Bret Easton Ellis: iPad regt zum Lesen an
Digitale Literatur hat einen weiteren prominenten Fürsprecher aus der Autorenecke: Bret Easton Ellis – hierzulande wohl am ehesten bekannt durch seinen erfolgreich verfilmten Kultroman American Psycho – betrachtet die entstehenden neuen Buch- und Leseformen als kulturelle Bereicherung. Erste positive Veränderungen kann er bereits in seinem Bekanntenkreis ausmachen.
So habe Ellis einen Freund, der auf seinem neuen iPad viel mehr liest als in den (analogen) Monaten zuvor – ein Umstand, der unter anderem auch bei zahlreichen Kindle-Nutzern feststellbar ist. Der einfache und direkte Zugang zum Buch scheint tatsächlich zum vermehrten Literaturkonsum zu "verführen".
Aus seiner Sicht als Autor sei der 'digital shift' auf jeden Fall zu begrüßen, so Ellis: eBooks kosteten zwar weniger als gedruckte Literatur; durch den Wegfall bzw. die Reduzierung vieler Kostenstellen (Lagerung, physische Auslieferung) kommt beim Autoren in Summe trotzdem gutes Geld an. Der Meinung seiner Kollegin Sandra Brown, die im gegenwärtigen eBook Pricing den Wert der künstlerischen Arbeit nicht wiedergespiegelt sieht, folgt Ellis nicht.
Der kalifornische Schriftsteller ging im Gespräch mit dem Branchenmagazin Galleycat auf einen weiteren Aspekt ein, dem gerade aus Autorensicht bislang erstaunlich wenig Beachtung geschenkt wurde: Der Frage nach erzählerischen und struktururellen Veränderungen in digitalen Büchern.
So wirkten Bücher in physischer Form deutlich länger und schwerer erschließbar als im 'Computerzeitalter'. Schon heute hätten iPad-Leser zudem die Möglichkeit, sich unverändliche Begriffe mit einem Klick im iBooks-Lexikon nachschlagen zu lassen (anstatt auf eine Erklärung des Autors 'zu warten') – der Beginn einer Entwicklung, der Ellis eher mit positiver Spannung als fürchtend entgegen sieht.
Nutzungsverhalten und -erwartungen hätten sich schon heute dahingehend gewandelt, dass visuelle Illustrationen des Geschehens eingefordert würden. Als Leser müsste man bei einem "Buch voller Wörter" (zu)viel Geduld mitbringen, sich zudem auf die vorgefertigen Charaktere und Situationen des Autores einlassen. Aber: "Wir leben in einer Zeit, in der wir mehr sehen wollen." Das Aufkommen neuer Buchformen findet Ellis "unglaublich aufregend"; möglicherweise könnten digitale Bücher sogar seinen"Glauben an Fiction wiederherstellen", die er aktuell als größtenteils langweilig empfindet.
Die Erfahrung der "ultimativen Virtual Reality Show" im Kopf eines Lesers habe dagegen im Zuge der gesellschaftlichen Technisierung an Bedeutung verloren – ein Umstand, den Ellis (anders als vermutlich die meisten seiner Kollegen) recht pragmatisch sieht. Unterm Strich vertritt der Schriftsteller eine recht radikale Position: Statt einem Nebeneinander von 'Kopfkino' und multimedialem Bucherlebnis erwartet Ellis zumindest mittelfristig (er selbst rechnet sich noch der "alten Welt" zu, liest Papierbücher) einen Verdränungsprozess, an dessem Ende sich 'klassische' Belletristik allenfalls in einer Nische wiederfinden wird.
<via ebooknewser>
Kommentare
Rowohlt: Enhanced eBooks zur Buchmesse » Topnews » lesen.net 17. September 2010 um 09:51
[…] zu werden, wie sie der Schriftsteller Bret Easton Ellis (American Psycho) für enhanced eBooks gerade erst anregte. Im Bezug auf die Idee zur iPadisierung von Strohfeuer stapelt Sascha Lobo allerdings noch (etwas) […]
Triviales E-Book und intellektuelles Buch: Alte Vorurteile in neuen Schläuchen » lesen.net 15. August 2014 um 15:06
[…] ein oder anderen dann tatsächlich dazu bringen, mal wieder ein Buch aufzuschlagen oder anzuschalten. Und als Leser sind wir ja doch irgendwie überzeugt, dass das besser ist als […]