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eBook Markt kippt: Der Kater nach der Party

Nach Jahren des steilen Wachstums des eBook-Marktes vor allem im angloamerikanischen Raum ist die Goldgräberstimmung vorbei. Viele Online-Händler verzeichnen stagnierende oder sogar sinkende Umsätze. Vor allem für neue Autoren wird es von Tag zu Tag schwieriger, Leser zu finden und von sich zu überzeugen. Die Verteilungskämpfe stehen erst am Anfang, Digital-Leser profitieren – noch.

"Die Zeit des exponentiellen Umsatzwachstums ist vorbei", bilanzierte Mark Coker, Chef des mehr als 300.000 Titel vertreibenden Indie-Dienstleisters Smashwords, vergangene Woche in einem vielbeachteten Blogartikel. In den letzten 12 bis 18 Monaten hätten die meisten großen eBook-Händler (die Flatrate-Anbieter Scribd und Oyster nimmt er aus) stagnierende oder gar rückläufige eBook-Umsätze zu erleiden gehabt, nachdem der Markt in den 15 Jahren zuvor – seit 1999 – kontinuierlich gewachsen sei.

Im Angesicht des stagnierenden Wachstums sind die Verteilungskämpfe längst im vollen Gange. Für Autoren sei es aus drei Gründen zunehmend schwierig, ein Publikum zu finden

  1. es gebe eine immer größere Menge an qualitativ hochwertigen und günstigen eBooks, gerade auch aus Indie-Hand. Anders als in der Vergangenheit (stationäre Buchhandlungen, begrenzter Regalplatz) verschwinden ältere Titel nicht nach einer Zeit wieder aus dem Angebot, sondern bleiben dauerhaft verfügbar und machen Neuerscheinungen Konkurrenz.
  2. Damit zusammenhängend: Das Angebot an neuen wie bereits verfügbaren eBooks wächst viel schneller als die Nachfrage,
  3. deren Wachstum wie gesagt gerade im englischsprachigen Raum praktisch zum Erliegen gekommen ist. Cocker geht von einem Umsatzanteil von 30-35 Prozent und (aufgrund der niedrigeren Digital-Preise) einem Nutzungsanteil von um oder knapp über 50 Prozent aus. Dabei scheint es erst einmal zu bleiben, der Smashwords-Chef spricht von einem "temporären Gleichgewicht". Zwar würden weiterhin Leser von Print zu Digital wechseln, das Wachstum werde aber moderat ausfallen.

Abschließend gibt Mark Coker Indie-Autoren noch 20 recht allgemein gehaltene Tipps, wie sie in Zeiten eines stagnierenden Gesamtmarktes trotzdem noch Geld verdienen können (mehr schreiben. besser werden, diversifizieren, professionalisieren, …). Trotz der Übersättigung gebe es immer noch glänzende Aussichten für Indie-Autoren, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

Auch in Deutschland Plateau in Sicht

In Deutschland, wo die Entwicklung des eBook-Marktes den USA und Großbritannien seit jeher einige Jahre hinterher hinkt, ist der Scheitelpunkt wohl noch nicht erreicht. Aber auch hierzulande mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Zeiten exonenziellen Umsatzwachstums vorbei sind. Erst vor wenigen Wochen vermeldete die GfK, die eBook-Umsätze seien in Deutschland in den ersten 9 Monaten 2014 nur noch um 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gewachsen – 2013 sollen es 63 Prozent gewesen sein.

Das eBook hat demnach derzeit einen Umsatzanteil in Höhe von 4,8 Prozent am deutschen Publikumsbuchmarkt. Es ist absehbar, dass sich dieser Wert auf einem deutlich niedrigeren Niveau einpendelt als in den USA.

Schmelztiegel Amazon

Bildschirmfoto 2014-11-27 um 17.54.05Am unmittelbarsten vollzieht sich die Sättigung und ihre Folgen zweifelsohne bei Amazon. Der Branchenprimus hat ohnehin mit einem sinkenden Marktanteil infolge der erstarkenden Tolino-Partner zu kämpfen und das mit Abstand breiteste Angebot an günstigen (und stark nachgefragten) Indie-Titeln.

In sozialen Netzwerken und persönlichen Gesprächen berichten Indie-Autoren und Kleinverleger von Umsatzrückgängen im zweistelligen Prozentbereich in den letzten Monaten. Und der Fachblog Self Publisher Bibel meldete an diesem Montag, Titel um Platz 100 der Kindle Charts hätten in diesem Monat nur rund halb so viele eBooks verkauft wie im Jahr zuvor – heißt: minus 50 Prozent.

Blogger Matthias Matting führt als Grund dafür vor allem Kindle Unlimited (KU) ins Feld. Indie-Autoren hätten dabei die Wahl zwischen Pest und Colera: Würden sie bei KU mitmachen, hätten sie zwar immer noch genauso viele Leser, aber weniger Umsätze. Wer sich KU verweigere, würde hingegen noch mehr Umsätze verlieren.

Digital-Leser profitieren – einstweilen

Für Leser bedeutet das Überangebot zunächst einmal paradiesische Zustände. Um Aufmerksamkeit für ihre eBooks zu generieren, platzieren Indie-Autoren ihre Neuerscheinungen von Beginn an zum Niedrigstpreis, auch Verlage werben mit Preisaktionen um die Lesergunst (die wir in unseren eBooks Tipps ausfindig machen).

Auch beim Wettbewerb der Plattform-Betreiber profitieren Leser, das geht schon bei der Hardware los: Tolino-bedingt ist der Kindle Paperwhite 2 hierzulande günstiger als irgendwo sonst. Dass Content-Produzenten immer schlechter von ihrer Arbeit leben können, könnte sich freilich mittelfristig auch im Angebot wiederspiegeln, zumindest im Hinblick auf den Verlagsbereich.

<Bildnachweis: Talfahrt von Shutterstock>

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Kommentare


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