Bewusstes Lesen: "Slow Reading" auf dem Vormarsch
Die Slow-Bewegung, die eine Entschleunigung des Lebens propagiert und längst in zahlreichen Lebensbereichen von Mode (Slow Fashion) bis Küche (Slow Food) Einzug erhalten hat, gewinnt auch im Publishing an Bedeutung. Den größten Beitrag müssen aber nicht Verlage leisten, sondern Leser.
Zum Verkaufsstart der Apple Watch wurde gerade wieder darüber diskutiert, ob Smart Watches zur Lektüre von eBooks geeignet seien oder Speed-Reading-Applikationen wie Spritz! zum endgültigen Durchbruch verhelfen könnten, die ihre Leser in extrem hoher Taktzahl durch eine Geschichte treiben. Unabhängig davon sind vernetzte Uhren und andere Wearables auch per se schon eine zusätzliche Beschleunigung des Alltages, ist die nächste Breaking-News-Überschrift doch nun nur noch einen Dreh des Handgelenks oder sogar nur einen Blick nach links oben (Datenbrillen) entfernt.
Breaking News mit drei Monaten Abstand
Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele, die sich für bewusst langsames und fokussiertes Lesen und ebensolche Inhalte einsetzen. So fordert das deutsche Slow Media Institut, das auf der re:publica gerade die Ergebnisse einer spannenden Studie vorstellte, von Medien eine perfektionistische, nachhaltige und zeitlose Berichterstattung anstatt der Jagd nach der nächsten Headline.
Den "Slow Publishing" Ansatz treibt das britische Magazin Delayed Gratification auf die Spitze, die der "Telegraph" gerade vorstellte (entdeckt von Inks, Bits, & Pixels). Das Print-Magazin befasst sich mit Ereignissen, die mindestens drei Monate in der Vergangenheit zurückliegen. Entsprechend anders fällt der Fokus aus, die Berichterstattung ist viel reflektierter und hintergründiger als bei typtischen Artikeln auf Websites und in Tageszeitungen.
Eine Frage der Lektüre
Auch ein Slow Books Manifest gibt es (natürlich) schon. Es fordert dazu auf, mindestens eine halbe Stunde täglich Literatur zu lesen, am besten zeitlose Klassiker.
Die meisten fiktionalen Bücher sind per se schon "slow" und zeitlos. Unterscheidungen gibt es allenfalls darin, ob eine Landschaft oder ein emotionaler Zustand vom Autor in einem Satz oder über drei Seiten beschrieben wird. Der eigentliche Unterschied zwischen Fast und Slow Reading liegt aber auf der Leserseite. Werden Bücher eher überflogen (oder gar nur Klappentexte oder Zusammenfassungen gelesen), oder schaltet man alle Ablenkungen um sich herum aus und investiert eine gewisse Zeit ausschließlich in die Lektüre eines Buches?
eBook Reader begünstigen Slow Reading
Lesen werden viele positive Einflüsse zugeschrieben. Um Stress abzubauen, muss allerdings ablenkungsfrei geschmökert werden. Das ist völlig unabhängig vom Endgerät. Bei einem multifunktionalen Gerät wie Tablet oder Smartphone sind Störungen aber naturgemäß wesentlich weniger weit entfernt als beim Lesen auf einem eBook Reader, der für eine andere Tätigkeit zumindest bewusst aus der Hand gelegt werden muss.
<Bildnachweis: Slow Reading von Shutterstock>
Kommentare
Schneller leben schneller sterben. | ©lz 24. Oktober 2015 um 14:58
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