Börsenverein fordert 7% MwSt. auf eBooks
Die Mühlen des Börsenvereins mahlen langsam, aber sie mahlen: Ein halbes Jahr nach einer aus der französischen Verlegerlandschaft initiierten EU-weiten Petition für eine verminderte Mehrwertsteuer auf eBooks und einer entsprechenden Gesetzesanpassung in Spanien fordert der hiesige Lobbyverband der Buchbranche heute erstmals eine trägermedienunabhängige Besteuerung. Die Franfurter tragen ihr Anliegen durchaus nachdrücklich vor, erwischen dafür aber einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Im sogenannten Politikbrief (.pdf) möchte der Börsenverein die Belange der von ihm repräsentierten Buchbranche gegenüber Politik, Medien sowie Wirtschaft artikulieren. Themen des ersten Briefs 2010 und der 2. Ausgabe überhaupt (nach November 2009) sind der eBook Markt im Allgemeinen und seine Entwicklung vor dem Hintergrund von iPad, Piracy und der Mehrwertsteuer im Besonderen sowie (Aus)bildungsfragen.
Wie gewohnt schwangt der Ton hier zwischen Ausmalung drastischer Schreckensszenarien ("Piraterie [könnte]noch viel mehr kosten: Den Anschluss Deutschlands an die internationale Wissensgesellschaft") und sich daraus ergebener einschlägiger Law and Order Forderungen (vgl. dazu Netzpolitik) sowie der Feststellung, eBooks böten für alle Branchenparteien "neue Geschäftsfelder und große Chancen."
Dabei überhöhten die Briefverfasser den bisherigen Umsatz im iBookstore zwar wohl mindestens um den Faktor 10 (weil Apple 1,5 Millionen eBook-Downloads – nicht Verkäufe – vermeldete, wovon erfahrungsgemäß 90%+ auf die mehreren zehntausend kostenlosen Titel entfielen), konnten die insbesondere in Nordamerika exponentiell wachsende Bedeutung digitaler Literatur aber auch mit validen Zahlen untermauern. Neu ist, dass der Börsenverein dazu (abseits vom Thema Buchpreisung) konkrete Forderungen an die Politik ableitet.
So wird argumentiert, die unterschiedliche Besteuerung von gedruckten (7%) und digitalen (19%) Büchern sei "sachlich nicht begründbar. Zudem wird sie den Chancen nicht gerecht, die die Digitalisierung und elektronische Verbreitung von Inhalten für die gesellschaftliche Teilhabe an kultureller Bildung haben." Daraus ergibt sich eine erstaunlich klar formulierte Anfrage:
Die Buchbranche appelliert deshalb an die Politik, den reduzierten Mehrwertsteuersatz zum erleichterten Erwerb von Bildung und Wissen nicht– wie bislang – auf das traditionelle Medium des Buches zu beschränken,sondern auf seine digitalen Träger auszuweiten.
Nachdem deutsche Zeitschriftenverleger bereits vor drei Wochen eine Anpassung forderten, verleiht der Börsenverein dem Anliegen mit seinem Politikbrief nun ein größeres Gewicht – löblich. Doch obwohl man sich in der Verlagsbranche durchaus optimistisch gibt, sind wohl zumindest die kurzfristigen Realisierungschancen sehr überschaubar. Das Timing der Forderung könnte kaum schlechter sein: Ausgerechnet am Tag der Vorstellung des größten Sparpakets in der bundesdeutschen Geschichte eine Steuersenkung zu fordern, hat wenig Aussichten auf Erfolg.
Auch wenn die realen Mehraufwendungen der steuerlichen Gleichstellung gegenwärtig aufgrund des kleinen Marktvolumens gegen Null tendieren würden und der langfristige finanzielle Nutzen umso größer wäre: In Zeiten harter Einschnitte für viele Bevölkerungsgruppen sind Steuersenkungen egal welcher Natur kaum vermittelbar. Hier ist der Börsenverein schlicht viel zu spät dran: Als sich etwa die Hotellobby Mitte 2009 längst für eine ermäßigte Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen einsetzte (und sich heute über schöne Mehreinnahmen freuen kann), erweckte der Börsenverein noch den Eindruck, eBooks am liebsten verbieten lassen zu wollen. Dabei war der Siegeszug digitaler Literatur schon damals absehbar.
