Pseudonyme: Die große Freiheit [Kolumne]
Nicht nur zahlreiche Bestseller-Autoren schreiben unter falschem Namen, auch bei verlagsunabhängigen Autoren erfreuen sich Pseudonyme einer großen (und stetig wachsenden) Beliebtheit. Poppy J. Anderson begründet in ihre neuen Kolumne, warum sie nicht unter ihrem Klarnamen publiziert, und beleuchtet Vorzüge und Nachteile eines Fantasie-Namen.
Mittlerweile schreiben sehr viele Selfpublisher unter einem Pseudonym – so jedenfalls mein subjektiver Eindruck. Natürlich verrate ich kein Geheimnis, wenn ich lüfte, dass auch Poppy J. Anderson nicht mein Taufname ist. Hinter der Erfindung dieses Pseudonyms steckte nicht der Wunsch nach Anonymität oder gar das Beschämen darüber, rosarote Unterhaltungsromane zu schreiben, sondern die Überlegung, einen angemessenen Namen zu benutzen, der den Leserinnen sogleich vermittelte, was sie bei der Buchlektüre erwarten konnten.
Namen geben Orientierung
Ein englisch klingender Name passte einfach besser zu Geschichten, die in den USA spielten – er gab dem Ganzen einen glaubwürdigeren Anstrich. Es mag ignorant und oberflächlich klingen, doch würde man vermuten, von einem Italiener eine schmackhaftere Pizza zu bekommen als von einem Engländer. So ähnlich dachte ich auch über die Institution Pseudonym nach. Jemand namens Poppy J. Anderson erschien mir geeigneter zu sein, über American Football und New York zu schreiben als beispielsweise Elfriede Müller.
Damit will ich nicht behaupten, dass Pseudonyme Mogelpackungen sind, schließlich verschönern selbst diverse Schauspieler ihre Namen, um besser in die Welt Hollywoods zu passen. Außerdem kann auch jemand wie Elfriede Müller einen realitätsnahen und glaubwürdigen Roman über amerikanische Footballspieler und die Großstadt New York schreiben – hier geht es lediglich um die Außenwirkung. Ganz ähnlich wie bei einem Cover.
Dein Name – dein Markenzeichen
Sogar Joanne K. Rowling war am Anfang ihrer Karriere aufgefordert worden, als JK Rowling zu schreiben, damit niemand erfuhr, dass hinter Harry Potter eine Frau steckte. Damals galt die landläufige Meinung, dass Fantasy-Romane aus weiblichen Federn nicht verkauft würden. Man machte aus einem Frauennamen eine Initiale, um den Absatz der Bücher zu erhöhen. Außenwirkung par excellence!
Doch Pseudonyme haben noch einen weiteren, ganz entscheidenden Vorteil: Im Literaturbetrieb bieten sie die wunderbare Möglichkeit, die eigenen geheimsten Gedanken in Geschichten zu packen und diese der Öffentlichkeit zu präsentieren, ohne Gefahr zu laufen, dass der Arbeitskollege oder Nachbar spitz bekommen muss, wer dahinter steckt. Man kann sich als Autor ausprobieren, sich so ausdrücken, wie man will, und muss nicht ständig über jedes Wort nachdenken, weil man befürchtet, dass ein Verwandter es auf die Goldwaage legen könnte.
Freiraum für Experimente
Es bietet sich sogar die Möglichkeit an, mehrere Pseudonyme zu benutzen, wenn man unterschiedliche Genres bedienen will. Hat man sich beispielsweise einen Leserstamm als Krimiautor aufgebaut und liebäugelt nun mit einem Fantasy-Roman, kann man über ein zweites Pseudonym nachdenken. Hier liegt der Vorteil darin, seinen Leserstamm nicht zu verprellen, wenn dieser anstatt eines erwarteten Krimis plötzlich Fantasy lesen soll, und gleichzeitig in der Möglichkeit, neue Leser zu erreichen, die mit einem Krimiautoren nichts anfangen konnten.
Vor allem Anhänger ernsthafter Literatur könnten sich empört zeigen, wenn sich ihr Lieblingsautor plötzlich in ein weniger anerkanntes Genre wagte. Die negative Folge wäre in einem solchen Fall, dass sich diese Stammleser aus lauter Enttäuschung von ihm abwenden könnten. Um nicht zu polarisieren und einen solchen Verlust zu riskieren, kann sich der Autor unbeobachtet und problemlos in fremde Gefilde wagen, indem er ein weiteres Pseudonym erfindet.
Neuer Name bedeutet Neuanfang
Der Nachteil liegt natürlich auf der Hand. Mit einem zweiten Autorennamen muss man sozusagen ganz von vorne anfangen, selbst wenn man sich für ein offenes Pseudonym entscheidet und seine Leser wissen lässt, dass man nun unter einem weiteren Namen veröffentlicht. D
Der Name, den man sich gegebenenfalls bereits erarbeitet hat, kann zwar hilfreich sein, muss es jedoch nicht. Man darf als Autor nicht erwarten, dass alle Pseudonyme gleich erfolgreich sind, schließlich besitzen die unterschiedlichen Genres jeweils eine völlig andere Dynamik.
Über die Autorin: Poppy J. Anderson (Homepage, Wikipedia, Amazon) ist das Pseudonym einer deutschen Autorin, die seit Ende 2012 als Selfpublisherin Romane veröffentlicht, welche mittlerweile auch über Rowohlt verlegt werden. Die meisten ihrer Bücher schafften es auf Platz 1 der Bestsellerliste und haben sich über 800.000 Mal verkauft.
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Kommentare
Autorenpseudonyme als Marketinginstrument – oder: Vom Mittel und Zweck, sich einen Namen zu machen | spubbles 2.0 22. November 2016 um 11:03
[…] Ähnlich wie im Fall des „sprechenden“ Pseudonyms, das sich am Genre orientiert, kann aber auch der Handlungsort der Geschichte ausschlaggebend sein: So ist die deutsche Selfpublisherin Carolin Bendel seit Jahren mit in den USA angesiedelten Liebesromanen erfolgreich – unter dem Namen Poppy J. Anderson: […]