eBook-Piraterie-Gegnerin der MP3-Piraterie überführt
Eine fast unglaubliche (aber wahre) Geschichte rund um Doppelmoral beim Thema Piraterie haben die Kollegen von TorrentFreak in Norwegen aufgetan. Die Autorin Anne B. Ragde – über 250.000 verkaufte Bücher und auch in Deutschland verlegt – äußerte sich am Wochenende in einem Zeitungsinterview empört über Raubkopien von digitaler Literatur und beklagte schon heute exorbitante persönliche Verluste. Das hält sie allerdings keineswegs davon ab, selbst in Tauschbörsen und auf Schwarzmärkten aktiv zu sein.
Piracy erschrecke sie zutiefst und raube ihr den Schlaf, sie könne Diebstahl nicht ausstehen, so Radge im Gespräch mit der skandinavischen Zeitung Dagens Nyheter (Printausgabe; Zusammenfassung hier). Umgerechnet 55.000 Euro – "vielleicht mehr" – habe sie durch Raubkopien bereits verloren. Auf was für einer Rechnung diese Zahl basiert – ob etwa jeder Download mit einem nicht-erfolgten Buchkauf gleichgesetzt wurde, was äußerst diskutabel ist -, bleibt dabei offen.
Auf der anderen Seite hat die Autorin allerdings kein Problem damit, bei ihrer Meinung nach überteuerten Produkten den einen oder anderen Euro einzusparen (auf Kosten der Rechteinhaber). Bei ihrer Handtasche beispielsweise handele es sich lediglich um eine Prada-Kopie, räumte Radge freimütig ein – das Original habe einen geradezu inflationären Preis.
Als für Radge unvorteilhaft erwies sich weiterhin die Anwesenheit ihres Sohnes beim Interview. Auf eine eigentlich an die Schriftstellerin gerichtete Frage bezüglich ihres eigenen Konsumverhaltens warf Jo Radge ein, sie verfüge über insgesamt 1.800 illegal heruntergeladene MP3s. Reaktion von Anne Ragde: "Ja, da sind eine Menge Dinge auf dem iPod."
Das Gespräch ist natürlich ein besonders krasses Beispiel, offenbart aber eine wohl durchaus übliche Doppelmoral weit über die Grenzen der Buchindustrie hinaus – man hat gewisse Preisvorstellungen und -anforderungen für die eigenen Werke und reagiert entsprechend empfindlich auf Diebstahl, hält aber die Preise für Produkte Dritter für überzogen und Piraterie in diesem Fall für legitim. Der Glaubwürdigkeit von Appellen der Verlage, Autoren und Händler an den Anstand von Lesefreunden bei eBook-Preisen teils deutlich jenseits der 20-Euro-Marke ist ein solches Verhalten aber wenig zuträglich.
<via Gulli>
Kommentare
A. B. 17. Dezember 2010 um 10:19
Auch große eBook-Webshops können schnell zu “Piraten” werden, wenn da nicht aufgepasst wird.
Vor kurzem zog buch.de / thalia.de eine Reihe von Titeln aus dem Verkehr die ohne Prüfung einfach aus dem US Project Gutenberg übernommen und als Kaufdateien angeboten worden waren.
Näheres hier:
http://walfischbucht.wordpress.com/2010/12/06/wasser-predigen-und-selbst-nicht-aufpassen/
(Entschuldigung fürs doppelte kommentieren, aber hier passt das nun wirklich besser rein. Bitte ggf. Kommentar andernorts Löschen, Danke.)
bitschnau 17. Dezember 2010 um 10:52
Schön blöd, wenn das eigene Kind noch einen Funken Integrität besitzt. :-D
Thomas Knip 17. Dezember 2010 um 11:06
@ A.B. Man sollte hier ergänzend hinzufügen, dass es in dem von dir angesprochenen Fall *nicht* darum geht, dass Titel aus PG zum Verkauf angeboten werden. Das ist zwar nicht schön, rechtlich aber zulässig.
Der Fall ist deshalb pikant, weil hier Shops, die es wirklich besser wissen müssten, in Deutschland noch urheberrechtlich geschütztes Material ungeprüft ohne Genehmigung verkauft haben.
A. B. 17. Dezember 2010 um 11:30
@Thomas Kniep
Aus dem verlinken ausführlichen Posting wird das klar(er). ;o)
Es ging um eine Kombination aus beidem. Es wurden unentgeltlich bei US-PG downladbare Titel zum Kauf angeboten.
Das an sich ist aber – und da hast Du recht – an sich leider nicht grundsätzlich das Problem bzw. "nur" Dummenfang, wenn es um auch hier in D gemeinfreie Werke geht.
Urheberrechtlich problematisch war konkret, dass bei den speziellen Angeboten nicht darauf geachtet wurde, dass die von PG übernommenen Texte des Autors Leblanc hier in Deutschland noch urheberrechtlich geschützt sind.
Pax 17. Dezember 2010 um 13:51
da muss man schon etwas schmunzeln, wenn man diesen Artikel liest. :)
R 17. Dezember 2010 um 22:03
Genau.
"Hihi" war auch mein 1. Gedanke.
Manchmal gibt es eben doch noch etwas Gerechtigkeit in dieser Welt…