Serien: Eins werden mit der Erzählwelt [Kolumne]
Seit inzwischen drei Wochen steht Poppy J. Anderson mit Nur ein Kuss ununterbrochen auf Platz 1 der Kindle Charts. Es handelt sich um den Auftakt einer weiteren Reihe aus der Feder der Autorin. Warum eigentlich?
Was haben die "Schwarzwaldklinik", "Sex & the City", "Stirb Langsam" und "Games of Thrones" gemeinsam? Auf den ersten Blick scheint die Antwort sehr leicht und vor allem naheliegend zu sein: Sie alle laufen im Fernsehen. Außerdem könnte man sagen, dass sich alle vier um Blut und Tod drehen, wenn man bedenkt, wie sich Frauen massakrieren, wenn sie sich beim Ausverkauf bei Bloomingdale’s in die Quere kommen oder sich um ein Paar Schuhe streiten, das zu einem Schnäppchenpreis zu haben ist. Glauben Sie mir, jeder Terrorist und jeder martialische Krieger mit einem Morgenstern in der Hand kann gegen eine Frau einpacken, die das Ziel vor Augen hat, die perfekte Handtasche zu ihrem Outfit zu finden. Meine beste Freundin hat einmal bei dem TV-Format Shoppingqueen teilgenommen, daher weiß ich, wovon ich spreche! Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen …
Aber ich schweife mal wieder ab.
Beliebtes Format für Film, TV und Buch
Alle vier oben genannten TV-Formate habe ich rein zufällig ausgesucht und hätte unzählige weitere Beispiele zur Hand gehabt, um das Potenzial von Serien beschreiben zu können. Während die Schwarzwaldklinik nicht wirklich zu meinen Favoriten zählt und ich von dieser Serie nur weiß, dass Krankenpfleger Mischa der Liebling der Nation war, kenne ich – Asche auf mein Haupt – alle Folgen der Kult-Serie um eine New Yorker Frauenclique und könnte John McClanes Synchronsprecher ersetzen, da ich alle (mittlerweile fünf) Teile der Stirb-Langsam-Reihe mitsprechen kann.
Serien erfreuen sich größter Beliebtheit. Nicht nur in Film und Fernsehen, sondern auch im Buchformat.
J.K. Rowling, Diana Gabaldon, Suzanne Collins, Dan Brown, Stephanie Meyer und E.L. James sind nur einige Beispiele äußerst erfolgreicher Autoren, die Millionen Leser und Leserinnen für sich gewinnen konnten. Auch hier wäre die Liste weiterer erfolgreicher Buchreihen endlos zu erweitern.
Warum fahren Zuschauer und Leser dermaßen auf Reihen ab?
Gefühl von Heimeligkeit und Trost
Als Serienjunkie muss ich gestehen, dass ich nicht aufhören kann, eine gute Reihe zu sehen oder zu lesen, weil jeder Cliffhanger in mir die Neugier weckt, wie es weitergeht. Die Wartezeit bis zum nächsten Teil erscheint mir geradezu grauenvoll lang und lässt mich aufgeregt zurück. Man gewinnt die Figuren lieb, fühlt sich in den wiederkehrenden Schauplätzen wie zu Hause und hat das Gefühl, ein Teil dieser Welt zu sein.
Anstatt sich wie bei Einzelromanen auf eine neue Umgebung, neue Figuren und eine neue Atmosphäre einzulassen, hat es etwas Tröstliches und beinahe Heimeliges an sich, in die Welt zurückzukehren, die einen bereits seit mehreren Teilen begleitet. Ich jedenfalls fühle mich ein wenig wie ein Insider, kenne ich schließlich die Marotten der Figuren und weiß, was sie beispielsweise in den vorherigen Teilen durchgemacht haben. Als begeisterte Leserin historischer Liebesromane ist es früher vorgekommen, dass ich quietschend vor Freude auf ein Regal im Buchhandel zugestürmt bin, weil ich einen weiteren Teil einer Familiensaga entdeckt habe, von der ich nicht genug bekommen konnte. Meistens war es eher die Neugier, ob ich etwas zu den vorherigen Paaren erfahren würde, die mich dazu bewogen hat, das neueste Buch innerhalb weniger Stunden zu verschlingen. Ich wollte von keiner der liebgewonnenen Figuren Abschied nehmen.
Figuren nehmen auch Autoren gefangen
Dies ist vermutlich auch der Grund, weshalb ich nicht nur als Leserin bzw. Zuschauerin ein Serienjunkie bin, sondern auch als Autorin die Buchreihen für mich entdeckt habe. Tatsächlich fühlt es sich wie ein Nachhause-Kommen an, wenn ich einen neuen Titans-Roman beginne, und ich verspüre etwas Heimweh, wenn ich eine Reihe monatelang nicht fortführe. Die Figuren, die Konstellationen und die besonderen Atmosphären der unterschiedlichen Reihen beginnen mir zu fehlen, wenn ich sie zu lange ruhen lasse.
Anfangs war es überhaupt nicht beabsichtigt, eine Reihe über Footballspieler zu schreiben. Es sollte ein einzelner Roman werden, in dem der Protagonist zufällig den Beruf des NFL-Profis hatte, damit ich ihn oft in andere Städte schicken konnte. Doch dann kamen die Teammitglieder dazu, die mich derart fesselten, dass ich mir nicht vorstellen konnte, sie und auch meine aktuellen Protagonisten einfach fallen zu lassen. Ein Abschied wäre eine Katastrophe gewesen. Zufällig wurde aus dem Einzelroman eine Reihe, die mittlerweile elf Bände aufweist. Ein Ende kann ich mir – jedenfalls im Moment – nicht vorstellen. Dafür fühlt sich diese Reihe zu sehr nach Familie an.
Vermutlich denken sich nun viele Leser dieser Kolumne, dass ich ziemlich meschugge sein muss, wenn ich mit einer derartigen Wehmut über meine Bücher schreibe. Aber machen Sie sich keine Sorgen: Im echten Leben habe ich Freunde und muss nichts durch meine Romane kompensieren.
Über die Autorin: Poppy J. Anderson (Homepage, Wikipedia, Amazon) ist das Pseudonym einer deutschen Autorin, die seit Ende 2012 als Selfpublisherin Romane veröffentlicht, welche mittlerweile auch über Rowohlt verlegt werden. Die meisten ihrer Bücher schafften es auf Platz 1 der Bestsellerliste und haben sich insgesamt über eine Million Mal verkauft. Alle Kolumnen von Poppy J. Anderson auf lesen.net.
Kommentare
Schreiben: beruhigender als Yoga [Kolumne] » lesen.net 22. Mai 2015 um 12:20
[…] beste Freundin (die Shoppingqueen-Kandidatin), die mich immerhin seit der fünften Klasse kennt, äußerte sich erst letztens sehr […]