Europäischer Gerichtshof verbietet reduzierte MwSt für eBooks
Ein verminderter Mehrwertsteuersatz auf eBooks verstößt gegen EU-Recht, urteilte am heutigen Donnerstag letztinstanzlich der Europäische Gerichtshof – mit einer absurden Begründung. Damit haben eBooks gegenüber Print-Büchern weiterhin einen drastischen steuerlichen Nachteil.
Seit Jahren gilt in Luxemburg und Frankreich der verminderte Mehrwertsteuersatz von 3 beziehungsweise 7 Prozent auch auf eBooks. Überall sonst in Europa ist der volle Mehrwertsteuersatz fällig (hierzulande 19 Prozent, ermäßigt 7 Prozent). In den letzten Jahren machten sich das US-amerikanische Online-Händler – allen voran Amazon – zunutze, die ihre eBooks von Luxemburg aus nach ganz Europa verkauften und einen dicken Steuervorteil einstrichen.
"eBooks sind Dienstleistungen"
Schon Mitte 2012 appellierte die EU an die beiden Länder, ihre Mehrwertsteuersätze zu ändern. Weil weder Frankreich noch Luxemburg der Aufforderung nachkamen, wurde Klage vor dem europäischen Gerichtshof eingereicht. Streitfrage: Sind eBooks (kulturelle) Güter und damit unter den reduzierten Satz zu fassen, oder handelt es sich um "elektronische Dienstleistungen", für die gemäß EU-Richtlinie der volle Satz zu veranschlagen ist.
Der europäische Gerichtshof in Brüssel entschied am heutigen Donnerstag, eBooks seien Dienstleistungen, weil sie nicht physisch sind. Damit seien sie von der Richtlinie ausgeschlossen und dürften nicht zu einem verminderten Mehrwertsteuersatz verkauft werden. Es handele sich nicht um "physische Güter" laut Richtlinie, weil man zur Wiedergabe ein externes Gerät benötige, das nicht mitgeliefert werde (!).
Europäische Branchenverbände, darunter der deutsche Börsenverein, reagierten mit Unverständnis auf die EU-Entscheidung. In einem offenen Brief unter anderem an das europäische Parlament fordern sie eine Überarbeitung der Mehrwertsteuer-Richtlinie. Zudem unterstützt der Börsenverein die vom französischen Branchenverband initiierte Kampagne #thatisnotabook, die sich humoristisch mit dem scheinbaren Definitionsproblem der EU-Kommission, was eigentlich ein Buch ist, außeinandersetzt.
Geduldiges Papier
Unter dem Strich steht eine weitere steuerliche Schlechterstellung von eBooks gegenüber gedruckten Büchern und – seit vergangenem Jahr – auch gegenüber Hörbüchern. Bei einem 10 Euro teuren Buch beträgt die steuerliche Differenz zwischen Print und Digital rund 1 Euro – Geld, das eBooks für den Kunden günstiger und/oder das eBook-Geschäft für Verlage und Autoren lukrativer machen würde (was letztlich auch dem Digital-Leser zugute käme).
Angebracht wären Taten statt Worte, gerade auch von unserer Bundesregierung. Dort bekräftigte man schon Anfang 2014 den Koalitionsvertrag, laut dem eine ermäßigte eBook-MwSt angestrebt wird. Im Frühjahr 2014 stand das Thema sogar auf der Agenda einer Klauurtagung, wo dann allerdings nur die niedrigere Besteuerung von Hörbüchern in einem Beschluss mündete. Seither: Funkstille.
<Bildnachweis: Mehrwertsteuer von Shutterstock>
Kommentare
Wie die EU die Müllproduktion ankurbelt und die Buchpreisbindung gefährdet » lesen.net 10. März 2015 um 17:17
[…] wie es Frankreich und Luxemburg in den vergangenen Jahren gemacht haben, ist unzulässig, urteilten die obersten EU-Richter am vergangenen Donnerstag. Die absurde Begründung: Weil es sich bei eBooks nicht um (kulturelle) physische Güter, […]
Bundesregierung fordert von EU reduzierte Mehrwertsteuer auf eBooks » lesen.net 4. April 2015 um 16:39
[…] europäische Gerichtshof einer reduzierten eBook-Besteuerung in Frankreich und Luxemburg einen Riegel vorschob, kommt neue Bewegung in die Angelegenheit. In einer gemeinsamen Erklärung haben die […]
eBook-Verleih in Bibliotheken: “Die Linke” fordert Änderung des Urheberrechts » lesen.net 23. April 2015 um 15:39
[…] spannend werden. Schließlich hat der Europäische Gerichtshof den Antrag für eine verminderte Mehrwertsteuer für eBooks gerade abgelehnt. Der Grund: Bei einem eBook handelt es sich nicht um ein “physisches Gut”, sondern um […]
Verminderte Mehrwertsteuer auf eBooks voraussichtlich 2016 » lesen.net 7. Mai 2015 um 10:14
[…] vor zwei Monaten verbot der europäische Gerichtshof Frankreich und Luxemburg die Anwendung des verminderten […]