Die CDU und das E-Book – Populismus mit wenig dahinter
Volker Kauder, Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, äußerte sich in einem Gastbeitrag zum digitalen Wandel im Allgemeinen und zum E-Book-Komplex im Besonderen. Mehr als populistische Thesen und eine erschreckende Ahnungslosigkeit sprang dabei aber nicht raus.
In einem Artikel in der gestrigen Welt am Sonntag jonglierte Kauder munter mit den aktuellen Branchenthemen – offenbar, ohne sich vorher wirklich damit beschäftigt zu haben. Seine Thesen im einzelnen
- Kauder beklagt den Verfall des stationären Buchhandels – vor allem, weil damit Literatur an gesellschaftlichem Stellenwert einbüßen würde. „Das Buch muss eine Zukunft haben", sagt Kauder – meint ganz offensichtlich aber das gedruckte Buch im erodierenden stationären Buchhandel. Warum Worte auf bedrucktem Papier eine größere gesellschaftliche Bedeutung haben als dieselben Worte auf einem digitalen Lesegerät, hat noch kein Vertreter dieser Argumentationslinie wirklich ausgeführt.
- „Von den Verlagen und den Buchhändlern, aber auch den Autoren erreichen uns in letzter Zeit zunehmend besorgte Äußerungen. Immer mehr Leser nutzen das E-Book." Dass Autoren die eigentlichen Gewinner des E-Book sind, ist praktisch Konsens in der Branche. Vor allem Jungautoren, deren zunehmende Chancenlosigkeit Kauder im Zusammenhang mit der Buchpreisbindung gesondert beklagt, profitieren enorm vom neuen Medium und dem damit einhergehenden Self-Publishing-Boom – ein Blick auf die ersten Plätze der Bestsellerliste 2012 genügt.
- als Argument für die Buchpreisbindung führt Kauder gefährdete Verlags-Profite auf. „Wäre etwa der Preis für einen Bestseller frei verhandelbar, würden sicher dessen Preise zurückgehen – und damit letztlich auch die Erlöse der Verlag" – die hier aufgestellte Kausalität gibt es schlicht nicht (zumindest direkt), auch in Ländern ohne Buchpreisbindung wie den USA bekommen die Verlage einen fixen Preis pro verkauftem Buch/E-Book, unabhängig vom tatsächlichen Verkaufspreis (das Wholesale Model ist hier recht anschaulich erklärt). Daneben steht natürlich noch die Frage, ob es Aufgabe der Politik ist, sprudelnde Verlags-Gewinne sicherzustellen – erst recht in Self-Publishing-Zeiten.
- passend zum aktuellen Amazon-Bashing mahnt Kauder, „ein großer Online-Händler" wolle offenbar die Buchpreisbindung bei E-Books unterlaufen (man habe „Berichte" gehört) – „dies muss verhindert werden". Abseits von „Berichten" sind es momentan vor allem die Großverlage, die die Buchpreisbindung ganz real aushöhlen. Skoobe, ein Gemeinschaftsprojekt von Random House und Holtzbrinck, offeriert eine E-Book-Flatrate zum monatlichen Fixpreis. Das lässt sich noch buchpreisbindungskonform biegen, weil die E-Books eben nur ausgeliehen und nicht gekauft werden – im Leserempfinden wird die Preisbindung damit aber mehr ad absurdum geführt als durch jegliches bisheriges Bemühen von Amazon.
- trauriger Höhepunkt von Kauders Beitrag: Eine verminderte Mehrwertsteuer auf E-Books lehnt er ab – weil „diese Reduzierung langfristig die öffentlichen Haushalte nicht unerheblich belasten" würde. Wie man einerseits in 855 Worten ein flammendes Plädoyer für die gesellschaftliche Wichtigkeit des Buches halten kann, gleichzeitig aber eine wesentliche Maßnahme ablehnt, mit der der gesamten Buchindustrie wirklich geholfen wäre – Kauder macht es vor.
Ende April will sich die von Kauder geführte CDU/CSU-Bundestagsfraktion „auf einer eigenen Veranstaltung dem Thema zuwenden", kündigt der Autor an. Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl muss befürchtet werden, dass in den nächsten Monaten noch einige solcher „Debattenbeiträge" auf uns zukommen werden – gerne auch garniert mit Warnungen, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein, natürlich nebst entsprechenden Handlungsempfehlungen.
Kommentare
harlekin 25. Februar 2013 um 18:31
Wir von der CDU/CSU setzen uns dafür ein, dass für den Konsumenten kein Markt entsteht, und sich unsere Verlage noch so lange wie möglich den Effekten der Digitalisierung verweigern können.
Zudem bekennen wir uns dazu dass der Kunde keinen der Vorteile der Digitalisierung genießen darf, da das in aktuellen Modellen Arbeitsplätze kostet, sagen uns die Lobbyisten.
