Hugendubel.de schaltet Kirchenfilter ab
Zeitenwende bei Hugendubel: Nach der Trennung von Weltbild verkauft die Buchhandelskette in ihrem Online-Shop jetzt auch offen erotische Werke von E L James, Sylvia Day & Co, aber auch kirchenkritische und regenbogenfreundliche Titel, die bislang dem "Kirchenfilter" zum Opfer fielen. Die Mitarbeiter sind entzückt.
Im Zuge der Loslösung von der Verlagsgruppe Weltbild, bis zur Insolvenz in kirchlicher Hand, wechselte Hugendubel vergangene Woche den Dienstleister für seinen Online Store. Mit dem neuen Partner buecher.de ist auch die jahrelange Selbstbeschränkung passè, vermeintlich unzüchtige Werke gar nicht oder nur sehr versteckt anzubieten. Darauf weist der von der Gewerkschaft ver.di betriebene Hugendubel Infoblog am heutigen Montag hin.
Seit ein paar Tagen haben Kunden von Hugendubel.de – und damit auch Besitzer eines bei Hugendubel gekauften Tolino Shine oder Tolino Vision – die Möglichkeit, problemlos erotische Romane wie die extrem erfolgreiche Shades-of-Grey-Trilogie (auch die zeitweise allein 3 Prozent des Buchhandelsumsatzes entfiel) oder die Crossfire-Reihe zu kaufen. Weniger sichtbar, aber in der Außenwahrnehmung noch wichtiger: Auch kirchenkritische Titel wie die Kriminalgeschichte des Christentums und Der Gotteswahn sind jetzt bei Hugendubel zu haben. Hinzu kommen Bücher, die sich mit Homosexualität befassen, und Aufklärungsbücher wie Make Love (nominiert für den deutschen Jugendbuchpreis und Vorlage für die gleichnamige MDR-Dokureihe).
Die Gewerkschaftler bei Hugendubel lassen keine Zweifel daran, was sie von dieser Entscheidung halten. "Eines der peinlichsten und reaktionärsten Kapitel in der Geschichte Hugendubels" sei endlich geschlossen, "die Schande des deutschen Buchhandels" habe man hinter sich gelassen. Einzig eine Entschuldigung der Geschwister Hugendubel fehle noch.
Auch Kirchenfilter bei Weltbild bröckelt
Weltbild fährt aktuell noch einen Schlingerkurs. Auf die prallen Erotik-Umsätze will man dann doch nicht (mehr) verzichten, allerdings werden solche Titel gut versteckt und tauchen zum Beispiel nicht in den Bestseller-Listen auf. Zu Shades of Grey gibt es außerdem einen belehrenden Hinweis:
Die hier beschriebene Unterwerfung der Frau widerspricht dem Welt- und Menschenbild, von dem wir uns als Buchhändler leiten lassen.
Wir sehen das Buch als sehr problematisch an.
Und wir erfahren, dass diese Einschätzung von vielen Leserinnen und Lesern genauso geteilt wird wie von Autorinnen und Autoren sowie der professionellen Buchkritik."
Daran schließt sich ein gutes Dutzend negative Presse-Kommentare an, erst dann folgt die Buchbeschreibung – Verkaufsförderung sieht anders aus. Kirchenkritische Titel werden nach wie vor nicht angeboten. Skurril: Wer nach "Gotteswahn" sucht, findet nicht das fragliche Buch, sondern einzig eine literarische Gegenrede mit dem Titel "Warum Menschen Gott brauchen". Nachdem Weltbild vor der Übernahme durch eine säkulare Investmentgesellschaft steht, dürfte diese Selbstzensur aber bald der Vergangenheit angehören. Die wenigsten Mitarbeiter und Kunden werden ihr nachtrauern.
<Bildnachweis: Gottesbildnis von Shutterstock>
Kommentare
Buch/Handel 2020: „Browse Books by Reading Time“ « Exciting Commerce 27. Mai 2014 um 17:37
[…] Hugendubel hat sich auch im Online-Bereich – zumindest teilweise – von Weltbild getrennt und lässt den Onlineshop künftig von Buecher.de betreiben. Damit ist im Hugendubel-Shop der berühmt-berüchtigte „Kirchenfilter“ Geschichte. (via Lesen.net) […]