#8: Verkaufszahlen, Indie-Pricing, Verbraucherrechte
Heute in der Rundschau: media control publiziert (anhand von repräsentativen Umfragen hochgerechnete) Verkaufszahlen für eBooks und elektronische Lesegeräte in Deutschland, in den USA diskutiert man den optimalen Preispunkt für im Selbstverlag veröffentlichte digitale Literatur – und ein US-Publisher entzündet unfreiwillig eine Generaldebatte zum Wert von und Besitz an eBooks.
Knapp vier Millionen E-Books in 2010 verkauft / Über 450.000 E-Book-Reader bisher verkauft
Die GfK-Marke media control veröffentlichte in den letzten Tagen zwei wesentliche Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage, an welcher sich 10.000 Deutsche ab 15 Jahren beteiligten. Besonders gefragt waren eBooks und elektronische Lesegeräte wenig überraschend im vergangenen Weihnachtsgeschäft; digitale Literatur soll inzwischen rund 1% des Gesamtmarktes ausmachen.
Die auf Hochrechnungen basierenden Verkaufszahlen stellen nur Nährwerte dar, erscheinen aber durchaus realistisch (und sind auf jeden Fall nachvollziehbarer als die obskuren eBook Charts, die media control einmalig im letzten Sommer veröffentlichte). Hersteller und Händler halten sich zwar mit der Publikation absoluter Verkaufszahlen zurück, zeigten sich gerade im Weihnachtsgeschäft aber durchweg angetan von der Marktentwicklung.
Die 450.000 bislang (insgesamt, nicht nur 2010) in Deutschland verkauften dedizierten Lesegeräte dürften allein vom iPad getoppt werden; die 1. Generation vom Apple Tablet ging laut Steve Jobs bislang 13 Millionen mal über den Ladentisch – deutsche Apfelfreunde, die im internationalen Vergleich frühzeitig zuschlagen konnten, werden davon sicherlich für mehr als eine halbe Million verkaufte Einheiten zuständig sein. Obgleich sich Tablets (und erst recht Smartphones) einer weit größeren Verbreitung erfreuen als eReader mit Graustufen-Displays, haben Besitzer dieser Geräte eine ungleich größere ökonomische Relevanz für die eBook-Umsätze; ein Aspekt, den zuletzt die Telekom mit ihrem sehr auf LCD-Devices zugeschnittenen PagePlace nur ungenügend berücksichtigte.
The rise of the 99-cent Kindle eBook
Während die Verlage gegenwärtig mit Händen und Füßen (beziehungsweise mit dem Agency Model) versuchen, höhere eBook-Preise durchzusetzen, steuert der Indie-Markt in die genau entgegengesetzte Richtung. Cnet-Autor David Carnoy beschreibt, wie der typische Verkaufspreis eines im Eigenverlag publizierten eBooks von 2,99 US-Dollar (der Marke, ab der unter anderem Amazon.com 70% statt 35% des Umsatzes an den Autoren ausschüttet) zuletzt auf den Schwellenpreis von 99 Cent fiel. Häufig findet dabei ähnlich dem Apple App Store zu Promotionszwecken ein ständiger Wechsel der Verkaufspreise statt.
Gegenwärtig kosten 17 der 100 Kindle Store Bestseller (nur kommerziell) 99 Cent oder weniger, analysierte Carnoy. Dass selbst mit einem solchen Verkaufspreis viel Geld verdient werden kann, beweist momentan allen voran Amanda Hocking (Porträt bei Spiegel Online): Die 26-jährige machte mit ihren Low Budget Titeln innerhalb eines Jahres mehrere Millionen US-Dollar, ganz ohne Verlag. Für traditionelle Verlage mit ihrer Infrastruktur sind solche Niedrigpreise allerdings kaum realisierbar; sie sind die Leidtragenden einer Entwicklung, infolge derer Verbraucher sozusagen von außen an niedrige eBook-Preise gewöhnt werden – statt Amazon mit seiner von den Verlagen torpedierten $9,99-Policy stehen nun Self Publisher an der Spitze vom "Race to the bottom".
Seit langem hat es ein Branchenthema mal wieder auf breiter Basis in den hiesigen Mainstream-Blätterwald bis hin zur gedruckten SZ geschafft. Der informative Mehrwert der Geschichte ist freilich überschaubar: Der Großverlag HarperCollins wollte gegenüber US-Bibliotheken durchsetzen, dass seine eBooks nur noch 26x verleihbar sind (weil dies dem Lebenszyklus eines gedruckten Buches entspreche) und anschließend neu erworben werden müssen – eine (mittelbar) reine B2B-Angelegenheit also.
Wirklich relevant wurde die Geschichte nur, weil die mächtige amerikanische Bibliothekarslobby kräftig Stimmung gegen HarperCollins machte – bis hin zu einer Boykottaktion -, und eine publikumswirksame Bill of Rights für eBook-Leser ausarbeitete (mehr bei iRights.info). Die Bill of Rights fordert zusammen gefasst, man sollte an bei einem digitalen Buch dieselben Rechte und Möglichkeiten (Besitz, Bearbeitung, Weitergabe) haben wie bei einem gedruckten Titel – de facto handelt es sich also um ein (weiteres) Plädoyer gegen DRM und ein Stückweit auch gegen vernetzte Ökosysteme wie das von Amazon.
<Boykottgrafik via Teleread>
Kommentare
johnny 10. März 2011 um 01:42
einfach mal ein Danke für die gute Zusammenfassung!
Insbesondere die low-price ebooks halte ich für interessant in Hinblick auf die weitere Entwicklung des Gesamtmarktes…
Thomas Knip 10. März 2011 um 12:39
Interessant wird bei günstigen Preisen die Grundkultur in einer Gesellschaft.
In den USA gelten 99 Cent als "bargain", als gutes Schnäppchen.
In Deutschland geht der Tenor eher dahin, dass man für 99 Cent nur Schund erhält;
"Was nichts kostet, taugt auch nichts".
Ich befürchte, mit zu günstigen Preisen überfordert man den an teure Paperbacks gewöhnten deutschen Leser wieder … ;)
James Fenimore Cooper 10. März 2011 um 14:26
@Thomas Knip
Naja die Paperbacks aus den USA sind auch nur 99 CENT wert. Die Qualtität der Paperbacks dort ist wirklich schrottig….
m 10. März 2011 um 14:36
Interessante Sachen!
Gerade die Idee mit den iRights ist witzig, aber der Punkt, dass Wiederverkauf erlaubt sein sollte total unsinnig. Wurde dort in den Kommentaren auch erwähnt, denn wer kann schon kontrollieren, ob ich das Buch auch endgültig von meiner Festplatte / vom Reader lösche, nachdem ich es "verkauft" habe? Würde nun auch niemanden kennen, der schonmal versucht hat eine bei iTunes (oder sonst wo) gekaufte MP3 weiter zu verkaufen – geht mit rein digitalen Medien nicht.
POSTED PLANET 10. März 2011 um 17:01
Kleiner Leitfaden: Wie schreibe ich als Autor und Blogger ein Kindle eBook?…
Wir haben zu diesem Thema in der Vergangenheit schon mehrere Beiträge verfasst, waren vor ein paar Wochen diesbezüglich auch der Tools of Change for Publishing [TOC] 2011 in New York und experimentieren laufend. Das eBook Format ist für Indie Autoren w…
Tobias 10. März 2011 um 17:04
http://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%A4hrwert