Skip to main content

Amazon-Bild von Autoren: Von "Monster" bis differenziert

Am vergangenen Donnerstag stellte die Literaturkritikerin Iris Radisch in der ZEIT 16 etablierten Verlagsautoren und -autorinnen unter dem Titel "Brauchen wir Amazon?" jeweils sechs Fragen zu ihrem Umgang mit dem Online-Händler. Das Meinungsbild war mehrheitlich vernichtend gegen Amazon. Am Mittwoch konterte die Self Publisher Bibel und stellte 15 verlagsunabhängigen Autoren dieselben Fragen. Von den Antworten der Indie-Autoren können die Etablierten noch eine Menge lernen.

Grund für den Konter des Self-Publishing-Nachrichtendienstes war die Auswahl der Autoren und Autorinnen in der Zeit. "Wer ohne Verlag im Rücken veröffentlicht, kommt im ZEIT-Feuilleton anscheinend nicht vor", kritisiert der Journalist Matthias Matting die Radischse Autorenauswahl.

Vernichtendes Urteil

Die  Autorenauswahl der ZEIT beinhaltet bekannte Namen wie Daniel Kehlmann, Jonathan Franzen und Sibylle Lewitscharoff.  Alle in der ZEIT befragten Autoren – mit Ausnahme von Kathrin Passig -urteilten negativ über Amazon. Fast alle geben zu, auch bei Amazon zu bestellen. "Ich habe dann aber auch, wie es sich gehört, ein schlechtes Gewissen", schreibt beispielsweise Daniel Kehlmann. Immer wieder taucht "Die Buchhandlung ums Eck" als Gegenentwurf zu Amazon auf.  Nur Kathrin Passig findet ausgeglichenere Töne: "Die Kette Thalia war jahrzehntelang der Lieblingsfeind der Buchbranche (übrigens aus ganz ähnlichen Gründen wie Amazon: Gleichgültigkeit gegenüber dem Kulturgut Buch und erpresserische Ausnutzung von Marktmacht), wird sie mittlerweile ganz unironisch als Opfer Amazons beklagt."

Insgesamt aber fällt das Urteil der von Iris Radisch befragten Autoren auch vor dem Hintergrund der Hachette/Bonnier-Debatte vernichtend aus. Keiner der Autoren außer Günter Wallraff  würde zwar soweit gehen, seinen Verlag anzuweisen keines seiner Bücher mehr bei Amazon anzubieten.  Trotzdem finden alle eindeutige Worte:  "Bei der Effizienz verdient Amazon fünf Sterne, bei der Rücksicht auf den Kulturauftrag mancher Bücher einen", meint Roger Willemsen, "Bolschewismus im Stile Lenins und Stalins" urteilt Durs Grünbein, Navid Kermani nennt den Online-Händler schlicht "Monster", Sibylle Lewitscharoff schreibt: "Es ist ein widerliches, erpresserisches Unternehmen."

Ausgeglichene Self-Publisher mit Weitblick

Insgesamt urteilen die von der Self-Publishing Bibel befragten Autoren weniger hart und polemisch über Amazon. Viele sind sich ihrer Abhängigkeit vom Unternehmen bewusst, kritisieren aber im selben Atemzug die Buchbranche: "Ohne Amazon wäre es mir gar nicht möglich, von dem zu leben, was ich am liebsten mache, nämlich dem Schreiben von Büchern. Viele meiner Bücher sind in kleinen Verlagen erschienen, die von Buchhandlungen ignoriert werden", schreibt beispielsweise Alexandra Amber. Viele sehen für die Veröffentlichung ihrer Bücher kaum eine Alternative zum Martkführer, schon gar nicht in der traditionellen Verlagsbranche: "In jedem Fall rächt sich jetzt, dass die Buchbranche zu lange gewartet hat, selber eine Alternative aufzubauen. Vielleicht ist auch deshalb die Wut auf Amazon so groß", meint Helmut Pöll

Auch zur Hachette/Bonnier-Debatte und zu den Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren Amazons befragt differenzieren die Self-Publisher ohne abzuwiegeln:  "Es wäre schön, wenn man bei der ganzen Diskussion die “Kuh” im Dorf lassen würde. Das Problem sollte am Verhandlungstisch und nicht in der Öffentlichkeit aus der Welt geschafft werden. […] Amazon ist mittlerweile der Sündenbock für fast alles. Damit will ich nicht sagen, dass ich die Strategie von Amazon vorbehaltlos gutheiße und nicht hinterfrage", schreibt Catherine Sheperd. Amazon verhalte sich, wie sich ein kapitalistisches Unternehmen nun einmal verhalte – das sei ein Problem, das gesamtgesellschaftlich angegangen werden müsse, so die einhellige Meinung fast aller Self-Publisher.

Langwierige Debatte

Amazons Preis-, Lohn- und Verkaufspolitik spaltet jedenfalls weiterhin die Geister. Die Positionen der Autoren und Autorinnen in der ZEIT und der Self-Publishing-Bibel sind vermutlich nur der Anfang einer Debatte, die noch lange andauern dürfte. Zumal Amazon mit Kindle Unlimited ja schon den potenziellen nächsten Aufreger in den Startlöchern hat.

<Bildnachweis: Diskussion von Shutterstock>

Ähnliche Beiträge


Kommentare


Bonnier einigt sich mit Amazon, Einheitsfront zerfällt » lesen.net 21. Oktober 2014 um 14:12

[…] verzögerte Amazon die Auslieferung von Titeln betroffener Verlage, was dem Unternehmen massive Kritik aus nahezu der gesamten Branche einbrachte. Mediale Höhepunkte waren im August offene Briefe von renommierten internationalen und […]

Antworten

Self Publishing: Die FAZ kriegt die Kurve fast – Zebrabutter 9. Mai 2015 um 16:32

[…] Lesen.net: Self Publisher vs. Verlagsautoren über Amazon […]

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*