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Selfpublishing: Angriff der Klonbücher [Kolumne]

Die gegenwärtige Stimmung im Selfpublishing erinnert an einen Goldrausch, bilanziert Indie-Autorin Poppy J. Anderson in ihrer neuen Kolumne. Viele Jungautoren erhoffen sich den großen Reibach mit wenig Aufwand. Häufiges Rezept: Erfolgreiche Bücher und Autoren werden gnadenlos kopiert.

In letzter Zeit muss ich oft an eine ganz spezielle Folge aus Unsere kleine Farm denken, wenn ich mich auf den Kindle-Seiten bei Amazon umsehe. Außerdem verstehe ich mittlerweile auch, was Schriftsteller immer meinen, wenn sie genervt davon erzählen, wie ermüdend es doch sei, aus ihrem Umfeld ständig zu hören, dass derjenige oder diejenige ebenfalls ein Buch schreiben wolle.

Klingt ziemlich wirr, oder?

Selfpublishing: Schnell und einfach reich werden

Ausbeute erfolgreicher Indie-Autorin (Symbolfoto)

Ausbeute erfolgreicher Indie-Autorin (Symbolfoto)

Was ich meine, ist relativ einfach zu erklären. Die Serie um Laura Ingalls (dem Mädchen mit den schiefen Zähnen und langen Zöpfen, das nur zwei Kleider besaß) und das Selfpublishing haben ein Thema gemein: Einen vermeintlichen Goldrausch.

Während sich im wilden Westen alle Präriebewohner auf eine Mine stürzten, weil dort eine Goldader entdeckt wurde, und jeder zu glauben schien, wie der Schürfer vor ihm mit seinem Goldfund reich zu werden, stürzen sich immer mehr Menschen auf die Idee, mit dem Selfpublishing Geld machen zu können.

Es sieht ja auch so einfach aus. Schnell werden ein paar Seiten aufs Papier gebracht, hochgeladen und anschließend wird der große Reibach gemacht. Immerhin haben es andere auch geschafft, die sicherlich nicht den Heiligen Gral entdeckt haben, sondern ebenfalls nur mit Wasser kochen. Was soll also schief gehen?

Kein Kommentar.

Erfolgskonzept: Erfolgreiches kopieren

Dann gibt es noch diejenigen, die an das Projekt Goldrausch professioneller herangehen und richtiggehende Studien betreiben, indem sie sich die erfolgreichsten Cover, Plots und Klappentexte ansehen, um ihr eigenes Süppchen zu kochen. Man nehme etwas von Bestseller A, etwas anderes von Bestseller B und füge ein Quäntchen von Bestseller C hinzu. Voilà!

Vor allem in den letzten Monaten gibt es erhebliche Auffälligkeiten, was teilweise frappierende Ähnlichkeiten zwischen Büchern von verschiedenen Autoren betrifft. Oftmals muss man mehrfach hinsehen, um zu erkennen, von wem der Roman denn nun ist. Alleinstellungsmerkmale auf Covern oder in Titeln werden gnadenlos kopiert, erfolgreiche Handlungen werden umgedichtet und anschließend unter anderer Marke verkauft. Auch die Klappentexte absoluter Bestseller müssen daran glauben und dienen als Vorlage für andere Bücher.

Mit originären oder gar originellen Schaffensprozessen haben diese inspirierten Werke kaum mehr etwas zu tun. Viel eher lässt sich die Absicht erkennen, auf besonders erfolgreiche Züge aufzuspringen und an einem Goldrausch teilzuhaben.

Natürlich wird jetzt der Einwand zu hören sein, dass niemand das Rad neu erfinden kann und dass Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Büchern immer wieder möglich sind. Dem stimme ich absolut zu! Kaum ein Autor kann sich davon freisprechen, dass er nicht eine Figur erschafft, die dem Charakter aus einem anderen Buch ähnelt, dass er nicht eine Handlung entwirft, die wie der Plot eines bereits existierenden Romans wirkt, oder dass er ein Stockphoto für sein Cover verwendet, das bereits auf einem anderen Buchdeckel prangt. Bei der Fülle an Büchern, die in den vergangenen Jahrhunderten geschrieben wurden, kann kein Autor mit Bestimmtheit sagen, dass er ein Thema behandelt, das es noch nie gab.

Reicher blutsaugender Zauberlehrling mit BDSM-Hang

Bildschirmfoto 2015-02-20 um 10.53.28Doch wenn plötzlich mehrere Bücher veröffentlicht werden, die alle wie ein und dasselbe Werk aussehen, unter sich ähnelnden Pseudonymen geschrieben werden und wie die Fan-Fiction eines bestimmten Bestsellers klingen, ist es schwer, nicht hellhörig zu werden. Geschichten über Zauberlehrlinge gab es auch vor Harry Potter, die unglückliche Liebe zwischen Mensch und Vampir hat nicht erst Stephenie Meyer erfunden und selbst Shakespeare hat sich bei Ovid inspirieren lassen, als er Romeo und Julia schrieb. Doch kaum wird ein solches Buch zum Bestseller, ruft es die Nachahmer auf den Plan. Zauberlehrlinge, Vampire oder Milliardäre mit dem Hang zu BDSM haben plötzlich Konjunktur.

Bis vor ein paar Jahren war dies noch überschaubar, schließlich kann man davon ausgehen, dass es nicht in dem Interesse der Verlage lag, Bücher zu veröffentlichen, die wie der billige Abklatsch bereits veröffentlichter Romane wirkten. Mit dem Selfpublishing ist dies hinfällig geworden. Viele Autoren scheinen gewollt auf die Ähnlichkeit zu anderen Büchern zu setzen und hoffen auf einen positiven Werbeeffekt.

Auch die Tatsache, dass man als Selfpublisher von Bekannten, Verwandten und sogar Nachbarn angesprochen wird, die selbstbewusst erklären, mal eben ein Buch schreiben zu wollen, um damit das neue Dach oder den Familienurlaub finanzieren zu können, lässt den Schluss zu, dass sich viele in der bereits angesprochenen Folge aus "Unsere kleine Farm" wähnen. Ihnen scheint nicht bewusst zu sein, dass hinter erfolgreichen Selfpublishing-Geschichten extrem harte Arbeit steckt.

Frische Geschichten braucht das Selfpublishing-Land

Ich gehe davon aus, dass in meine Worte nun folgende Aussagen hineingedichtet werden: Poppy J. Anderson will den Nachwuchs vergraulen / sie zeigt, dass sie nicht konkurrenzfähig ist / sie erklärt, dass sie keine anderen Autoren zulassen will … und so weiter … und so weiter. Aber dem ist nicht so. Wie jeder andere Leser erfreue ich mich an großartigen Geschichten und möchte neue Autoren entdecken, die meine Leidenschaft für Bücher immer wieder wecken können. Deshalb plädiere ich für neue, für kreative Geschichten – nicht für etwas Aufgewärmtes.

Nicht jeder muss einen Werther erschaffen.

Nicht jeder kann einen Werther erschaffen, aber er kann seinen Beitrag dazu leisten, Leser mit eigenen Geschichten zu erfreuen.

B_000006Über die Autorin: Poppy J. Anderson (Homepage, Wikipedia, Amazon) ist das Pseudonym einer deutschen Autorin, die seit Ende 2012 als Selfpublisherin Romane veröffentlicht, welche mittlerweile auch über Rowohlt verlegt werden. Die meisten ihrer Bücher schafften es auf Platz 1 der Bestsellerliste und haben sich insgesamt über 800.000 Mal verkauft.

<Bildnachweis: Gold von Shutterstock>

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