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Versteckte PR in Büchern: ARD-"Monitor" klagt an

Schleichwerbung in Ratgebern, Biographien und sogar in Romanen, ohne Kennzeichnung und publiziert von renommierten Verlagen: Das ARD-Magazin "Monitor" erhob in seiner gestrigen Sendung schwere Vorwürfe. Möglich macht das verdeckte Geschäft eine Gesetzeslücke.

Der "Monitor"-Beitrag beschäftigte sich mit dem Geschäftsfeld Corporate Publishing: Unternehmen geben bei Verlagen mehr oder weniger werbliche Publikationen zur Produktion und teilweise auch zur Verbreitung in Auftrag. Problematisch wird das Geschäft, wenn die Verlage diese Publikationen unter eigenem Namen und ohne Hinweis auf den Geldgeber publizieren – was von Unternehmen erwünscht und offenbar Gang und Gebe ist.

Im Beitrag wird das Kinderbuch Papas neuer Truck vorgestellt, laut Artikelbeschreibung "Sachbuch und Abenteuergeschichte in einem". "Papa" ist mit einem LKW unterwegs, "der einen Stern hat" und als besonders schadstoffarm dargestellt wird. Nur im Impressum wird klein aufgeführt, dass das Buch "in Zusammenarbeit mit Mercedes" entstand. Das sei ein ausreichender Hinweis, erklärte der Autohersteller auf Anfrage von "Monitor".

Spiegel-Bestseller und Belletristik betroffen

Bildschirmfoto 2015-02-06 um 12.07.31Noch bedenklicher als ungekennzeichnete Werbung in einem Kinderbuch ist die Biographie von Reinfried Pohl, geschrieben vom renommierten Journalisten Hugo Müller-Vogg. Die Biographie wurde von Hoffmann & Campe (HoCa) verlegt und stand wochenlang in der Spiegel-Bestsellerliste. Nirgendwo im Buch gibt es einen Hinweis darauf, dass Pohls Firma, die durchaus umstrittene Deutsche Vermögensberatung, das Buch bezahlt hat. Entsprechend wohlwollend fällt es aus.

"Monitor" hat auch Romane aufgetan, in denen verdeckt für das beauftragende Unternehmen getrommelt wird. So wurde die zweiteilige Kohle-Saga vom RAG-Konzern in Auftrag gegeben, der demzufolge wohl nicht ganz zufällig für seine Zukunftsgewandtheit gepriesen wird. Auch hier fehlt jeglicher Verweis auf den Geldgeber im Buch. Laut RAG sei das Buch für die eigenen Mitarbeiter bestimmt, es wird aber auch ganz normal im Buchhandel (und bei Amazon.de) verkauft. Möglich sei die Schleichwerbung laut Monitor, weil Bücher anders als Presse-Erzeugnisse und Fernsehen hier derzeit nicht reguliert seien.

Klare PR-Kennzeichnung tut Not

HoCa wollte sich gegenüber "Monitor" nicht zu den Vorwürfen äußern. Das ist auch nicht nötig, die Fakten sprechen ja für sich. Das Geschäftsmodell "Corporate Publishing" ist per se überhaupt nicht verwerflich und in diesen Tagen für viele Belletristik-Verlage eine willkommene Option, das bröckelnde Kerngeschäft zu kompensieren. Allerdings: Umso größer der Verlagsname, desto größer die Gefahr, die eigene Glaubwürdigkeit durch halbseidene PR-Deals aufs Spiel zu setzen.

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Kommentare


Hardware-Testberichte: Gute Geschäfte mit guten Noten » lesen.net 11. Februar 2015 um 18:04

[…] berichteten wir über Kritik an der Literaturkritik (“elendes Kumpelsystem“) und über Verlage, die Bücher mit versteckter PR publizieren. Aber wie unabhängig und objektiv sind eigentlich Testberichte dedizierter Lesegeräte? […]

Antworten

Warum die Nr. 1 der Spiegel-Bestsellerliste kostenlos ist » lesen.net 11. August 2015 um 14:07

[…] bei denen andere Verlage aus wirtschaftlichen Erwägungen vielleicht abgewunken hätten. Analog zu anderen Corporate-Publishing-Publikationen lohnt sich bei solchen Angeboten aber immer ein Blick auf die Auszeichnung des Geldgebers, die […]

Antworten

mk 11. August 2017 um 19:37

Kann man gut nachvollziehen wenn man "Oma lässt grüssen und sagt es tut ihr leid" gelesen hat. Es ist so etliches an apple Werbung enthalten. "Wieso hast du kein ipad…" uswmk

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