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Schreibende Vorbilder [Kolumne]

Mit ihrem aktuellen Roman Nur ein Kuss führt Indie-Autorin Poppy J. Anderson seit inzwischen zwei Wochen am Stück (!) die deutschen Kindle Charts an. Eigentlich kein Grund zur Scheu. Trotzdem bekommt auch Anderson weiche Knie, wenn sie auf schreibende Idole ihrer Kindheit trifft. Eine Kolumne über Inspiration und Vorbilder.

Alltägliches Schreiben im Pyjama

Normalerweise ist der Alltag eines Autors auf den Schreibtisch beschränkt. Vermutlich habe ich bereits darüber geschrieben, dass Autoren – zumindest ist es in meinem Fall so – einen Großteil ihres Tages im Pyjama daheim herumlungern und mit zerzausten Haaren auf den Bildschirm ihres Computers starren. Insbesondere der saloppe Kleidungsstil sowie die nächtlichen Arbeitszeiten haben meinen Postboten bereits zu den wildesten Spekulationen verleitet.

Einmal traf er mich um zehn Uhr morgens in einem mit dem Comichund Snoopy bedruckten Pyjama an, während ich herzhaft gähnte und mir meine mit Mascara verschmierten Augen rieb – es war kurz vor einer Deadline gewesen, weshalb ich bis vier Uhr morgens am Schreibtisch gesessen hatte. Typisch für das Ruhrgebiet wollte er relativ distanzlos, dafür aber mit einem geradezu liebevollen Necken wissen: „Na, Schlafmütze? Immer noch nicht wach?“ Als ich empört mit der Zunge schnalzte und kopfschüttelnd erwiderte: „Hallo?! Ich habe schließlich bis vier Uhr morgens gearbeitet und mir die halbe Nacht mit sexy Footballspielern um die Ohren geschlagen“, konnte ich an seinem Gesichtsausdruck ablesen, was er dachte. Dass auf meinem Auto das Wort „Poppy“ in großen Lettern steht (Himmel, bin ich narzisstisch), schien zu weiteren Irritationen bei ihm zu führen, immerhin assoziieren die meisten Menschen insbesondere mit den ersten vier Buchstaben etwas ganz Spezielles …

Aber ich schweife ab.

Treffen mit Idolen der Kindheit

Poppy J. Anderson (r.) mit  Diana Gabaldon

Poppy J. Anderson (r.) mit Diana Gabaldon

Eigentlich wollte ich darüber berichten, wie besonders die vergangene Woche war und wie sehr sie sich von meiner eigentlichen Arbeitswoche unterschied. Nicht nur die LoveLetter Convention (LLC) am letzten Wochenende war ein absolutes Highlight, sondern auch eine Lesung mit der US-amerikanischen Bestsellerautorin Diana Gabaldon in Hamburg gehörte zu den eindrucksvollsten Begebenheiten der letzten Monate. Sowohl in Hamburg als auch in Berlin auf der LLC hatte ich die Gelegenheit, Autorinnen zu treffen, die bereits seit Jahrzehnten zu den erfolgreichsten der Branche zählen. Da ich als Teenager zur „Schreiberin“ wurde, weil ich exzessive Leserin war, verwandelte ich mich in den letzten Tagen zu einem Fangirl, das sich beherrschen musste, nicht wie eine Wahnsinnige zu kreischen, als Diana Gabaldon mein zerfleddertes Exemplar ihres dritten Romans signierte. Und wenn ich auf dem Foto, das mich neben ihr zeigt, nicht ein so grauenvolles Mondgesicht hätte, würde es vermutlich bereits über meinem Schreibtisch hängen, damit ich ganz entzückt draufstarren könnte.

Intelligenter, warmherziger Schreibstil

Die Autorin, die jene Highland-Saga geschrieben hat, die mittlerweile sogar verfilmt wird, ist die größte und vor allem beste Inspiration, die ich mir denken kann. Nicht nur die großartige Geschichte, die sie geschaffen hat, sondern auch ihr intelligenter und warmherziger Schreibstil wecken in mir die Sehnsucht, auch so schreiben zu können. Ich verschlinge jedes ihrer Bücher und finde es ungemein faszinierend, dass sie seit über zwanzig Jahren eine Buchreihe am Leben erhält und es ihr immer wieder gelingt, mit jedem neuen Roman ihre Leserschaft zu berühren und zu fesseln.

Wer ebenfalls so etwas von sich behaupten kann, ist beispielsweise Susan Elizabeth Phillips. Die Dame ist nicht nur sehr talentiert, sondern zudem außerordentlich nett, wie ich selbst erfahren durfte. Als mich die Organisatoren der LLC vor einiger Zeit fragten, ob ich an einem englischsprachigen Panel teilnehmen wolle, sagte ich zu und wusste nicht, dass ich neben Susan Elizabeth Phillips sitzen würde. Neben ihr und zwei nicht weniger bekannten Autorinnen aus den USA fühlte ich mich ein wenig wie im falschen Film und glaubte, dass jeden Moment eine Sicherheitskraft den Raum stürmen und brüllen würde: „Holt den Fan von der Bühne! Groupies haben dort oben nichts zu suchen!“

Wie ein Kreisligist in der Champions League

Ebenso wie Diana Gabaldon gehört auch Susan Elizabeth Phillips zu den Autorinnen, deren Erfolgsgeschichten zum Vorbild gereichen. Es ringt einem Respekt und Hochachtung ab, wenn Menschen konstant gute Bücher veröffentlichen und damit ebenfalls konstant erfolgreich sind. Wenn man mir noch vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich neben DER Susan Elizabeth Phillips auf einem offiziellen Panel sitzen und mit ihr über Liebesromane diskutieren würde, hätte ich mich vor lauter Lachen nicht mehr einbekommen. Vergleichbar ist es vermutlich mit dem Traum eines Kreisligisten, einmal in der Champions League zu spielen und Ronaldo vor dem Spiel die Hand schütteln zu dürfen. Wer rechnet schon damit, seine Vorbilder zu treffen und neben ihnen auflaufen zu dürfen?

Mein Resümee lautet jedenfalls, dass es zur Beruhigung beiträgt, wenn Susan Elisabeth Phillips davon spricht, dass sie zu Hause in ihrer Yoga-Hose herumläuft und erst gegen Mittag bemerkt, dass sie sich vielleicht einmal die Haare kämmen sollte.

Anscheinend bin ich nicht die einzige Autorin, die starreife Auftritte vor ihrem Postboten hat.

B_000006Über die Autorin: Poppy J. Anderson (Homepage, Wikipedia, Amazon) ist das Pseudonym einer deutschen Autorin, die seit Ende 2012 als Selfpublisherin Romane veröffentlicht, welche mittlerweile auch über Rowohlt verlegt werden. Die meisten ihrer Bücher schafften es auf Platz 1 der Bestsellerliste und haben sich insgesamt über eine Million Mal verkauft. Alle Kolumnen von Poppy J. Anderson auf lesen.net.

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