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Solidarität durch Buchkauf: Warum ein 9 Jahre alter Roman die Amazon-Charts aufmischt

Auf Platz 2 der Amazon.de Printbuch-Bestsellerliste, zwischen der Autobiographie von Thomas Gottschalk und dem neuen Lokalkrimi von Rita Falk, steht aktuell ein fast 10 Jahre alter Self-Publishing-Titel zum Preis von 12,99 Euro. Der späte Durchbruch von Willkommen im Meer hat einen traurigen Hintergrund, illustriert aber auch den Wert von vermeintlich losen "Netzbeziehungen".

Kai-Eric Fitzner bewegt sich seit vielen Jahren beruflich in sozialen Netzwerken und auf Fachkonferenzen, als Besucher wie als Vortragsredner. Der 45-Jährige war lange angestellter Coach und Berater, bevor er sich vor einigen Monaten selbständig machte.

Für Außenstehende völlig überraschend wurde Fitzner Anfang Mai wegen Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus aufgenommen und erlitt dort einen schweren Schlaganfall. Seither liegt er im Koma, der weitere Krankheitsverlauf ist völlig unklar. Das teilte seine Familie am gestrigen Dienstag in einem öffentlichen Facebook-Posting über das Profil von Fitzner mit.

Fitzers Frau und seine drei Kinder weisen im gemeinsamen Posting darauf hin, ihre finanzielle Situation infolge der Erkrankung sei "katastrophal". Statt Spenden riefen sie dazu auf, Kai-Eric Fitzners schon 2006 erschienenen und gerade überarbeiteten Roman "Willkommen im Meer" zu kaufen.

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Was folgte, war eine Welle der Anteilnahme. Allein dieses Facebook-Posting wurde inzwischen mehr als 1.600x geteilt, Blogartikel weisen auf das Schicksal der Familie hin und beim Kurznachrichtendienst Twitter "trendet" das Hashtag #einbuchfuerkai. Und dabei blieb es nicht: Viele Leser kauften in den letzten Stunden das Buch und verhalfen ihm bis zum jetzigen Zeitpunkt auf Platz 2 der Buch-Bestsellerliste des größten deutschen Online-Händlers. Das dürfte Verkäufe im höheren vierstelligen Bereich innerhalb der letzten 24 Stunden bedeuten.

Solidarität über Likes hinaus

So traurig der Fall ist: Er zeigt, dass die Solidarität im Netz über Likes und unterzeichnete Petitionen hinausgehen kann. Und dass einem auch das Schicksal von Menschen, die man vorwiegend oder ausschließlich über soziale Netzwerke kennt, sehr nah gehen kann.

Von jedem für 12,99 Euro verkauften Buch kommen übrigens rund 3 Euro bei der Familie an, wenn die regulären Sätze der Amazon-Self-Publishing-Sparte Anwendung finden. Alternativ wurde inzwischen auch ein Unterstützerkonto eingerichtet, bei dem der volle Betrag die Familie erreicht. [Update 21.05.: Gegenüber NDR.de hat Amazon.de inzwischen erklärt, das Unternehmen verzichte bei diesem Titel auf seinen Erlösanteil. Infolge dessen werden nach Abzug von Steuern und Druckkosten mehr als 7 Euro pro verkauftem Taschenbuch an die Familie ausbezahlt.]

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Kommentare


Es sind eben doch soziale Netzwerke | itbeobachter 20. Mai 2015 um 16:59

[…] Tja und auch wenn man es selbst anders sieht oder gar bereits erlebt hat, irgendwie fällt es einem manchmal schwer dagegen zu argumentieren und ein passendes Beispiel zu nennen, dass soziale Netzwerke auch sozial sind. So zumindest ist es mir bisher immer ergangen – bis heute jedenfalls. Denn da bin ich über Johannes Korten auf die Geschichte von Kai-Eric Fitzner gestoßen. So traurig die Geschichte bis jetzt ist, sie zeigt aber auch, dass dieses Netz eben doch sozial ist! Johannes hat direkt reagiert und Hilfe angeleiert. Zum einen via Twitter und den Hashtag #einBuchfuerKai, zum anderen über eine Schenkungsinitiative. Das hilft zwar nicht den Schmerz der Familie zu lindern, nimmt aber vielleicht etwas Druck aus dem Kessel was die materielle Situation anbelangt. Denn ohne die Einkünfte des selbstständigen Ehemanns / Vaters sieht es sehr, sehr düster aus. Und das Tröstliche ist, es klappt und der Aufruf, das Buch von Kai-Eric Fitzner zu kaufen zeigt Wirkung: Aktuell steht der neun Jahre alte Roman auf Platz 1 der Amazon-Bestsellerliste! […]

Antworten

Crowdfunding mal anders: Wie die Community einer Familie in Not hilft | Carina Waldhoff – Beratung, Training, Coaching 20. Mai 2015 um 17:40

[…] (fremden) Menschen in Not. Ein vor neun Jahren in Eigenverlag veröffentlichter Roman ist heute auf Platz zwei der Amazon-Charts geschnellt; gekauft von Menschen, die die Familie des schwer erkrankten Autors in einer grauenhaften Situation […]

Antworten

Was soziale Netzwerke so schaffen können | EvilEnte.de 20. Mai 2015 um 19:58

[…] Infos dazu: Lesen.de […]

Antworten

…ein unbekannter roman wird zum bestseller… | undbleibensiesowiewirsind 21. Mai 2015 um 00:35

[…] https://www.lesen.net/diskurse/solidaritaet-durch-buchkauf-warum-ein-9-jahre-alter-roman-die-amazon-c… […]

Antworten

#einBuchfuerKai: die sozialen Medien werden ihrem Namen gerecht > Social Media > einBuchfuerKai, Buch, Hilfe, Kai-Eric Fitzner, Not 21. Mai 2015 um 08:30

[…] Solidarität durch Buchkauf: Warum ein 9 Jahre alter Roman die Amazon-Charts aufmischt » lesen.net […]

Antworten

“Literaturmissbrauch”: Erster Indie-Topseller bei Amazon.com hypnotisiert Kinder » lesen.net 20. August 2015 um 16:20

[…] 3 der Print-Charts. Hierzulande wäre es allerdings nicht das erste Indie-Buch auf der 1, das gelang vor nicht allzu langer Zeit auch Kai-Eric Fitzner (der übrigens auf dem Weg der Besserung ist). […]

Antworten

#FreeDeniz: 15-seitige Erdogan-Biographie knackt Kindle Top 10 » lesen.net 2. März 2017 um 15:06

[…] wenn man an ein paar Zahlenräder dreht und Amazon analog zur Ein-Buch-für-Kai-Aktion auf seinen Erlös verzichten sollte (was hier wohl kaum passieren wird, wäre das doch eine […]

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