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Indie-Autoren und soziale Netzwerke: Unverzichtbare Zeitfresser [Kolumne]

Viele Autoren, insbesondere Indie-Autoren, pflegen über soziale Netzwerke einen intensiven Kontakt zu ihrer Leserschaft. Das schafft Bindung und Verkäufe, hat allerdings auch seinen Preis. Poppy J. Anderson (4.100 Facebook-Fans) berichtet in ihrer neuen Kolumne von der Schwierigkeit, angesichts von teilweise 100 Facebook-Nachrichten täglich die richtige Balance zu finden.

Machen wir uns nichts vor – für Selfpublisher sind soziale Netzwerke existentiell. Verlagsunabhängige Autoren verkaufen ihre Bücher beinahe ausschließlich über Internetplattformen. Gleichzeitig werden sie nicht im klassischen Buchhandel beworben, schließlich werden ihre Werke dort nicht dekorativ zum Verkauf angeboten und auf hübschen Tischen sichtbar für alle Kunden präsentiert. In irgendeiner Form müssen diese Autoren nun einmal Werbung machen, um die Aufmerksamkeit von Lesern zu erhalten. Das Credo lautet: Werbe dort für dein Buch, wo du es auch verkaufst. Also im Internet.

Doch wie kann ich dies bewerkstelligen – immerhin ist das Internet an sich eine riesige, nicht zu fassende Blase. Natürlich kann ich eine Homepage oder einen Blog ins Leben rufen, doch diese locken noch lange keine Besucher oder bestenfalls Leser hervor. Die wichtigste Anlaufstelle scheinen Netzwerke wie Facebook oder Twitter zu sein, auf denen man relativ problemlos und unbürokratisch Profile erstellen kann, die im Anschluss von potentiellen Lesern besucht werden.

Networking und passgenaue Neuigkeiten

Ich will nicht verhehlen, dass es für Autoren bedeutend schwieriger wäre, Leser für ihre Bücher zu finden, wenn soziale Netzwerke nicht existierten. Zudem bieten Facebook & Co. weitere, nicht zu unterschätzende Vorteile. Dort kann man nicht nur für sein Buch werben, sondern Kontakt zu seinen Lesern suchen, sich mit ihnen über die eigenen Bücher austauschen, Bekanntschaft mit anderen Autoren machen und sich mit ihnen vernetzen. Man kann direktes Feedback sowie Kritik erhalten, einen unkomplizierten Weg zu Coverdesignern und Lektoren finden und nicht zuletzt auf dem Laufenden bleiben, was den Literaturbetrieb betrifft. Tatsächlich lehne ich mich weit aus dem Fenster und behaupte, dass soziale Netzwerke mittlerweile unerlässlich für Autoren geworden sind, die unabhängig publizieren.

Größter Vorteil: Leserkontakt

Insbesondere der Kontakt zu den Lesern ist meines Erachtens nach der größte Vorteil von sozialen Netzwerken. Niemals zuvor war es so einfach, sich mit ihnen zu verbinden. Hierbei meine ich nicht, sie pausenlos mit Werbung zuzuballern, sondern sie kontinuierlich an dem Schaffensprozess teilhaben zu lassen, ihnen Einblicke in das Autorendasein zu geben und auf diese Weise Freundschaften entstehen zu lassen, die sich auf den wenigen Messen im Jahr intensivieren. Aus anfänglichen Kontaktaufnahmen von Leserinnen habe ich beispielsweise richtiggehende Freunde gewonnen, die mir auch beim Schreiben von unersetzlicher Hilfe sind, indem sie meine Texte testlesen und sich sehr konstruktiv mit dem auseinandersetzen, was noch nicht passt.

Da der Beruf des Autors naturgemäß ein sehr einsamer Beruf ist, können soziale Netzwerke einen wunderbaren Ausgleich liefern und die fehlende Interaktion des Büroalltags ersetzen.

Doch dies birgt auch gleichzeitig das Problem.

