Weltbild droht zweite Pleite
Der Weltbild-Konzern kommt nicht zur Ruhe. Entgegen der Absprachen mit dem neuen Investor sollen jetzt noch einmal Hunderte Mitarbeiter entlassen werden, weil sich das Geschäft schlechter entwickelt habe als erwartet. Ausgerechnet beim eminent wichtigen Weihnachtsgeschäft wird der Rotstift angesetzt. Die Stimmung in der Belegschaft ist auf dem Nullpunkt.
Noch einmal 200 Entlassungen
Die Geschäftsführung von Weltbild ist mit dem Wunsch an den Betriebsrat herangetreten, weitere rund 200 Stellen am Stammsitz in Augsburg zu streichen. 100 Mitarbeiter sollen noch vor Weihnachten gehen, noch einmal 100 im Februar 2015. Aktuell beschäftigt Weltbild in der Zentrale noch rund 430 Menschen, die Maßnahme entspräche also fast einer Halbierung der Belegschaft. Der Weltbild-Verdi-Infoblog machte die Zahlen am gestrigen Donnerstag publik und protestierte gegen "das skrupellose Vorgehen". Man fühle sich "von vorne bis hinten belogen".
Das Börsenblatt erhielt vom Düsseldorfer Investor Droege Group, der den Weltbild-Konzern aus der Insolvenz führte, am gestrigen Abend eine Stellungnahme. Darin heißt es, "die Istzahlen der Monate Juli bis September 2014 zeigen eine signifikante Abweichung zur Planung von Roland Berger und zum Vorjahr." Darauf müsse man reagieren. Die im Flugblatt (von Verdi) genannte Zahl von 200 Stellen-Streichungen könne man gleichwohl nicht bestätigen. Auch von Weltbild gab es eine Stellungnahme, in der es ebenfalls heißt, "weitere Personalmaßnahmen sind aufgrund der neuen Abläufe nicht vermeidbar". Interessant ist die Anmerkung seitens Weltbild, dass das vorhandene Buchangebot "um attraktive Sortimente rund um Heim und Wohnen und für die Familie ergänzt werden" sollen. Gemischtwarenladen 2.0, also.
Schwindendes Kundenvertrauen, eingestampfte Marketing-Budgets
Vor einer Woche wurden Marktforschungszahlen öffentlich, nach denen Weltbild seit dem Insolvenzantrag im Januar massiv an Kunden-Vertrauen eingebüßt hat: Kunden seien weniger zufrieden als noch in der Vergangenheit, der Konzern werde viel seltener weiterempfohlen. Dass ausgerechnet jetzt, unmittelbar vor dem wirtschaftlich extrem wichtigen Weihnachtsgeschäft, weitere Turbulenzen öffentlich werden, wird zum Vertrauen nicht gerade beitragen.
Statt mit Investitionen dagegen zu halten, fährt Weltbild die Ausgaben offenbar zurück. Verdi berichtete vergangene Woche, dass ein schon im Sommer fest eingeplanter TV-Spot fürs Weihnachtsgeschäft kurzfristig abgesagt wurde. "Vor dem Weihnachtsgeschäft wollte man es dafür richtig krachen lassen. Warum also wird die TV-Werbung jetzt abgesagt?", fragen die Gewerkschafter.
Die Stimmung bei den verbliebenen Weltbild-Beschäftigten schwankt jetzt zwischen Wut und Resignation. Unter dem Verdi-Posting gaben am gestrigen Abend mehrere Mitarbeiter bekannt, am heutigen Freitag werden sie dann wohl krank sein. Viele weitere werden in den nächsten Monaten wohl allenfalls noch "Dienst nach Vorschrift machen" und sich anderweitig umsehen.
Für Tolino-Allianz nicht mehr so dramatisch wie vor einem Jahr
Die Freude über die vorläufige Rettung der einstmals größten deutschen Buchhandelskette ist inzwischen vollständig verflogen, die Angst vor einer zweiten und möglicherweise endgültigen Pleite ist groß. Die Tolino-Allianz müsste dann neben Weltbild auch um die inzwischen hundertprozentige Weltbild-Tochter buecher.de bangen, wenngleich die Zukunft des Online Stores gesichert sein dürfte. Nachdem sich Hugendubel von Weltbild gelöst hat und inzwischen auch unabhängige Buchhandlungen im Tolino-Boot sind, wäre eine finale Zerschlagung von Weltbild jetzt aber längst nicht mehr so konsequenzenreich für die Tolino-Allianz wie noch vor einem Jahr.
Kommentare
Wir wünschen einen guten Start ins neue Jahr » lesen.net 31. Dezember 2014 um 10:34
[…] Ein weiteres turbulentes Jahr neigt sich dem Ende. Für die Buchbranche stand es ganz im Zeichen des digitalen Umbruches, am deutlichsten sichtbar sicherlich am Beispiel von Weltbild. […]