Und Google soll gefälligst dafür zahlen, dass sie Inhalte anderer Leute einer höheren Zirkulation zuführen und ihnen Werbeeinnahmen bescheren.
Wir von der CDU/CSU verstehen die Zukunft und die Anliegen der Menschen. Seit 1922.
Wer von Lobbyisten abschreibt sollte seinen ihm antrainierten Standpunkt nicht zu öffentlich in die Presse halten, da könnte noch jemand ihn lesen und intelligent genug sein zu verstehen was gemeint ist.
Aktuelle Verlagsstrukturen sind kein Zukunftsmarkt. Und was die Buchpreisbindung betrifft, die ist nur die Ausrede für aktuelle Pricing Strukturen. Dass die Buchpreisbindung an den Papierbuchpreis geknüpft ist, ist die Konsumentefalle über die keiner reden möchte.
harlekin 25. Februar 2013 um 18:34
Populismus ist das übrigens nicht, sondern Klientellprotektionismus der oberen 10.000. Ich meine, nicht dass es ihnen selbst einfallen würde – die sagen ja nur Messages nach die für sie aus Industriekreisen ausgearbeitet und bei Mittagessen übergeben wurden. Wählt Kauder.
Juergen 25. Februar 2013 um 18:53
Ich wette, dass seine Vorzimmer-Dame noch E-Mails ausdruckt.
Sprüche von Leuten von Gestern. Ignorieren und selbst aktiv machen und nicht labern
paradoxus 25. Februar 2013 um 21:07
Danke für die Zusammenfassung!
Was erschreckt mehr: Der Gedanke an eine nicht vorhandene intellektuelle Qualität von Kauders Mitarbeitern (denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass VK Zeit hat, derartige Randthemen, aus Sicht eine Fraktionschefs, selbst zu recherchieren, zu bearbeiteten, zu formulieren)? Oder vielleicht der Gedanke, dass die Mitarbeiter ja gar nicht so blöde sind, sondern (im fleissigen Lobbydienste der Großverlage und Branchenverbände) einfach die Bevölkerung für so blöde halten, diese Argumentation zu schlucken. Na ja, zumindest die Kernklientel der CDU (Post 50, ländlich, männlich, katholisch ;-) wird das schlucken, fürchte ich.
Oliver 26. Februar 2013 um 08:36
"weil die E-Books eben nur ausgeliehen und nicht gekauft werden"
Auch ein E-Book, welches ich bei Amazon "kaufe", kaufe ich nicht in dem Sinne, in dem ich ein gedrucktes Buch kaufe. Stattdessen erwerbe ich ein Nutzungsrecht, welches mir jederzeit wieder entzogen werden kann. Hier mit der Buchpreisbindung zu argumentieren ist absurd. Solange ich ein E-Book nicht kaufen kann wie ein gedrucktes Buch, darf es auch nicht so viel wie ein gedrucktes Buch kosten. Es ist an den Shops und Verlagen, diese Situation zu ändern. Momentan wird man als E-Book-Käufer jedenfalls nur verarscht (und ja, ich lese dennoch fast alles auf dem Kindle, wegen: Praktisch).
Stefan 26. Februar 2013 um 09:37
Die Auslassungen des Herrn Kauder lassen eine erschreckende Klientelpolitik erkennen, die sich zudem selbst inhaltlich widerspricht. Wer immer ihm die Reden schreibt, sollte vielleicht mal auf seine Realitätskompatibilität überprüft werden. Dass solcher Unsinn nach wie vor von Politikern verbreitet wird, zeigt, dass denen die Realitäten im Netz entweder völlig egal sind, oder sie ignoriert werden. Denn diese Lobbypolitiker für dumm zu halten, ist ein gefährlicher Irrtum.
Sicher wird es dem Buchhandel an den Kragen gehen, das ist ein durch technische Entwicklungen ausgelöster (Medien)Wandel, so etwas hat auch schon andere Branchen getroffen, oder sieht noch jemand viele Fachgeschäfte für Musikkonserven abseits der Discounter? Oder Kutscher?
Allerdings ist er wenigstens ehrlich, wass die MWSt auf eBooks angeht: da will der Staat einfach die Kohle abgreifen, eine inhaltlich nachvollziehbare Begründung dafür, warum ein Buch in Totholz-Form ein fördernswertes Gut ist, in eBook-Form aber nicht, hat nämlich noch niemand geliefert. Wie auch …
Leander Wattig 8. März 2013 um 03:13
Die Überschrift ist aber auch etwas populistisch. Selbst ein Kauder ist nicht mit der CDU gleichzusetzen. :)
CDU/CSU lädt zu E-Book-Konkress » Debatte, eBooks » lesen.net 28. März 2013 um 13:24
[…] Einzig fehlt beim Blick auf Ablaufplan und Personalia der Glaube daran, dass unter dem Strich mehr stehen wird als die ewig gleichen Rufe nach […]