Branchen-Angebot buchhandel.de auf der Kippe
400.000 Euro Verlust pro Jahr, minimale Umsätze trotz vielversprechender Kooperationen: Die Branchen-Verkaufsplattform buchhandel.de steht vor dem Aus. Zum Jahresende soll der Stecker gezogen werden, wenn sich nicht genug Buchhandlungen finanziell beteiligen. Immerhin: Es gibt Alternativen.
Zur Frankfurter Buchmesse 2014 relaunchte der Lobbyverband Börsenverein buchhandel.de mit dem ehrgeizigen Anspruch, der gemeinsame Online-Shop aller unabhängigen Buchhandlungen in Deutschland zu sein. Bei der Bestellung von gedruckter wie digitaler Literatur können Lesefreunde ihre Buchhandlung vor Ort auswählen, der dann die Bestellung und die daraus resultierenden Umsätze zugeordnet werden.
Schon zum Start vor knapp zwei Jahren berichteten wir über eine katastrophale Suchfunktion . Diese für jeden Online-Shop fundamentale Funktion ist nach wie vor äußerst ungenügend implementiert; genannt seien ein sehr schlechter Relevanz-Algorithmus sowie die komplette Abstinenz von Grundfunktionen wie Live-Preview und Tippfehler-Toleranzen.
Auch der eigentliche Bestellprozess ist viel zu kompliziert, was zu zahlreichen unnötigen Ausstiegen führt. Eindrucksvoll belegt das eine Statistik: Die buchhandel.de-Links in der Bestsellerliste bei Spiegel Online, wurden in den letzten 14 Monaten immerhin 22.000 geklickt, wie der Verlag dem Börsenverein im Vorfeld einer am gestrigen Donnerstag ausgerichteten Verbandstagung mitteilte. Diese Klicks resultierten allerdings in gerade einmal 41 Bestellungen – ein so mieser Wert, dass Spiegel Online den Buchhandel.de Button bald entfernt und statt dessen neben Amazon auf Thalia linkt.
18.000 Euro Einnahmen, 400.000 Euro Verlust
Auch sonst ist es um buchhandel.de nicht gut bestellt. Gegenwärtig beschert die Plattform dem Verband jährlich 400.000 Euro Verlust, wie auf der Verbandstagung publik wurde. Laufenden Kosten für Infrastruktur und Personal standen vermittelte Umsätze von lediglich rund 600.000 Euro gegenüber, was bei 3 Prozent Provision für buchhandel.de realen Einnahmen von gerade einmal 18.000 Euro entspricht. Pro Jahr, wohlgemerkt.
Börsenvereins-Vorsteher Heinrich Riethmüller, als Geschäftsführer des Lokalfilialisten Osiander hier durchaus ein Mann vom Fach, will nun die Notbremse ziehen. Wenn sich nicht mindestens 75 Prozent der beteiligten Buchhandlungen auf deutlich schlechtere Konditionen (10 statt 3 Prozent Provision, ein monatlicher Fix-Beitrag) einlassen und zum Jahresende insgesamt nicht mindestens 1.000 Buchhandlungen dabei sind, wird der Stecker gezogen. Angesichts der bisherigen Umsätze nahe oder gleich Null für die beteiligten Buchhandlungen ist eine solche Quote sehr unwahrscheinlich, zumal der Börsenverein bereits ankündigte, bis auf weiteres keine Investitionen in das Portal mehr zu tätigen (sprich: schlechtem Geld gutes nachzuwerfen).
Nach Libreka steht damit auch das zweite Prestige-Projekt des Börsenverein im Endkundenbereich vor dem Aus. Der Flurschaden ist derweil überschaubar, Buchhandlungen haben eine Vielzahl von Alternativen für den Online-Verkauf von Büchern. Dazu zählen Großhändler wie Libri, über die unabhängige Buchhandlungen auch Tolino-Lesegeräte vertreiben können, ebenso wie das Gemeinschaftsprojekt Genialokal der Buchhandelsgenossenschaft eBuch.
Kommentare
Social Reading: Aus log.os wird Mojoreads » lesen.net 8. August 2017 um 13:31
[…] allein wegen emotionalen Argumenten a la buy local / made in germany nutzt, illustrierte zuletzt die Abschaltung des funktional halbgaren Branchen-Projekts buchhandel.de als eigenständiger […]