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Publishing morgen: Leser machen Bücher [Books in Browsers IV]

Die nächste Publishing-Revolution geht von den Lesern aus; darin waren sich viele Vortragenden und Teilnehmer der in San Francisco ausgerichteten Publishing-Konferenz Books in Browsers (BiB) einig. Der Leser ist künftig nicht mehr nur eine mehr oder weniger definierte Zielgruppe, sondern auch Inspirationspunkt, direkter Finanzier und Teil der Feedbackschleife. Verlage seien dem gegenüber nur noch "optional" von Nöten.

In den Räumlichkeiten des Internet Archive mitten in San Francisco fanden sich am vergangenen Donnerstag und Freitag knapp 200 Branchenteilnehmer ein, um Erzählformen und Erlösmodelle im Internetzeitalter zu diskutieren. Angereist war eine bunte Mischung von Studenten aus den umliegenden Silicon-Valley-Universitäten über Gründer bis hin zu Top-Managern von Amazon und Adobe. Gegenüber deutschen Konferenzen waren die Teilnehmer ausgesprochen technikaffin: Als der vortragende Bookgenie451-Technikchef Jason Merkoski rundfragte, wer an der gemeinsamen Besprechung von JavaScript-Code interessiert sei, gingen zahlreiche Hände nach oben.

Blackbox Leserschaft

Jason Merkoski (Bookgenie451)

Jason Merkoski (Bookgenie451)

Merkoski, Amazon-Mann der ersten Stunde und nicht zuletzt über sein Buch Burning the Page bekannt, will mit seinem Startup Bookgenie451 Einblicke in die "Blackbox Buchleser" gewinnen. Möglich macht das unter anderem die Einbettung von selbststartenden, versteckt eingebauten Videos in epub3-Dateien. Dabei ist das Unternehmen allerdings abhängig von den Shopbetreibern – während das Tracking etwa bei Kobo problemlos plattformweit funktioniert, ist bei Amazon-Apps und Lesegeräten wie dem Kindle Paperwhite kein Erkenntnisgewinn möglich.

Für Merkoski ist es zentral, mehr über den Leser und seine Intentionen zu erfahren: Wer sind sie, wie und warum finden und lesen sie das Buch, wie zufrieden sind sie, empfehlen sie es anderen und so weiter. Damit schlägt er in die gleiche Kerbe wie Peter Armstrong, dessen Startup LeanPub einen noch direkteren Weg zu deren Beantwortung wählt. LeanPub erlaubt die Veröffentlichung von bewusst unfertigen Titeln, die mittels Leserfeedback laufend aktualisiert und optimiert werden sollen. Armstrong führte bei seinem BiB-Vortrag Charles Dickens (mit seinen in Zeitungen publizierten Fortsetzungsgeschichten) und E.L. James (deren Shades-of-Grey-Reihe ursprünglich als Fan Fiction erschien und mittels Leserrückmeldungen weiterentwickelt wurde) als Beispiele dafür auf, wie bedeutsam Leser schon in der Vergangenheit für die Entwicklung bekannter Stoffe waren. Technologiebedingt seien Einflussmöglichkeiten der Leserschaft heute so groß wie nie.

Ohne zahlende Leser geht es nicht

Leser können nicht nur die Entwicklung von Stoffen bestimmen, sondern auch die Realisierung ansich. Der auch schon nach Deutschland geschwappte Trend Crowdfunding für Bücher  wird schon seit 2011 durch den britischen Verlag Unbound vorangetrieben, dessen Vertreter Baldur Bjarnason sich für mehr Kollaboration im Entstehungsprozess aussprach. Das gelte zum einen hinsichtlich von Feedbackschleifen zum Leser, zum anderen aber auch in der Beziehung zwischen Autor und technischen Partnern. "Der Programmierer ist dein Co-Autor" brachte Bjarnason die Notwendigkeit auf den Punkt, interaktive oder angereicherte Bücher von Beginn an ganzheitlich zu denken.

Ein entscheidender Teil der Wertschöpfungskette hat sich jedoch nicht geändert: Der Leser entscheidet immer noch mit dem Geldbeutel, was für Bücher er haben möchte – und in welchem Rahmen. Das musste auch das hochgelobte spanische eBook-Flatrate-Angebot 24Symbols erfahren, das unter anderem dem hiesigen Anbieter Skoobe als Blaupause diente. 24Symbols ging nach den Worten von Gründer Justo Hidalgo das Geld aus, das Startup stand kurz vor der Insolvenz. Erst Partnerschaften mit Mobilfunkunternehmen und eine damit einhergehende Umstrukturierung des Zahlungsmodells – von Freemium zu Buchclub – sicherten das Überleben. 24Symbols will in den nächsten Monaten übrigens in weitere Märkte expandieren – ob Deutschland darunter ist, verriet Hidalgo nicht.

Die Books in Browsers IV wurde unter anderem in Kooperation mit der Frankfurter Buchmesse ausgerichtet. Aufzeichnungen sämtlicher Vorträge der zweitägigen Konferenz finden sich hier.

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Kommentare


Publishing morgen: Leser machen Bücher [Books in Browsers IV] | Blog der Frankfurter Buchmesse 28. Oktober 2013 um 15:05

[…] Zuerst publiziert bei lesen.net […]

Antworten

“Unknackbares” Adobe DRM vor der Tür » Debatte » lesen.net 31. Oktober 2013 um 17:35

[…] erfuhren wir am Rande der Publishing-Konferenz Books in Browsers vergangene Woche in San Francisco (Konferenzbericht). Adobe verteilt die neue Version bereits zu Testzwecken an Dienstleister, möglicherweise erfolgt […]

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