Onleihe: Große Unterschiede beim Sortiment

09.05.2016 Johannes Haupt (Fachredakteur) 3 Kommentare

Unter dem Dach der Onleihe organisieren mehr als 2.700 Bibliotheken aus dem deutschsprachigen Raum ihren eBook-Verleih, teils einzeln, teils in Verbünden. Von Gleichförmigkeit kann dabei keine Rede sein: Nicht nur die Mitgliedschaftsgebühren unterscheiden sich deutlich, sondern auch das für die Leihe verfügbare Angebot – bisweilen um mehr als den Faktor 20.

Der Verleih digitaler Medien ist Teil des Bibliotheksangebot und im Büchereiausweis inkludiert, der in der Regel – unrabbatiert – 10 bis 30 Euro pro Jahr kostet. Damit ist die Onleihe um ein Vielfaches billiger als kommerzielle eBook Flatrates wie Skoobe und Kindle Unlimited.

Ohne Lizenzen kein Verleih

Im Vergleich zu richtigen Flatrates hat die Onleihe aber einen entscheidenden strukturellen Nachteil. Verfügbar sind nur solche Titel aus dem mehr als 150.000 eBooks umfassenden Onleihe-Sortiment, von denen die jeweiligen Bibliotheken digitale Leih-Lizenzen erworben haben, und auch nur in dieser Anzahl. Hat eine Bibliothek oder ein Verbund etwa 3 Lizenzen eines Titels angeschafft und 3 Ausgaben sind verliehen, führt der Weg zum Buch nur über Wartezeit.

Weil jede Bibliothek für ihr eigenes Sortiment zuständig ist, unterscheiden sich die Angebote deutlich – quantitativ wie qualitativ. Wesentliche Faktoren ist sicherlich auch die Digital-Affinität der Entscheider auf Bibliotheksseite, aber auch die Finanzkraft der jeweiligen Kommune oder – bei Zusammenschlüssen- der Kommunen. Ohne Budget keine Lizenzen.

Verbünde schlagen Einzel-Leihen

Unser Leser Thomas Potthoff hat uns eine Auswertung über das Krimi-Angebot in 242 Gemeinden in NRW zukommen lassen. Herausgekommen ist eine Übersicht mit dem Sortiment von 34 Onleihe-Angeboten – die Differenz ergibt sich daraus, dass sich die Bibliotheken vieler kleinerer Gemeinden zusammengeschlossen haben. Ganz klar zum Nutzen der Mitglieder, denn vor allem das Angebot vieler Verbünde kann sich sehen lassen.

Das größte Krimi-Sortiment in NRW hat derzeit Bibnet, ein Zusammenschluss von zehn niederrheinischen Bibliotheken von Städtchen wie Mettmann und Velbert. Ganze 4.051 unterschiedliche Kriminalromane waren dort zum Stichtag für all diejenigen verfügbar, die einen Mitgliedsausweis einer der angeschlossenen Bibliotheken ihr Eigen nennen.

Finanzstarke Kommunen bieten mehr

Auf Platz 2 liegt Münsterload (3.790 Krimis), ein Verbund von 13 Bibliotheken aus dem Münsterland, gefolgt von der Stadtbücherei der Landeshauptstadt Düsseldorf. Mehr als 15.700 unterschiedliche Belletristik-eBooks gibt es für Düsseldorfer Bib-Nutzer, darunter 3.533 Kriminalromane.

Bemerkenswert ist, dass im Vergleich zu Düsseldorf und Münster + Umland deutlich weniger finanzstarke Großstädte wie Duisburg und Dortmund auch ein viel kleineres Onleihe-Angebot haben. In den genannten Ruhr-Metropolen gibt es jeweils "nur" rund 2.000 Kriminalromane.

Bedenklicher Graben

Am unteren Ende der Ausstattung rangieren wenig überraschend Bibliotheken von kleineren Gemeinden, die sich nicht Verbünden angeschlossen haben. Wer einen Bibliotheksausweis von Weilerswist sein Eigen nennt, kann aus gerade einmal 215 Kriminalromanen wählen. Und auch in Gummersbach stehen nur 365 Kriminalromane zur Auswahl.

Die Werte verändern sich laufend durch Neuanschaffungen von Bibliotheken und Umgruppierungen seitens der Onleihe-Betreibergesellschaft. Die Tendenz ist aber klar: Große Verbünde und finanzstarke Großstädte gewinnen klar gegenüber Einzel-Initiativen (wo die kleinere Nutzerzahl keinesfalls das kleinere Angebot ausgleicht) und strukturschwachen Regionen. Letzterer Umstand sollte zu denken geben, sollen öffentliche Büchereien doch gerade auch sozial Schwächeren Fortbildung und bibliophile Unterhaltung ermöglichen.

<Bildnachweis: Onleihe von Shutterstock>