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EU-Kommissar: Gesetzgebung "stiftet Leute zum Diebstahl an"

Mit markigen Worten hat ein hochrangiger EU-Kommissar in dieser Woche eine Schutzrechtereform gefordert. Bevor man sich um die Verfolgung von Piraten kümmere, müssten erst attraktive legale Angebote geschaffen werden, die außerdem keine Insellösungen sein dürften.

Andrus Ansip war von 2005 bis 2014 Ministerpräsident von Estland und bekleidet seit 2014 das Amt des Vizepräsidenten in der Europäischen Kommission. Außerdem ist er Kommissar für den digitalen Binnenmarkt und nahm in dieser Funktion Anfang der Woche an einem Panel auf der Musikfachmesse midem in Cannes teil.

Auf dem 30-minütigen Panel (hier als Video) übte Ansip massive Kritik an der Ausgestaltung nationaler Schutzrechte für geistiges Eigentum, wie auch Ars Technica berichtet. "Unsere Gesetzgebung stiftet Leute zum Diebstahl an" ( "Our legislation is pushing people to steal"), sagte der Este wörtlich. Ein besonderer Dorn im Auge sind ihm Geo-Blocking-Maßnahmen, die sich aus zersplitterten Schutzrechten ergeben. EU-weit würden 20 Prozent der Internetnutzer darum VPNs nutzen, um digitale Inhalte aufzurufen, verwies Ansip auf eine Umfrage. Und ganze 68 Prozent aller, die sich Filme ansehen, machten das zumindest auch auf illegalem Weg.

"Anbieter nehmen mein Geld nicht"

Er selbst würde vielfach liebend gerne für Filme bezahlen, führte Ansip aus. Aufgrund von Geo-Blocking und rechtlichen Restriktionen würden die Anbieter sein Geld aber nicht annehmen. Man darf davon ausgehen, dass die Verfügbarkeit in Ansips Heimatland (1,3 Millionen Einwohner) noch deutlich dünner ist als in Deutschland, wo wirimmerhin Netflix und diverse On-Demand-Anbieter haben (wo es etwa für aktuelle HBO-Staffeln aber auch nur illegale Bezugswege gibt).

Der EU-Kommissar führte die Musikindustrie mit ihrem Vorreiter Spotify im Allgemeinen und den norwegischen Medienmarkt im Speziellen als Beispiel dafür auf, wie attraktive legale Angebote Piraten das Wasser abgraben könnten. Demnach sank die Zahl der illegalen Downloader in Norwegen innerhalb weniger Jahre von 80 Prozent auf gerade einmal 4 Prozent. "Wenn jemand legale Angebote in höherer Qualität und mit größerer Geschwindigkeit anbietet als Piratenseiten, handeln die Leute lieber ehrlich. Sie wollen zahlen, sie wollen nicht stehlen."

Segmentierter Digital-Markt (Infografik aus EU-Präsentation)

Segmentierter Digital-Markt (Infografik aus EU-Präsentation)

Ansip ist hauptverantwortlich für das Projekt "Digitaler Binnenmarkt" (Digital Single Market), dessen Agenda im Mai 2015 verabschiedet wurde. Ein wesentliches Ziel bis Ende 2016 ist es, eine bessere Zugänglichkeit digitaler Produkte über europäische Ländergrenzen hinweg zu erreichen.

<Bildnachweis: EU von Shutterstock>

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