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eBook-Piraterie-Razzia, ein Jahr danach: Alles auf Anfang – fast

Es sollte ein großer Schlag gegen illegale eBook-Downloads werden. Vor zwölf Monaten durchsuchte die Polizei in zwei Wellen insgesamt über 150 Häuser und Wohnungen, wollte auch prominenten eBook-Piraten das Handwerk legen. Mit überschaubarem Erfolg – trotzdem dürfte inzwischen vermehrt legal geladen werden.

35 Durchsuchungen bei vermeintlichen eBook-Piraten

Anfang November gab es eine bundesweite Razzia vornehmlich gegen die Hintermänner des Warez-Forum boerse.bz und von dessen Quasi-Nachfolger boerse.to. Mit damals 2,3 Millionen angemeldeten Nutzern und geschätzten 7 Millionen monatlichen Besuchern war "die Börse" zu diesem Zeitpunkt der deutsche Hauptumschlagplatz für illegale Downloads, darunter auch zehntausende eBooks. Bundesweit gab es 120 Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen, 400 Polizeibeamte waren zeitgleich im Einsatz.

Einen Monat später, am Abend des 09. Dezember, folgte eine weitere konzentrierte Aktion. Mit 35 durchsuchten Wohnungen und Häusern fiel die Razzia eine Nummer kleiner aus, dafür richtete sie sich dediziert gegen die illegale Verbreitung von eBooks. Im Fadenkreuz der Ermittler waren unter anderem "Spiegelbest", Betreiber der 2013 sehr erfolgreichen Download-Seite (und kurzzeitig illegalen eBook Flatrate) boox.to und später eines Download-Forum. Weiterhin sollten die Betreiber der illegalen eBook-Seiten lesen.to, eBook Hell und lul.to dingfest gemacht werden. Lars Sobiraj von der Infoseite tarnkappe.info, dessen Wohnung ebenfalls durchsucht wurde, hat den Ablauf der Aktion jüngst nachgezeichnet.

Führende eBook-Warez-Seiten weiter im Netz

Zumindest von außen betrachtet ist der Erfolg der aufwändigen Anti-Piraterie-Maßnahmen äußerst überschaubar. Einzig das Download-Forum von Spiegelbest ging dauerhaft vom Netz, vom Betreiber war seither nichts mehr zu hören. Im Vergleich zu den anderen verfolgten Portalen war Spiegelbest allerdings zwar lautstark, zuletzt aber kein Faktor mehr bei der Verbreitung illegaler Downloads.

Bildschirmfoto 2015-12-18 um 14.11.11Alle weiteren illegalen Plattformen sind hingegen auch heute noch, ein Jahr später, am Netz und werden regelmäßig aktualisiert. Das Warez-Forum boerse.to, das zum Zeitpunkt der Razzia 2,4 Millionen Mitglieder hatte, kommt heute auf 2,75 Millionen Nutzer. Von durchschnittlich 1.000 Neuanmeldungen pro Tag können die meisten legalen Alternativen nur träumen.

Auch bei den eBook-Download-Angeboten ist alles beim Alten. Analysedienste weisen Abrufzahlen von mehreren Tausend (lul.to) bis mehreren Zehntausend (lesen.to, ebook hell) täglichen Besuchern auf den Seiten aus, deren "Sortimente" kaum Leserwünsche offen lassen.

Legales Angebot deutlich verbessert

tolino booksVon einem "nachhaltigen Ermittlungserfolg" (die Kanzlei Waldorf Frommer, die unter anderem Random House, Holtzbrinck und Bastei Lübbe vertritt, unmittelbar nach der eBook-Razzia) kann jedenfalls kaum die Rede sein. Dass das Leben der Buchpiraten schwerer geworden ist als noch vor einem Jahr, liegt vielmehr an den inzwischen deutlich besseren legalen Alternativen, gerade im epub-Kosmos.

So haben inzwischen alle großen Verlagsgruppen hartem Kopierschutz den Rücken gekehrt (wenngleich Holtzbrinck-Titel bei den Tolino-Händlern immer noch damit versehen sind). Ein wesentliches Argument gegen den legalen Bezug – schwierigeres Handling, weniger Möglichkeiten mit der Datei – ist damit obsolet. Und mittels Tolino Media ist das Angebot an günstigen Indie-Titeln deutlich gewachsen. Auch Besteller aus dem Self-Publishing-Bereich gibt es zwar auf den illegalen Plattformen. Bei einem 3-Euro-Titel wird aber sicherlich häufiger auf einen Abstecher auf eine mit großflächiger Abzock-Werbung zugepflasterte Download-Seite verzichtet als bei einem 17-Euro-Titel.

Auch wurde das Angebot der legalen eBook Flatrates Kindle Unlimited und Skoobe deutlich erweitert. Unter dem Strich gibt es für den Besuch illegaler Download-Seiten immer weniger Gründe (beziehungsweise: Ausreden). "Freibierleser" wird es immer geben, genauso wie Ladendiebe. Ihre Zahl lässt sich aber durch die Aufwertung legaler Angebote wirksam reduzieren, im Musikbereich ist Spotify dafür das beste Beispiel. In den letzten zwölf Monaten ist die Buchindustrie hier den richtigen Weg gegangen – unabhängig von der Razzia.

<Bildnachweis: Jan Böhmermann – Ich hab Polizei>

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