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DRM: Nirgends so viele Bestseller kopierschutzfrei wie bei Amazon

Kopierschutz oder kein Kopierschutz, das ist für Lesefreunde häufig die Frage. Sie stellt sich vor allem im besonders geschlossenen Kindle-Kosmos, aber gerade dort ist die Auszeichnung des Kopierschutzes sehr nebulös oder fehlt vollends. Dabei sind bei Amazon sogar zahlreiche Verlagstitel kopierschutzfrei, die anderswo "geschützt" sind.

Einer der am meisten verbreiteten E-Reading-Irrglauben besagt: Wer eBooks bei Amazon kauft, kann diese nur mit Endgeräten und Lese-Apps des Händlers schmökern. Tatsächlich trifft das nur auf einen Teil der mehr als 4,5 Millionen Titel im Kindle Store zu. Zahlreiche verkauften Dateien sind "ab Werk" kopierschutzfrei und können mittels Tools wie Calibre legal ins epub-Format konvertiert und anschließend etwa auch auf einem Tolino geschmökert werden.

Kopierschutzfrei: Aktuelle Nr. 1 der Kindle Charts

Kopierschutzfrei: Aktuelle Nr. 1 der Kindle Charts

Wie viele eBooks bei Amazon kopierschutzfrei sind, ist von außen nicht zu beurteilen. Denn nur bei Indie-Titeln ohne Kopierschutz gibt es einen – nebulösen – Hinweis in den Produktinformationen. Die Auszeichnung "Gleichzeitige Verwendung von Geräten: Keine Einschränkung" bei über KDP veröffentlichten Titeln bedeutet "kopierschutzfrei". Bei Verlagstiteln fehlt eine solche Kennzeichnung komplett.

16 von 50 Kindle Books ohne Kopierschutz

Das Computermagazin c’t wollte es genauer wissen und hat sich für einen Artikel zum Status Quo in Sachen eBook DRM in seiner aktuelle Ausgabe den Kopierschutz bei einem Set von 50 aktuellen und ehemaligen Bestsellern angesehen. Neben Amazon standen auch die Stores der Tolino-Allianz, der Plattform-Betreiber Kobo sowie der unabhängige Händler Ciando auf dem Prüfstand.

Das durchaus überraschende Ergebnis: In keinem eBook Store sind so viele Bestseller kopierschutzfrei wie bei Amazon. Immerhin 16 Prozent der überprüften Titel (sprich: 8 der 50 eBooks) können problemlos bearbeitet und konvertiert werden. Bei Tolino sind 14 Prozent der Titel kopierschutzfrei, bei Ciando 12 Prozent und bei Kobo sogar nur 6 Prozent.

Kopierschutz von 50 ausgewählten eBooks

Kopierschutz von 50 ausgewählten eBooks in % (Quelle: c’t)

Der Grund dafür ist profan: Amazon offeriert kein "weiches" DRM, sprich Wasserzeichen. Verlage haben beim Anbieter nur die Möglichkeit, ihre eBooks mit dem Amazon-Kopierschutz zu belegen oder komplett kopierschutzfrei auszuliefern. Und der Bonnier-Konzern hat sich mit seinen verkaufsstarken Imprints wie Carlsen, Ullstein, Piper & Co. für einen kopierschutzfreien Verkauf bei Amazon entschieden, während bei Tolino und Ciando mit Wasserzeichen ausgeliefert wird und bei Kobo sogar Adobe DRM zum Einsatz kommt.

Tolino-Wasserzeichen immer noch zu unsicher

Bei den Tolino-Alliierten, sprich Thalia, Weltbild, Hugendubel & Co., sind wesentlich mehr epub-Dateien hart verschlüsselt als bei Ciando. Wie berichtet ist vielen Verlagen, darunter dem Holtzbrinck-Konzern (Knaur, Rowohlt, S. Fischer, …), das von Tolino Media entwickelte Wasserzeichen zu unsicher. c’t-Redakteur Achim Barczok hat sich den Kopierschutz genauer angesehen: Offensichtlich besteht er nur aus einer zusätzlichen Lizenzdatei im epub-Container, die einfach herausgelöscht werden kann.

Bildschirmfoto 2016-04-08 um 11.56.30Beim vom Auslieferer KNV, an den Ciando angebunden ist, eingesetzten Wasserzeichen gibt es hingegen unsichtbare div-Elemente in jedem Kapitel sowie möglicherweise auch Kodierungen in Dateinamen und Bildern. Holtzbrinck reicht das offensichtlich: Die Romane von Jojo Moyes & Co sind bei Ciando nur weich geschützt, bei Tolino und auch bei Kobo hingegen mit dem ungeliebten Adobe DRM versehen.

Verlage wie Aufbau und Bastei Lübbe liefern ihre Titel komplett ohne Kopierschutz aus, auch bei Amazon. Marktführer Random House (Bertelsmann) hält hingegen auch ein halbes Jahr nach der öffentlichen Abkehr von hartem DRM an ebendiesem fest. Ein Random-House-Sprecher erklärte uns vor zwei Monaten zu dieser Hängepartie, man sei "in engem Austausch mit unseren Handelspartnern bezüglich der technischen Umsetzung und des Timings". Passiert ist seither zumindest nichts sichtbares.

Verlage schaden Tolino-Allianz

Vom DRM-Chaos hinter den Kulissen bekommt der Großteil der Digital-Leser nichts mit. Denn der harte Kopierschutz wird erst bei einem Verlassen des Ökosystem zu einem wirklichen Problem – oder bei einem Wunsch nach Anpassungen von Formatierungen, was aber nur auf einen verschwindend geringen Teil der Käufer zutrifft. Unabhängig davon, dass das harte Adobe DRM längst geknackt ist und für willige Profi-Leser kein wirkliches Hindernis darstellt.

Nichts desto trotz würden die Verlage sich, der Kundschaft und nicht zuletzt auch der Tolino-Allianz mit einem Umstieg zumindest auf weiches DRM einen Gefallen tun. "Die tolino Produkte verschaffen Ihnen größtmögliche Flexibilität beim Lesen, Verwalten und Kaufen Ihrer eBooks", heißt es im Tolino-Lager. Mit Blick auf den DRM-Status muss man dahinter aktuell doch ein dickes Fragezeichen setzen.

<Bildnachweis: DRM von Shutterstock>

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