Nichts gelernt: DRM auf dem Vormarsch
Gut zwei Jahre ist es inzwischen her, dass eBooks für tot erklärt wurden. In einem vielbeachteten Artikel gab das Wired Magazine gängelnden Kopierschutz-Maßnahmen die Schuld dafür, dass digitale Bücher noch immer nicht den ganz großen Durchbruch geschafft haben.
Und während anno 2009 zumindest die Musikindustrie ihre Lektion gelehrt hat und MP3s inzwischen vorwiegend ganz ohne Kopierschutz anbietet – selbst bei iTunes sind immer mehr "freie" Tracks zu finden -, scheint in der Verlagsbranche die Furcht vor copy’n’paste und illegalen Tauschbörsen immer noch übermächtig zu sein.
Gestern kündigte Libreka, der eBook-Shop vom Börsenverein des deutschen Buchhandels, die Einführung eines neuen Kopierschutzes an. Verlage haben vom 15. Juli an die Möglichkeit, ihre Inhalte mit dem knallharten Adobe-DRM zu versehen.
So gesicherte Bücher können nur 6x heruntergeladen werden, das Markieren oder Kopieren von Text ist nicht möglich. Die Darstellung der Inhalte ist nur mit Adobe Digital Editions und eReadern möglich, die das DRM-System unterstützen. Die komplette Amazon Kindle Familie beispielsweise gehört nicht dazu.
Genauso wie das vorher bei Libreka eingesetzte Wasserzeichen (Eintragung der persönlichen Daten des Käufers ins Dokument) primär eine psychologische Wirkung hatte, geht auch vom harten DRM ein Signal aus. Der Kunde hat hier nicht mehr das Gefühl ein digitales Buch zu kaufen, sondern allenfalls zu leihen. Wird das Lesegerät gewechselt oder geht der genutzte Online-Shop pleite, ist das eBook noch einmal zum vollen Preis (häufig auf Taschenbuch-Niveau) zu erwerben. Das ist kaum vermittelbar.
Auch die technische Barriere zur Lektüre von digitalen Büchern steigt drastisch. Wer sich vor dem Kauf von Sony Reader & Co. einen Leitfaden zum Erwerb von DRM-geschützten Inhalten (etwa bei buch.de) zu Gemüte führt und zum technisch weniger affinen Teil der Buchkäufer gehört, dürfte sich die Kaufentscheidung noch einmal überlegen. Das gleiche gilt bei einem Blick in einschlägige Communitys.
Wer wie der kleine eBook-Shop Beam den radikalen Weg wählt, DRM-geschützte eBooks komplett aus seinem Angebot zu verbannen, handelt nur auf den ersten Blick kundenfreundlich. Denn entscheidend für den Markterfolg von eBooks ist und bleibt eine große Auswahl an interessanten (& fair bepreisten) eBooks.
Vielmehr müssen die Verlage zur Einsicht kommen, dass sie sich mit einer Gängelung und Kriminalisierung der Kundschaft ins eigene Fleisch schneiden. Eine Branchentagung gestern offenbarte mal wieder, wie weit die Verleger immer noch von diesem Standpunkt entfernt sind ("Das Internet ist kein rechtsfreier Raum").
Ein Blick in Tauschbörsen zeigt, dass kaum gekaufte eBooks illegal weitergegeben werden – ob mit DRM oder ohne. Was bei Bittorrent & Co. momentan getauscht wird, sind im Wesentlichen (häufig minderwertige) Scans oder Abschriften von Büchern, die es noch gar nicht als deutsches eBook gibt.
Noch ist der Zug für die Verlage nicht abgefahren, die Fehler von Musik- und Filmindustrie müssen nicht wiederholt werden. Verstümmelte Inhalte zum Vollpreis werden sich Bücherfreunde aber nicht lange gefallen lassen und sich früher oder später Alternativen schaffen.
Einen ersten Schritt in Richtung Kundenfreundlichkeit sollte der Börsenverein zudem zeitnah mit einer grundsätzlichen Überarbeitung von Libreka! machen. Das Portal ist nach wie vor eine Usability-Katastrophe.
Kommentare
Hans-Jörg 18. Juni 2009 um 19:22
Es wird immer so dargestellt, als wären die Verlage bzw. die Verantwortlichen dort etwas blöd, als würden sie ihrem eigenen Erfolg im Wege stehen. Vielleicht wollen sie ja gar keinen Erfolg. Wenn eBook-Reader eine weite Verbreitung finden, wird sich ein durchschnittlicher Autor, der von einem durchschnittlichen Verlag bezüglich Lektorat, Werbung usw. nicht viel zu erwarten hat, genau überlegen, ob er sein Buch nicht für den Preis, der seinem mageren Anteil einer Druckversion entspricht, selbst im Internet verkauft.