Kommentare
Großer Hirsch 8. Juni 2010 um 10:46
Wodurch erweckte der Börsenverein denn Mitte 2009 noch den Eindruck, eBooks am liebsten verbieten lassen zu wollen? Mir ist diesbezüglich nichts aufgefallen.
Johannes 8. Juni 2010 um 13:11
@Großer Hirsch War selbst nicht auf den Buchtagen 2009, aber die Berichterstattung über den Tenor der Vorträge gerade vom Börsenverein/Böbla war schon sehr einseitig digitale Literatur als Bedrohung skizzierend. Dazu passt die Keynote von Neumann, der ja offen seine Unterstützung bei der (offenbar auch in seinen Augen vom Börsenverein angestrebten) Bremsung des eBook-Booms signalisierte; vgl. Link oben.
Ciao
Johannes
Großer Hirsch 8. Juni 2010 um 13:45
@Johannes Die Erklärung vermag mich nicht zu überzeugen (vielleicht deshalb, weil ich selbst auf den Buchtagen war und deshalb nicht aus Berichte und Vermutungen aus zweiter Hand angewiesen bin). Was hat die Rede von Herrn Neumann, die sich mit der Notwendigkeit einer Preisbindung auch für elektronische Bücher befasste, mit einer vermeintlich abwehrenden Haltung des Börsenvereins gegenüber eBooks zu tun? Was, wenn in Wirklichkeit Minister ihre eigene Meinung äußern, statt Verbänden nach dem Mund zu reden – und was, wenn sich Verlage vom Börsenverein als ihrem Verband vretreten sehen wollen, die Mitte 2009 schon 30.000 eBooks im Angebot hatten?
Johannes 8. Juni 2010 um 14:22
@Großer Hirsch Neumann forderte nicht eine interne Preisbindung für eBooks, sondern eine preisliche Gleichstellung von Print und Digital mit der klar formulierten Intension, eBooks dadurch auszubremsen. Wie steht ihr eigentlich dazu? http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/976/Preisbindung_von_E-Books_Stellungnahme_des_Vorstands.pdf gibt dazu keine klare Auskunft; Bastei Lübbe zB hat ja gerade erst publik gemacht, eBooks generell 20% unter Print zu bepreisen – ist das jetzt Grund zur Klage für euch?
Und: Wenn eBooks doch schon in ’09 ein nachhaltig förderungswürdiges Thema waren – warum erst jetzt eine klare Forderung zur ermäßigten Besteuerung? Simple as that.
Ciao
Johanne
Großer Hirsch 9. Juni 2010 um 10:18
@Johannes Die Forderung hat der Börsenverein schon mehrfach erhoben, u.a. vor einigen Jahren durch Unterzeichnung einer entsprechenden Erklärung der sog. Frankfurt Group, der der Börsenverein und viele große internationale Bibliotheken angehören. Und dass Verlage bei der Preisbildung für eBooks vollständig frei und nicht an die Printpreise gekoppelt sind, ist eine Erkenntnis, die nun wirklich zur Ursuppe der Preisbindung gehört (ständige Auskunftspraxis des Börsenvereins seit anno dunnemals). Die Wirklichkeit hinsichtlich des Börsenvereins ist eben nicht immer so, wie man sie sich vorurteilsgemäß gerne vorstellen möchte.
Daniel 16. Juni 2010 um 11:53
Die Erfahrung zeigt, was immer der Börsenverein möchte, das Gegenteil wird passieren… schade, 7% wären echt schön….
Buchmesse 2010 eBook Roundup » Debatte » lesen.net 10. Oktober 2010 um 23:02
[…] anzuwenden. Der Lobby-Verband der Buchbranche ging daraufhin in die Offensive, erneuerte seine Forderung nach einer Angleichung nach unten – digitale sollten wie gedruckte Bücher mit 7% besteuert […]