Börsenverein: DRM brandmarkt Kunden als potenzielle Diebe
Auf der Jahrestagung der Publikumsverlage fand Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Branchenverbandes Börsenverein, am heutigen Donnerstag deutliche Worte gegen harten Kopierschutz. DRM brandmarke jeden Kunden als "potenziellen digitalen Dieb" und spiele einzig Amazon in die Hände. Außerdem sollten sich Verlage mehr für den Offline-Buchkauf einsetzen. Kunden, die nur online einkauften, seien Schuld an allerlei Übel.
Der Vorsteher des Börsenvereines, im Hauptberuf Geschäftsführer des Regionalfilialisten Osiander, betonte die Wichtigkeit einer kundenzentrierten Denke. Hier habe Amazon von Beginn an vieles richtig gemacht. statt nur auf den Online-Händler zu schimpfen und das Unternehmen schlechtzureden, müsse man selbst "ein überzeugendes, bequemes Angebot bieten" (trotzdem fordert der Börsenverein eine Regulierung von Amazon).
DRM spiegelt überkommenes Kundenbild wider
"Das größte Hindernis beim Vertrieb von eBooks" sieht Heinrich Riethmüller auf Verlagsseite verortet, und zwar im immer noch von vielen großen Verlagen verwandten harten Kopierschutz. Damit würden die Verlage Schützenhilfe für Amazon leisten. Harter Kopierschutz spiegele "das alte überkommene Kundenbild" wieder, "dass jeder ein potentieller digitaler Dieb ist".
Riethmüller zieht Parallelen zur Einführung der Selbstbedienung in Buchhandlungen. Damals sei die Angst grassiert, mit der Umstellung von Verkaufstheke auf Auslage würde "nur noch geklaut". Statt dessen habe sich der Umsatz vervielfacht, weil die Schwellenangst gesenkt worden sei.
Die Linie des Börsenverein ist nicht neu, seit vielen Jahren fordert der Branchenverband Verlage zur kopierschutzfreien Auslieferung auf. Ein so deutlicher Appell der Verbandsspitze, zumal an dieser Stelle (vor der versammelten deutscher Verlegerschaft) ist aber schon bemerkenswert und illustriert, dass der Verband die Zeichen der Zeit erkannt hat.
Weiterhin forderte Riethmüller die Verlage zur Unterstützung des neuen Börsenverein-Verkaufsplatzes buchhandel.de auf, wo Kunden ihre Bücher und eBooks unter Beteiligung unabhängiger Buchhändler online bestellen könnten. In den kommenden Tagen würden sämtliche Verlage postalisch aufgefordert (!), buchhandel.de exklusiv (!!) in den eigentlichen Online-Auftritt einzubinden. Das wird man unter anderem bei Libri interessiert zur Kenntnis nehmen, das mit Mybookshop eine Plattform mit exakt der gleichen Ausrichtung betreibt (die etwa bei Bastei Luebbe verlinkt ist).
Online-Käufer Schuld an allerhand
Lesefreunde sollen nach dem Willen des Börsenvereines bei buchhandel.de einkaufen, am liebsten aber überhaupt nicht online. Wer nur im Netz einkaufe, trage laut Verbandschef Riethmüller dazu bei,
- qualifizierte Arbeitsplätze abzubauen
- die Innenstädte ausbluten zu lassen
- die Umwelt zu verschmutzen
- den digitalen Kapitalismus zu unterstützen
Die Zeiten ändern sich, möchte man meinen – vor 60 Jahren wäre Online-Shoppern vermutlich vorgeworfen worden, den digitalen Kommunismus zu unterstützen. Auch sonst sind die Vorwürfe schräg (man betrachte das Gehaltsniveau der "qualifizierten Arbeitsplätze" im stationären Buchhandel – viele Logistikmitarbeiter bei Amazon verdienen mehr als ausgebildete Buchhändler) bis haltlos (WDR: Amazon-Bestellung umweltschonender als Stadtkauf), und so wirklich passen sie auch nicht zur Forderung der Kundenzentrierung. Hier spiegelt sich nicht zuletzt wider, dass der Börsenverein Vertreter zahlreicher verschiedener Gruppen ist, deren Interessen bisweilen entgegensetzt zueinander stehen.
<Bildnachweis: Buchladen, Klimawandel, Lock von Shutterstock>
Kommentare
DRM bremst Ebook-Absatz – | Kindle-Tipps.de 18. Januar 2015 um 15:03
[…] DRM brandmarke jeden Kunden als “potenziellen digitalen Dieb” und spiele einzig Amazon in die Hände. Außerdem sollten sich Verlage mehr für den Offline-Buchkauf einsetzen. Kunden, die nur online einkauften, seien Schuld an allerlei Übel. Quelle und mehr bei Lesen.net. […]
Hartes DRM: Buchhändler wollen “Beratungsgebühren” von Verlagen » lesen.net 29. Januar 2015 um 14:55
[…] mit Adobe DRM bekannt. Osiander-Chef (und Börsenverein-Vorsteher) Heinrich Riethmüller stieß jüngst in ein komplett anderes Horn – hier scheint sich ein Problembewusstsein entwickelt zu […]
Dumont sagt Adobe-Kopierschutz adè » lesen.net 11. März 2015 um 10:45
[…] gerade von Händlern, die sich mit hilfsbedürftigen Kunden haben und wo inzwischen laut darüber nachgedacht wird, die Support-Kosten an die Verlage […]