Nach der Messe ist vor der Messe [Kolumne]
Was für eine Daseinsberechtigung haben riesige Messen im heutigen Online-Zeitalter noch? Indie-Autorin Poppy J. Anderson zieht in ihrer Kolumne eine positive Bilanz zu ihrem Leipzig-Besuch – der reale Kontakt zu Autoren und Lesern sei eine ganz besondere Erfahrung und auch durch soziale Netzwerke nicht zu ersetzen.
Sepp Herberger mag es mir nachsehen, dass ich sein Zitat ein wenig umgewandelt habe, aber es passt wie die Faust aufs Auge. Kaum ist die Leipziger Buchmesse vorbei (nebenbei bemerkt der Grund, aus dem die Kolumne in der letzten Woche ausfallen musste), beginnt auch schon die Planung für die Frankfurter Buchmesse. In meinem Fall kommt noch die LoveLetter Convention im Mai hinzu.
Abwechslung, Leser- und Autoren-Kontakt
Alle diese Termine sind enorm wichtig. Was jedoch noch entscheidender ist, ist die Tatsache, dass sie extrem viel Spaß machen und den Organisationsstress im Vorfeld aufwiegen. Außerdem stellen sie eine dankenswerte Ablenkung vom typischen Autorenalltag dar. Anstatt in Jogginghose am Schreibtisch zu sitzen, bekommt man die Gelegenheit zur realen Interaktionen – fernab von der virtuellen Welt. Man lernt seine Leser kennen, muss sich nicht auf Facebook-Nachrichten beschränken und kann ihnen zudem außergewöhnliche Aktionen bieten – angefangen bei Signierstunden mit einem Maskottchen und einem Cheerleader bis hin zu einem Frühstück mit Football-Cupcakes. Der persönliche Kontakt zu den Lesern ist ein großartiges Erlebnis.
Ein nicht weniger großartiges Erlebnis ist das Zusammentreffen mit Kolleginnen und Kollegen, mit denen man ansonsten ebenfalls nur virtuell Kontakt hat. Neben Autoren, die man bislang nicht persönlich kannte und mit denen man nun unverfänglich über dies und das plaudern kann, trifft man auf die Kollegen, die einem durch die vorherigen Messen sowie durch gemeinsame Projekte bereits sehr ans Herz gewachsen sind. Insbesondere der gemeinsame Stand, an dem ich mit den sogenannten „Lieblingsautoren“ teilhaben durfte, machte die Leipziger Buchmesse 2015 zu einem regelrechten Happening mit Klassenfahrtsgefühl.
Gemeinsamer Stand war Gold wert
Im Gegensatz zu den anderen Messen, auf denen man eher als Gast unterwegs war oder inoffizielle Meet & Greets veranstaltete, gab es in diesem Jahr durch den Stand eine Anlaufstelle, die nicht nur bei Lesern, sondern auch bei Branchenangehörigen äußerst beliebt war. Vertreter aller großen Plattformen schauten vorbei, interessierten sich für das Konzept dieses Gemeinschaftsprojektes und luden zu weiteren Gesprächen ein. Der gemeinsame Messeauftrifft durch einen eigenen Stand wirkte wie das i-Tüpfelchen der Self-Publisher-Professionalisierung. Und irgendwie gewann man den Eindruck, von der Branche ernstgenommen zu werden.
Überspitzt gesprochen: Die Bedeutung des Self Publishings scheint in der Buchbranche angekommen zu sein. Nun ja … der Weg ist das Ziel.
Vor der Messe ist nach der Messe.
Hier noch ein paar Gedanken, die ich mir zur Leipziger Buchmesse gemacht habe, bevor es an die Planung der nächsten Buchmesse geht:
- man sollte niemals die Bestechung des Parkplatzbeauftragten mit diversen Give-aways unterschätzen (insbesondere dann nicht, wenn man fast zu spät zur eigenen Lesung kommt).
- hohe Schuhe haben auf dem Messegelände nichts zu suchen, und beim abendlichen Gang zur Hotelbar sollte man sie auch nur dann anziehen, wenn man sicher ist, nicht in Gegenwart mehrerer Verlagsangehöriger auf die Nase zu fallen.
- trifft man in der Hotellobby auf Denis Scheck, Hellmuth Karasek oder Avi Primor, sollte man sich gemäßigter zeigen und nicht laut lachend mit einer Autorenfreundin zum Aufzug wanken.
- man sollte viel öfter laut lachend mit einer Autorenfreundin zum Aufzug wanken, weil die Messe viel zu schnell vorbei ist
Über die Autorin: Poppy J. Anderson (Homepage, Wikipedia, Amazon) ist das Pseudonym einer deutschen Autorin, die seit Ende 2012 als Selfpublisherin Romane veröffentlicht, welche mittlerweile auch über Rowohlt verlegt werden. Die meisten ihrer Bücher schafften es auf Platz 1 der Bestsellerliste und haben sich insgesamt über eine Million Mal verkauft. Alle Kolumnen von Poppy J. Anderson auf lesen.net.
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