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Angetestet: Kindle-X-Ray-Dateien selbst gemacht

Auch wenn Amazons X-Ray-Funktion inzwischen in immer mehr Büchern zu finden ist, gibt es auf vielen Kindles eBooks, bei denen der Kontextdienst nicht aktiviert werden kann. Englischsprachige Nutzer arbeiten an einem Plugin für Calibre, um auch bei diesen Werken den Röntgenblick zu ermöglichen. Wir haben uns den Stand der Dinge angeschaut, um zu sehen, ob das Programm schon für den Endanwender bereit ist.

Manchmal nützlich, manchmal Spielerei. Amazons X-Ray auf dem iPad.

Manchmal nützlich, manchmal Spielerei. Amazons X-Ray, hier auf dem iPad.

Nicht für jedes Kindle-Buch gibt es X-Ray.  Gerade wer seine eBooks von anderen Quellen als Amazon auf das Gerät lädt – etwa vom Project Gutenberg oder Baen Books – muss ohne diese Funktion auskommen. Um das zu ändern, arbeiten Nutzer des US-Forums Mobileread schon seit mehr als zwei Jahren an einem Plugin für das eBook-Verwaltungsprogramm Calibre,  das die Buch-Dateien analysieren und mit Informationen aus Wikipedia und Amazons Shelfari-Dienst anreichern soll. Ein Blick lohnt sich im Moment allerdings nur für diejenigen, die wissen wollen, wie X-Ray hinter den Kulissen aussieht. Nützliche Ergebnisse sind Glückssache.

Weitreichende Einschränkungen

Zunächst einmal das Positive: Man muss sich keine Sorgen um seine eBook-Dateien machen. Die X-Ray-Informationen werden in einer separaten Datei abgelegt und vom Kindle nachgeladen, beziehungsweise von der  entsprechenden App. Das Plugin verändert also keine eBooks, sondern erzeugt nur eine zusätzliche Datei, die dann auf das Lesegerät geladen werden muss. Man sollte sich aber über einige Einschränkungen im Klaren sein:

  • Das Plugin muss die Inhalte des Buches analysieren können, darum kommen nur DRM-freie eBooks in Frage.
  • Für diese eBooks muss ein halbwegs vollständiger Eintrag bei Shelfari.com existieren, was praktisch nur bei englischsprachigen Werken der Fall ist.

Aufgrund dieser Einschränkungen war es gar nicht so leicht, ein sinnvolles eBook zum Testen zu finden. Die meisten gemeinfreien englischen Bücher sind bei Amazon inzwischen kostenlos als X-Ray-Version herunter zu laden. Schließlich entschieden wir uns für den SF-Roman "Little Brother" von Cory Doctorow, der auf der Homepage des Autoren legal als kostenloser Download angeboten wird, während die Kindle-Version bei Amazon erstens Geld kostet und zweitens kein X-Ray enthält.

Es scheint einfach zu sein…

Nicht elegant, aber funktional: Der Dialog für die Dateneingabe.

Nicht elegant, aber funktional: Der Dialog für die Dateneingabe.

Es gibt noch keine offizielle Download-URL für die Datei, da das Plugin sich noch in Entwicklung befindet. Die neueste Version, die wir finden konnten, kann hier heruntergeladen werden. Die Installation funktioniert so, wie man es von anderen Calibre-Plugins kennt: Das zip-Archiv wird nicht entpackt, sondern über "Einstellungen->Plugins-Plugin aus Datei laden" in das Programm eingebunden, danach kann der Nutzer auswählen, in welchen Werkzeugleisten Calibre es anzeigen soll.

Das Erzeugen der X-RayDatei ist dann recht simpel: Man wählt einen Titel aus und drückt auf den "XRay"-Button. Daraufhin muss man in einem Dialogfenster den Speicherort wählen sowie die passende Shelfari-URL des Titels (hier ist die entsprechende Adresse für "Little Brother") sowie optional die Adresse eines englischen Wikipedia-Eintrags zum Buch (in unserem Fall hier) eingeben.

Die fertige Datei mit der Endung .asc muss dann den in passenden Ordner ("<BUCHDATEINAME>.sdr") auf dem Kindle installiert werden. Auch iOS-Nutzer können von den X-Ray-Daten profitieren, indem sie ein Tool wie etwa iExplorer benutzen. Ein Jailbreak ist dazu nicht erforderlich. Bücher und persönliche Dokumente finden sich auf iPhone und iPad unter "Apps/Kindle/Library/eBooks", die asc-Datei muss in den Ordner  "Apps/Kindle/Library/ACX" kopiert werden.

…doch es wird kompliziert

Auf den ersten Blick also alles recht einfach: Per Knopfdruck eine X-Ray-Datei für den gewünschten Titel erstellen, diese auf den Kindle laden, fertig. Die Realität sieht anders aus.  Zunächst stellten wir fest, dass zumindest unser Gerät Probleme machte, wenn wir versuchten, Buch und X-Ray-Datei via USB zu laden. Nach vielem Herumexperimentieren fanden wir nur einen Weg, der überhaupt funktionierende X-Ray-Dateien erzeugte:

  1. Das gewünschte Buch als persönliches Dokument per Mail an Amazon schicken.
  2. Das entstandene Dokument vom Kindle herunterladen und in Calibre importieren.
  3. Das XRay-Plugin mit dem frisch importierten Exemplar benutzen.
  4. Die asc-Datei, wie oben beschrieben, an den korrekten Ort kopieren.
Die Fehlermeldungen sind selten hilfreich. Hier war eine falsche Wikipedia-URL die Ursache.