» LINKLOAD vom 18.06.2009 [UPLOAD Blog] 18. Juni 2009 um 20:12
[…] “Nichts gelernt: DRM auf dem Vormarsch” heißt es auf lesen.net und es geht darum, dass die Verlage mit ihren E-Books nun offenbar alle Fehler wiederholen, die ihnen die Musikindustrie bereits vorgelebt hat. Na, super. […]
USA: eBook Reader für $170 (120 Euro) | lesen.net 18. Juni 2009 um 21:06
[…] sich um ein klassisches NoFrills-Angebot: Wer nur auf der Suche nach einem mobilen Lesegerät für DRM-freie Texte (kein Support von epub/pdf DRM) ist, kann mit dem Ectato jetBook absolut glücklich werden. Das […]
Johannes 18. Juni 2009 um 21:46
Hallo Hans-Jörg,
sicherlich sehen die Verlage die Gefahr für sich bei einem Erfolg des “digitalen Buchs” und fungieren teilweise bestimmt auch bewusst als Bremser. Aber eben damit schaden sie sich denke ich am meisten – einer solchen Entwicklung kann man sich nicht in den Weg stellen. Statt die immer glecihen Ängste zu schüren, sollten sie über einen Umbau ihres Geschäftsmodells nachdenken und sich vielleicht künftig mehr auf Marketing-Dienstleistungen für die Autoren konzentrieren – egal in welchem Umfeld.
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. (um mal eine Phrase zu dreschen)
Ciao
Johannes
Amazon Kindle Kopierschutz in der Kritik » eBooks » lesen.net 22. Juni 2009 um 11:08
[…] ist also nicht nur ein deutsches Problem. Ärgerlich bei Amazon ist (neben der Gängelung selbst) die Intransparenz – selbst […]
rreske 22. Juni 2009 um 12:28
ich bin seit kurzem ernsthaft mit dem thema "ebook" befasst. da ist man ganz schnell wieder am zweifeln, ob das wohl langzeitlich sinn macht. mir geht es nicht darum, lang und breit über mißbrauch zu orakeln, ich tu es nicht und punkt. wenn ich mir dann noch vorstelle, daß ein wissenshungriger eben kein geld für ein fachbuch hat und nun sich wissen in einem "geklauten FACH-buch aneignet, jaja, das sind unsere probleme in deutschland. weil ich aber nun die bücher käuflich erwerbe, stinkt der schutz (ich sage nutzungseinschränkung dazu) mich ganz tüchtig an. meister im gesamtkonsens ist hier ja wohl ciando: zum einen eine unschlagbare auswahl an fachbücher der verschiedensten kategorien und dann dieser besch…. drm-sch….; andererseits gibt es derzeit vom format her gesehen nur den DR 1000 S in seiner displaygröße…., aber der kann das drm nicht lesen. na wenn schon profigerät, warum dann diese einschränkung. ich denke, beam liegt richtig mit der vereinfachung der bücher , die man kauft…., vielleicht sind es mal mehr fachbücher, wer weiss. aber nur so gehts, daß verlage wie ciando dann auch reagieren müssen…..puh, musste mal gesagt werden, soviel sollte es garnicht werden … tschüssi
txtr verspricht “iTunes für Texte” » Topnews, eReader » lesen.net 25. Juni 2009 um 22:01
[…] “Vernetztes Lesen” nebst dem unkomplizierten Tausch von Lesenswertem funktioniert kaum mit restriktiv DRM-geschützten Büchern. Hier ist txtr.com ebenso wie bei der Bepreisung auf Verlage angewiesen, wo frei durch das […]
Softwarefirma kauft “The Pirate Bay” » Diskurse, Topnews » lesen.net 30. Juni 2009 um 11:15
[…] hier faire Preise, ein großes Angebot und eine exzellente Bedienung auf die Beine stellen müssen. DRM sollte ohnehin Tabu […]
eBook-Boom: Vor allem Fachverlage profitieren » Diskurse, eBooks » lesen.net 7. Juli 2009 um 09:32
[…] Hierzulande haben die Publikumsverlage aber einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass sie beim eBook-Geschäft vergleichsweise kurz kommen. Nur wenige Titel der Spiegel-Bestsellerliste sind auch in digitaler Form zu haben – und wenn, dann häufig zum Preis der Hardcover-Ausgabe und/oder drm-geschützt. […]
Ciando “Online-Lesen” im Test » Topnews, eBooks » lesen.net 29. Juli 2009 um 15:10
[…] Wasserzeichen im ungeschütztem Dokument) einlassen und dem digitalen Buch skeptisch bis ängstlich gegenüberstehen, sind den Händlern an dieser Stelle die Hände […]
Buchpreis-Nominierungen bei Libreka anlesbar » eBooks » lesen.net 21. August 2009 um 12:55
[…] Gründen zumeist skeptisch bis ablehnend gegenüber stehen und ihre Bücher nicht oder nur beschnitten als eBooks […]
txtr Store online » eBooks » lesen.net 16. September 2009 um 21:57
[…] kommerzieller Inhalte unterscheidet sich txtr dagegen nicht von Mitbewerbern: Die epub-Dateien sind DRM-”geschützt”, für Download und Anzeige ist Adobe Digital Editions ein Muss. Offline können gekaufte eBooks […]
Libreka: Nur 32 eBook-Verkäufe in 09/09? » Debatte » lesen.net 14. Oktober 2009 um 08:01
[…] Worten im Verbandsblog ist das Angebot nach wie vor dürftig, zudem schrecken hohe Preise und DRM die Kundschaft […]
[Sonntagsfrage] Piracy » Debatte » lesen.net 25. Oktober 2009 um 14:31
[…] Raubkopien der eigenen Titel sind ein Schreckengespenst in vielen Verlagshäusern, resultieren in DRM-Gängelungen der Kundschaft und markigen Worten gegenüber (potenziellen) […]