Skip to main content

Amazon löscht eBooks von Kindles

PR-GAU für Amazon. Der sonst vielfach für seine Kundenfreundlichkeit gelobte E-Buchhändler wird in diesen Tagen der virtuellen Bücherverbrennung bezichtigt, wenig schmeichelhaft als "Big Brother" tituliert. Ironischer Weise hätte die rabenschwarze Presse durch ein bisschen mehr Überwachung im Vorfeld verhindert werden können.

Was war passiert? Ein Drittanbieter stellte die beiden Klassiker Farm der Tiere und 1984 von George Orwell (Foto) im Amazon Kindle Marketplace ein. Eine Überprüfung durch Amazon, ob der Anbieter tatsächlich auch zum gewerblichen Verkauf der Bücher befugt war, fand an dieser Stelle routinemäßig nicht statt.

Für je $0,99 Dollar pro eBook kamen die Bücher gut an, einige Hundert digitale Kopien konnten abgesetzt werden. Alle Seiten waren zufrieden, bis sich vergangene Woche die tatsächlichen Rechteinhaber bei Amazon meldeten und eine Löschung der illegalen eBooks verlangten. Dem kam Amazon am Donnerstag mit außerordentlicher Gründlichkeit nach: Nicht nur im Kindle Store wurden die Angebote gelöscht, auch von den Lesegeräten verschwanden die gekauften eBooks via Whispernet spurlos.

Erst auf einen Aufschrei in der Kindle Nutzergemeinde und erste Presseberichte hin machte Amazon den Vorgang öffentlich. Ein schwacher Trost für die betroffenen Kindle-Besitzer, zumal wenigstens Farm der Tiere momentan auch nicht "als Original" für den Kindle zu haben ist und mit den illegalen eBooks auch darin gemachte Notizen (über die Kindle QWERTY-Tastatur) gelöscht wurden.

Wohl nicht zuletzt weil mit 1984 zufällig eine düstere Überwachungsutopie betroffen ist, die hässliche Parallelen zum aktuellen Vorgang erlaubt, gab es bereits in den vergangenen 48 Stunden ein gewaltiges weltweites Presseecho auf die Löschaktion. Auch hierzulande beschränkte sich die Berichterstattung nicht auf einschlägige IT-Sites.

Selbst General Interest Medien wie Focus Online berichteten bereits ĂĽber den Fauxpas. Morgen dĂĽrften in den Tageszeitungen noch einige Meldungen folgen, die dem Unternehmen aus Seattle nicht gefallen werden.

kindle-2.jpgAmazon hat inzwischen auf den Sturm der Entrüstung reagiert: Man werde zukünftig unabhängig von der Sachlage keine Löschaktionen auf den Kindles der Nutzer vornehmen, äußerte sich ein Sprecher.

Dabei kann der Händler nicht wirklich erstaunt über die Reaktionen auf die "Löschung aus der Ferne" sein. Wer im Kindle Store ein eBook kauft (und aus Kundensicht spielt es keine Rolle, wer der Lieferant ist), erwirbt auch gemäß Amazon-AGB ein uneingeschränktes und unbefristetes Nutzuungsrecht an der digitalen Literatur.

Die Art und Weise der Löschung – vielfach mit nächtlichem Einbruch und Diebstahl verglichen – tat ihr Ăśbriges dazu, dass Amazons Image bei Buchfreunden nachhaltig beschädigt sein könnte.

Ähnliche Beiträge


Kommentare


netseeker 19. Juli 2009 um 23:11

Ist es tatsächlich so, dass Amazon den Kaufpreis erst auf Nachfrage zurückerstattet hat? Laut offizieller Darstellung war das nämlich nicht der Fall und die Kunden bekamen den Kaupfpreis automatisch mit der Löschung erstattet.

Antworten

Johannes 19. Juli 2009 um 23:23

Hast recht, hab die entspr. Passage dahingehend umgeschrieben, danke fĂĽr die Korrektur!

Ciao
Johannes

Antworten

Amazon steigert Umsatz, entschuldigt sich für “1984″ » Debatte » lesen.net 24. Juli 2009 um 00:43

[…] sprach Amazon-Chef Jeff Bezos dagegen an anderer Stelle. Im Kindle Nutzerforum, wo die Geschichte um von Amazon gelöschte Orwell-eBooks vor einer Woche seinen Ursprung hatte, entschuldigte sich Bezoz nun persönlich fĂĽr die […]

Antworten

Amazon schmeisst Public Domain eBooks aus Kindle Store » eBooks » lesen.net 1. September 2009 um 14:08

[…] kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen. Nach der “1984-Affäre” um aus der Ferne gelöschte eBooks, die auch in der deutschen Presselandschaft vielfach […]

Antworten

txtr Store online » eBooks » lesen.net 16. September 2009 um 21:57

[…] und der Kindle-Kopierschutz steht nicht erst seit der “1984-Affäre” in der […]

Antworten

Kindle Highlight-Funktion in der Kritik » eReader » lesen.net 4. Mai 2010 um 19:55

[…] wachsenden Datensammlung mal wieder Big Brother BefĂĽrchtungen. Zuletzt offenbarte die “1984-Affäre” um ein aus der Ferne von Amazon gelöschtes illegal verkauftes eBook  die Kehrseite von […]

Antworten

Verleger: DRM “böse”, Preisbindung “schlimmer” » Debatte, eBooks » lesen.net 3. November 2010 um 16:06

[…] eine mal mehr, mal weniger eingeschränkte Nutzungslizenz am Titel erwerben – Amazons “1984-Affäre” deutete bereits an, was fĂĽr Folgen das so geschaffene dauerhafte Abhängigkeitsverhältnis […]

Antworten

Pädophilenbuch im Kindle Store, Amazon am Pranger » eBooks » lesen.net 12. November 2010 um 18:37

[…] Jahr nach der “1984-Affäre” um aus der Ferne gelöschte eBooks sieht sich Amazon dieser Tage wieder mit einer weltweiten […]

Antworten

Arno Nym 27. Dezember 2010 um 20:41

Dies ist eine ernsthafte Warnung vor zu viel Technikvertrauen.