Manche Leser erwarten Dauer-Verfügbarkeit

Soziale Netzwerke suggerieren nämlich, dass man immer erreichbar und immer verfügbar sein sollte. Da man an seinem Computer arbeitet, erscheint es einigen Followern einleuchtend, dass man sich „mal eben“ die Zeit nehmen kann, um auf Leserfragen zu antworten, schließlich ist man ja online. Und selbst wenn man es nicht ist, könnte man sich doch „mal eben“ einloggen, um gerade erhaltene Nachrichten zu beantworten. Neben Leserfragen häufen sich auch Anfragen angehender Selfpublisher, die darum bitten, „mal eben“ erklärt zu bekommen, wie Kdp funktioniert, wie man ein Ebook konvertiert oder wie man Werbung macht. Solche Fragen können nicht mit einem Satz abgespeist werden, sondern müssten sehr viel ausführlicher beantwortet werden und nicht „mal eben“.

100 Facebook-Nachrichten – täglich

Dieses „Mal eben“ ist tatsächlich der Zeitfresser Nummer eins, immerhin gibt es Autoren, die täglich um die einhundert neue Nachrichten erhalten.
Wir Autoren freuen uns über jede Nachricht, denn sie bedeutet, dass wir gelesen werden und dass sich jemand die Zeit genommen hat, uns anzuschreiben, um seiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Vermutlich gibt es kein größeres Lob. Gleichzeitig bringt es uns in die Zwickmühle, dass es fast unmöglich ist, alle Nachrichten zeitnah zu beantworten, ohne damit den Großteil des Tages zu verbringen. Eine Kollegin hat erst vor einer Woche genau dies thematisiert, als sie bitterböse Nachrichten erhielt, nachdem sie die vorangegangenen nicht schnell genug beantwortet hatte.

Druck lähmt Kreativität

Der stete Druck, ständig verfügbar und erreichbar zu sein, und die Erwartungshaltung einiger Follower (nicht aller!), stante pede Nachrichten zu beantworten, lähmt nicht nur die Arbeitsleistung, sondern auch die Kreativität. Oder in anderen Worten: Die Konzentration geht flöten. Teilweise benötigt die Netzwerkpflege ein größeres Zeitinvestment als das Schreiben per se.

Balance ist entscheidend

Die meisten Selfpublisher pflegen ein besonders intensives Verhältnis zu ihren Lesern – willentlich und beabsichtigt. Für sie ist es wichtig, ein Autor zum „Anfassen“ zu sein und sich nicht als schrulliger Einsiedler irgendwo im Nirgendwo zu verbergen, dessen Auftauchen auf einer Buchmesse als die Sensation des Jahrzehnts gefeiert wird.

Für ein enges Verhältnis zum Leser sind Facebook, Twitter und all die anderen Netzwerke ideal, gleichzeitig schaffen sie auch ein enges Verhältnis zum Autor, der sich bewusst sein sollte, dass er mit seiner Positionierung als „Autor zum Anfassen“ gewisse Erwartungen schürt. Auf das Schreiben allein kommt es dann nicht an, sondern Netzwerkpflege und Leserkontakt sind von ebenso großer Bedeutung.

B_000006Über die Autorin: Poppy J. Anderson (Homepage, Wikipedia, Amazon) ist das Pseudonym einer deutschen Autorin, die seit Ende 2012 als Selfpublisherin Romane veröffentlicht, welche mittlerweile auch über Rowohlt verlegt werden. Die meisten ihrer Bücher schafften es auf Platz 1 der Bestsellerliste und haben sich über 800.000 Mal verkauft.

Twin Design / Shutterstock.com

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Kommentare


Nach der Messe ist vor der Messe [Kolumne] » lesen.net 20. März 2015 um 11:50

[…] reale Kontakt zu Autoren und Lesern sei eine ganz besondere Erfahrung und auch durch soziale Netzwerke nicht zu […]

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