Was für Bücher Eltern aus Schulen verbannen wollen
Immer wieder bekommen Schulen und andere Bildungseinrichtungen Beschwerden über die Lektüre, die dort gelesen beziehungsweise vorgehalten wird. Der US-amerikanische Bibliotheksverband macht publik, gegen welche Bücher besonders häufig geklagt wird – der "Top-Titel" steht auch auf immer mehr deutschen Lehrplänen.
Seit 1982 veranstaltet die American Library Association (ALA) eine Banned Books Week, mit der die Öffentlichkeit über Zensur-Maßnahmen in Bibliotheken und Schulen informiert werden soll. Im Vorfeld der diesjährigen Aktionswoche (27.09.-03.10.) hat die ALA jetzt eine Top 10 der Bücher aufgestellt, über die 2014 die meisten Beschwerden in Bibliotheken und Schulen eingingen. Zusätzlich gibt es eine sehenswerte Infografik zur Visualisierung der Informationen (unten).
Ein sarkastischer Indianer…
Die meisten Beschwerden gingen im Vorjahr demnach zum Jugendroman The Absolutely True Diary of a Part-Time Indian ein. Gegen die sarkastisch erzählte Geschichte eines Indianerjungen, der aus dem Reservat in eine "normale" Schule wechselt, hagelte es Kritik: Die Sprache sei rüde, Glücksspiel, Drogen und Alkohol würden verharmlost, die Darstellung von Sexualität sei explizit und die gesamte Geschichte familienfeindlich und überhaupt unpassend für Lesende dieses Alters. A propos: Auch Deutschland wird der Roman im Englischunterricht ab der 5. Klasse gelesen (hier die Schulausgabe von Klett), die Übersetzung Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers steht zunehmend im Deutschunterricht der Klassen 8-11 auf den Lehrplänen. Beschwerden dazu sind hierzulande zumindest noch nicht öffentlich geworden.
… und schwule Pinguine
Am zweitmeisten Beschwerden gingen laut ALA über das Comic Persepolis ein, das von einer Kindheit im Iran erzählt und höchst erfolgreich verfilmt wurde. Geklagt wurde hier vielfach auch über die politische Ausrichtung der Geschichte. Auf Platz 3 liegt ebenfalls ein Comic, namentlich And Tango Makes Three – die wahre Geschichte von zwei schwulen Pinguinen, die gemeinsam einen Babypinguin großziehen. Eltern beschwerten sich hier natürlich über familien- und religionsfeindliche Inhalte, die "die homosexuelle Agenda bewerben".
6 von 10 Bücher, über die am meisten Beschwerden eingingen, kommen aus dem Young-Adult-Bereich, gibt der Bibliotheksverband an. 9 von 10 dieser Beschwerden kommen von besorgten Eltern. Am häufigsten wird über sexuell explizite Darstellungen geklagt, knapp gefolgt von "nicht passend für das Alter". Im Jahr 2014 hat die ALA von 311 Beschwerden Kenntnis erlangt, wobei der Verband davon ausgeht, dass die Dunkelziffer etwa 20x höher ist.
Weltweite Problematik
Mit der Banned Books Week will die Bibliotheksvereinigung Aufmerksamkeit darauf lenken, dass Zensur-Bemühungen immer noch – und selbst in den USA – ein großes Thema sind. Das Land steht damit nicht allein, auf aller Welt und aus unterschiedlichsten Gründen werden Bücher aus dem Verkehr gezogen. Unabhängig vom Medium.
Auch in Deutschland können wir uns mit Sicherheit nicht von gedanklichen und tatsächlichen Verboten freisprechen. Vor einem hämischen Fingerzeig auf die Sex-Klagen in den vermeintlich prüden USA sollte man sich etwa vergegenwärtigen, dass dort gleichgeschlechtliche Ehen inzwischen den gleichen rechtlichen Stellenwert haben wie heterosexuelle Partnerschaften – anders als bei uns. Ob die Geschichte von zwei schwulen Pinguinen auf dem Lehrplan einer niederbayerischen Grundschule eine Chance hätte?
Kommentare
NEWS! Sarkastische Indianer und schwule Pinguine … Bücher, über die Eltern diskutieren. | OnleiheVerbundHessen 14. August 2015 um 07:21
[…] In Bibliotheken und Schulen treffen weltweit immer noch Beschwerden über Bücher und Lektüren ein. Im Rahmen der Banned Books Week der American Library Association(ALA) soll nun die Aufmerksamkeit auf eine Top 10 der Werke gelenkt werden, über die es die meisten Beschwerden hagelte. Welche das sind und welche Themen in Büchern für die größte Aufregung sorgen, erfahren Sie hier. […]
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