, wie es bei den Lesern ankommen soll und was es ausdrücken soll.
In anderen Worten: 24 Autoren, 24 Meinungen und ein Chaos.
Doch dem war überhaupt nicht so.
Herausforderung und Reiz zugleich
Von geringfügigen Coverdiskussionen abgesehen herrschte eine geradezu abartig gute sowie harmonische Stimmung. Anfangs waren wir uns lediglich einig, in welche Richtung der Roman gehen sollte und dass jeder Autor seinem Genre treu bleiben sollte. Niemand musste sich verstellen oder über etwas schreiben, bei dem er sich nicht wohl fühlen würde. Eben diese Idee, einen zusammenhängenden Roman aus Bereichen wie Krimi, Science Fiction, Thriller und Liebesroman zu schreiben, stellte sowohl eine Herausforderung als auch den Reiz an der Sache dar. Jeder Autor sollte sich in dem Buch wiederfinden und ihm seinen Stempel aufdrücken – wie auch die anderen 23 Autoren.
Das Geheimnis war vermutlich die perfekte Organisation, die niemand Geringeres als Michael Meisheit übernahm, der zusammen mit Elke Bergsma und Béla Bolten den Plot entwarf, an dem sich der Rest orientieren konnte. Auf diese Weise waren unendliche Diskussionen sowie Änderungen an der Handlung von vornherein ausgeschlossen. Jede Autorin und jeder Autor lieferte brav sein Kapitel ab, untereinander wurden die Texte hin- und hergeschickt, um Figuren aus den Romanen der anderen Autoren im eigenen Text unterzubringen. Znd bevor wir es uns versahen, gab es ein fertiges Manuskript, das "nur noch" lektoriert und korrigiert werden musste. Von der nicht enden wollenden Aufgabe, das Buch zu vermarkten und zu platzieren, einmal abgesehen.
Mehr Spaß im Team
Tatsächlich machte das Schreiben die größte Freude, weil man nicht alleine war. Normalerweise tüftelt man als Autor alleine an seinem Roman herum und ist während der Schreibphase auf sich selbst gestellt. Hier war es zur Abwechslung anders. Manchmal kam sogar ein bisschen Klassenfahrtstimmung auf, weil so ungefähr jede zweite Debatte abdriftete und entweder bei einem eindeutig nicht-jugendfreien Thema oder bei Fragen rund um die Abendgestaltung während der Messe endete.
Neben dem strukturierten Arbeiten war es eine erfreuliche Ablenkung, das Projekt nicht verbissen angehen zu müssen, sondern in erster Linie Spaß mit befreundeten Kolleginnen und Kollegen zu haben und gleichzeitig an einem Roman zu schreiben, in dem ein bisschen Herzblut von uns allen steckt.
Streitpunkt Cover
Natürlich kann ich nicht verhehlen, dass wir insbesondere über das Thema Cover bis zum jüngsten Gericht hätten diskutieren können, schließlich ist das Äußere eines Buches dessen Aushängeschild. Doch erfreulicherweise gab es auch hier weder Zickereien noch den Versuch, die anderen durch den PC zu ermorden.
Viele Köche, trotzdem genießbarer Brei
Auch wenn ein Sprichwort sagt, dass viele Köche den Brei verderben, muss daran nichts Wahres sein. Vor allem dann nicht, wenn 24 Autorinnen und Autoren an einem Gemeinschaftsprojekt arbeiten und zu der Erkenntnis kommen, dass man sich selbst einfach nicht zu wichtig nehmen darf.
Beteiligt an diesem Projekt waren:
Elke Bergsma, Béla Bolten, David Gray, Marcus Hünnebeck, Hannah Kaiser, Siegfried Langer, Karola Löwenstein, Nika Lubitsch, Vanessa Mansini, Matthias Matting, Jule Meeringa, Michael Meisheit, Hanni Münzer, Petra Röder, B.C. Schiller, Klaus Seibel, Catherine Shepherd, Hannah Siebern, Babsy Tom, Daphne Unruh, Mike Wächter, Kirsten Wendt, Ella Wünsche und Poppy J. Anderson.
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Über die Autorin: Poppy J. Anderson (Homepage, Wikipedia, Amazon) ist das Pseudonym einer deutschen Autorin, die seit Ende 2012 als Selfpublisherin Romane veröffentlicht, welche mittlerweile auch über Rowohlt verlegt werden. Die meisten ihrer Bücher schafften es auf Platz 1 der Bestsellerliste und haben sich insgesamt über 800.000 Mal verkauft. Alle Kolumnen von Poppy J. Anderson auf lesen.net.
<Bildnachweis: Mimosen von Shutterstock>
Kommentare
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