Nicht nur eine bekannte "Obstfirma" behält sich also vor, ihrer Anhängerschaft vorschreiben zu wollen, welche Software sie benutzen dürfen. Wenn ein Buchhändler nachträglich darüber entscheiden kann, ob ich bestimmte Literatur konsumieren darf oder nicht, ist das mehr als bedenklich! Im konkreten Fall konnte man sich sicherlich mit dem geltenden Recht herausreden. Daher ist es vielleicht nicht so sehr überraschend, dass man es in dieser Situation getan hat. Vielmehr ist die Tatsache erwähnenswert, dass es so ohne weiteres technisch möglich war (ist?), eBooks nachträglich von dem Lesegerät eines Kunden herunterzulöschen. Big Brother is watching you! Die Machthaber eines größeren asiatischen Landes werden sicher Freudensprünge gemacht haben, als sie das gelesen haben.

NatĂĽrlich geschieht alles zum Wohle des Lesers und ist gedeckt durch die immer noch viel zu laschen Regelungen des Urheberrechtes. Ein Schelm, der Arges dabei denkt.

Antworten

Künstliche Aufregung um neuerliche “Kindle Store Zensur” » eBooks » lesen.net 5. Januar 2011 um 18:06

[…] damit fĂĽr ihre halbseidene Arbeit monetär belohnen; das Thema ist kaum in eine Reihe mit der 1984-Affäre (Fernlöschung von illegal angebotenen Titeln) oder dem kurzzeitig im Kindle Store erhältlichen […]

Antworten

Kindle 3 (de) im Überblick » Topnews, eBooks, eReader » lesen.net 25. April 2011 um 19:54

[…] synchronisiert. Das ist komfortabel, sorgte in der Vergangenheit allerdings auch fĂĽr die eine oder andere […]

Antworten

Datenschutz der E-Book-Anbieter im Vergleich » Debatte, eBooks » lesen.net 5. Dezember 2012 um 20:29

[…] besonders eng an sich bindet. Ăśber Amazon kursieren auch die meisten Schreckensmeldungen von aus der Ferne gelöschten E-Books oder ganzen aufgelösten […]

Antworten

Amazon warnt vor Update seiner Kindle-iOS-App » Debatte, eBooks » lesen.net 27. Februar 2013 um 16:18

[…] neu befeuern. Wenn E-Books nicht nur bei Kontolöschung oder bei Copyright-Verstößen (siehe 1984), sondern selbst bei einem von Amazon verschuldeten Programmfehler auf Nimmerwiedersehen aus der […]

Antworten

Google Play löscht eBooks, wenn man das falsche Land bereist » Debatte, eBooks » lesen.net 19. August 2013 um 15:37

[…] Nach Amazon scheint jetzt auch Google seine “1984-Affäre” zu haben. Reist man mit bei Google geladenen eBooks in eine Gegend, wo der Play Store nicht verfĂĽgbar ist, löscht das Unternehmen bei der nächsten Synchronisation vermeintlich unrechtmäßig heruntergeladene eBooks vom Gerät. […]

Antworten

Suhrkamp: eBooks “ein Unfug, ein BeschiĂź und ein Niedergang” [Update] » lesen.net 5. Februar 2014 um 10:54

[…] Hinzu kommt eine fast schon beängstigende Fortschrittsfeindlichkeit. Nutzer, die VorzĂĽge von vernetztem Lesen (Synchronisation von eBooks, Notizen und Anmerkungen ĂĽber Geräte hinweg) zu schätzen wissen, sind fĂĽr Forssmann “Naivlinge”, die am “Cupertino-Syndrom” leiden. Er findet das “nicht praktisch, das ist gespenstisch” und suggeriert, die ĂĽber die Plattformen erhobenen Daten wĂĽrden zur Live-Anpassung von Texten gebraucht, Ă„nderungen wĂĽrden dem Leser quasi insgeheim untergeschoben (ausgehend von den in der Vergangenheit vereinzelt vorgekommenen Fernlöschungen von urheberrechtswidrigem Material). […]

Antworten

Suhrkamp: eBooks “ein Unfug, ein Beschiß und ein Niedergang” | Carta 8. Februar 2014 um 16:57

[…] quasi insgeheim untergeschoben (ausgehend von den in der Vergangenheit vereinzelt vorgekommenen Fernlöschungen von urheberrechtswidrigem […]

Antworten

Hörtipp: eBooks und die “German Angst” beim Datenschutz » lesen.net 9. Oktober 2014 um 21:21

[…] Die 1984-Affäre, wo Amazon ein illegal angebotenes eBook aus den Nutzer-Bibliotheken löschte, hat international ein großes Echo verursacht. Aber nur in Deutschland ist dieser inzwischen mehr als fünf Jahre (!) alte Einzelfall noch dermaßen präsent. […]

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*