Die Fehlermeldungen sind selten hilfreich. Hier war eine falsche Wikipedia-URL die Ursache.

Doch selbst dieser umständliche Weg brachte bei vielen Büchern keinen gewünschten Erfolg. Mal wurden wir beim Erzeugen der X-Ray-Datei mit kryptischen Fehlermeldungen konfrontiert, sich sich zum Teil beheben ließen, indem wir das eBook noch einmal von Mobipocket zu Mobipocket "konvertierten". Andere Male erzeugte das Plugin zwar eine Datei, die Inhalte wurden jeoch in der Kindle-App nicht angezeigt. "Little Brother" war also nicht etwa das erste eBook, das wir gestetet haben – es war nur das erste, bei dem wir überhaupt ein halbwegs verwertbares Ergebnis bekamen.

Ernüchterndes Ergebnis

Xray-Ergebnis für zwei Figuren vor und nach dem manuellen Erstellen entsprechender Alias-Einträge.

X-Ray-Ergebnis für zwei Figuren vor und nach dem manuellen Erstellen entsprechender Alias-Einträge.

Doch selbst dieses Ergebnis war eher ernüchternd. So erkennt das Plugin Figuren etwa nur dann, wenn der volle Name so ausgeschrieben wird, wie er auf Shelfari steht. Dies macht gerade bei "Little Brother" Probleme, weil der entsprechende Eintrag auch den Leetspeak-Hacker-Aliasnamen des Protagonisten enthält ("Marcus Yallow (a.k.a. w1n5t0n/m1k3y)"). Diese Zeichenfolge kommt im Buch in dieser Form nicht vor, darum wird kein einziges Vorkommen des Hauptprotagonisten erkannt. Abhilfe schafft hier das manuelle Einrichten einer Alias-Datei im Format "<Shelfari-Name>|<Aliasname 1>,<Aliasname 2>…". Für Marcus Yallow sähe das zum Beispiel so aus:

Marcus Yallow (a.k.a. w1n5t0n/m1k3y)|w1n5t0n/m1k3y,w1n5t0n,Marcus

Danach erscheint zwar ein "X-Ray-Balken" für die Figur, doch inwieweit dieser wirklich akkurat ist, ist eine andere Frage. So ist X-Ray immer noch der Ansicht, dass die Nebenfiguren Ange und Darryl wichtiger sind als der Hauptprotagonist. Dazu könnte allerdings auch beitragen, dass auch jedes Vorkommen des Städtenamens "Los Angeles" als Nennung von Ange gewertet wird…

Fazit: Eine große Baustelle mit ungewisser Zukunft

Insgesamt ist das X-Ray-Plugin in dieser Form ein interessantes Experiment, aber noch lange nicht reif für den Endanwender.  Aus diesem Grund wird es bisher ja auch nur innerhalb des Mobileread-Forums diskutiert und nicht nach außen beworben. Allerdings ist es fraglich, ob das Plugin es je bis zur Marktreife schafft. Die korrekte Erkennung der Figurennamen und das Erstellen entsprechender Alias-Dateien ist beispielsweise ein Problem, das sich nur schwer automatisiert lösen lässt, obwohl ein Mobileread-Nutzer ein PHP-Skript geschrieben hat, das genau dies versucht.  Eine deutschsprachige Version des Plugins ist sowieso unmöglich, solange es kein lokales Pendant zu Shelfari gibt.

Für andere Probleme, wie etwa unsere vielen fehlgeschlagenen X-Ray-Erzeugungsversuche, ließe sich sicher leichter Abhilfe schaffen, aber das Projekt ist in den letzten Monaten nicht mehr sonderlich aktiv gewesen. Angefangen hat alles schon im Jahr 2011, kurz nach der Ersteinführung von X-Ray. Die letzte veröffentlichte Version des Plugins stammt vom Oktober 2013 und der Diskussions-Thread bei Mobileread ist im November 2013 mehr oder weniger eingeschlafen. Kein Wunder, schließlich wird X-Ray bei immer mehr Amazon-Titeln offiziell "nachgerüstet", der Anwendungsbereich für das Plugin schrumpft also stetig.

Wer Interesse an Technik mitbringt und selbst erzeugte eBooks mit X-Ray versehen möchte oder einfach mehr über die dahinterstehenden Dateiformate lernen möchte, kann sich mit dem Projekt auseinandersetzen. Allen anderen sei abgeraten. Der Frust beim vergeblichen Herumexperimentieren steht meist in keinem Verhältnis zum Nutzen, wenn es tatsächlich einmal funktioniert.

<Bildnachweis: x-ray hand on black background von Shutterstock>

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