Konditionen-Poker: Amazon verzögert Buchauslieferungen
Neue Aufregung um Amazon: Der Online-Händler verzögert bewusst Auslieferungen von Büchern, um bessere Einkaufskonditionen bei deren Verlagen durchzusetzen. Neben dem Großverlag Hachette ist Bonnier betroffen, dem auch viele deutsche Verlagsmarken gehören. Das Problem ist gerade im Digital-Bereich zu einem großen Teil hausgemacht.
In den USA entzündete sich die Debatte vergangene Woche, als eine Sprecherin des Big-5-Publishers Hachette öffentlich Alarm schlug: Amazon würde bewusst die Auslieferung von Verlagstiteln verzögern, um bessere Konditionen zu bekommen. Statt der üblichen 2 Tage Lieferzeit müssten bei betroffenen Titeln 2-4 Wochen auf eine Lieferung gewartet werden.
Jetzt traute sich ein weiterer Verlag aus der Deckung. In der FAZ vom heutigen Freitag heißt es, der schwedische Bonnier-Konzern sei ebenfalls betroffen. Dem Unternehmen gehören hierzulande unter anderem Piper, Ullstein und Carlsen. Ullstein-Verlegerin Siv Bublitz sagte der Zeitung, sie habe von Amazon bestätigt bekommen, die Lieferverzögerungen ständen in Zusammenhang mit aktuell laufenden Verhandlungen über Konditionen im Digital-Bereich. Gegenwärtig bekäme Amazon E-Books von Bonnier mit 30 Prozent Abschlag, der Online-Händler wolle aber 40 bis 50 Prozent durchsetzen. In diesem Rahmen dürften sich die gegenwärtigen Einkaufsrabatte im Print belegen.
Bekannte Geschäftspolitik
Diese Geschäftspolitik von Amazon ist nichts Neues. So hat das Unternehmen schon 2010 bei Tausenden E-Books von Macmillan (Holtzbrinck) kurzzeitig den "Kaufen"-Button entfernt, zwei Jahre später flogen E-Books der "Independent Publishers" im Rahmen eines Konditionen-Pokers aus dem Sortiment des Online-Kaufhauses. Dass die Debatte aktuell wieder hochkocht, hat viel mit der zwischenzeitlich veränderten Wahrnehmung von Amazon zu tun: Aus dem bewunderten Innovator ist ein gnadenloser Bedroher der tradierten Buchhandelslandschaft geworden.
Hartes DRM verfestigt Monopolstellung
Dabei sind die Verlage nicht frei von Schuld am Status Quo. Gerade im E-Book-Bereich ist die Abhängigkeit von Amazon selbst verschuldet. Weil die Verlage der Bonnier-Gruppe mit ganz wenigen Ausnahmen (etwa die E-Book-Only-Label von Carlsen wie Impress) auf harten Kopierschutz setzen, haben Kindle-Leser keine andere Wahl, als ihre E-Books bei Amazon – und damit zu den Einkaufskonditionen von Amazon – zu kaufen. Bei einem Delisting bei Amazon.de wären die E-Books für Kindle-Leser de facto nicht mehr verfügbar, woran Bonnier allein Schuld ist.
<Bildnachweis: Amazon.de Logistikzentrum in Leipzig (Pressebild)>
Kommentare
Börsenverein fordert Regulierung von Amazon, verdreht Fakten » lesen.net 20. Mai 2014 um 15:57
[…] Börsenverein des deutschen Buchhandel schlägt im Zusammenhang mit dem Konditionen-Streit scharfe Töne gegen Amazon an. Börsenverein-Chef Alexander Skipis wirft dem […]
eBook Neuerscheinungen der Woche » lesen.net 23. Juni 2014 um 21:47
[…] schreibt, war in den letzten Tagen vor allem als besonders prominenter betroffener Titel des Hachette-Boykoots von Amazon in den Schlagzeilen. Bei Amazon.com sind für das gerade erschienene Hardcover […]
Amazon fordert niedrigere E-Book-Preise, höhere Autoren-Honorare » lesen.net 30. Juli 2014 um 15:50
[…] nehmen, dass Amazon eine 30-prozentige Umsatzbeteiligung für sich für fair hält. Im hierzulande mit Bonnier ausgefochtenen Konditionenstreit war immer die Rede davon, Amazon wolle statt der bisherigen 30 Prozent in Richtung 40 bis 50 […]
Wie sich Amazon im Konditionenstreit als Anwalt des Kunden verkauft » lesen.net 11. August 2014 um 11:37
[…] Was im Frühjahr als einfache Verhandlung über Verkaufskonditionen von E-Books begann, spitzt sich immer mehr zu einer PR-Schlacht zu. Am Sonntag erschien in der New York Times ein […]
Bonnier einigt sich mit Amazon, Einheitsfront zerfällt » lesen.net 21. Oktober 2014 um 13:23
[…] Seit Mai beschäftigte der öffentlich ausgetragene Poker um Einkaufskonditionen zwischen Amazon und einigen Großverlagen die Buchbranche und darüber hinaus Kultur- und Wirtschaftspresse. In den USA (Hachette) und in Deutschland (Bonnier) verzögerte Amazon die Auslieferung von Titeln betroffener Verlage, was dem Unternehmen massive Kritik aus nahezu der gesamten Branche einbrachte. Mediale Höhepunkte waren im August offene Briefe von renommierten internationalen und deutschen Autoren, auf die dann wiederum amazonfreundliche Indie-Autoren mit einem offenen Brief antworteten, sowie allerlei Aktionen im Rahmen der Frankfurter Buchmesse in diesem Monat. […]