Readium-SDK erreicht 1.0: Weg frei für EPUB3
Diese Woche gab das EPUB3-Entwickler-Konsortium Readium bekannt, dass das gleichnamige Projekt für die Open-Source-Implementierung einer EPUB3-Reader-Software die Version 1.0 erreicht hat. Damit steht für Anbieter und Leser von eBooks eindlich ein quelloffenes Framework bereit, mit dem Lese-Anwendungen für das Enhanced-eBook-Format EPUB3 erstellt werden können.
Die Hintergründe
Schon seit Oktober 2011 gibt es mit EPUB3 die Spezifikation für den technischen Nachfolger des EPUB-Formates, das von allen wesentlichen eBook-Shops und eBook Readern verwendet wird – außer von Amazon, die mit Mobipocket/KF8 schon immer auf ihre eigene, prorietäre Formate-Welt gesetzt haben. Mit EPUB3 ist es möglich, eBooks um Multimedia-Elemente und interaktive, dynamische Komponenten in Form von Javascript-Widgets zu erweitern. Zudem sind deutlich bessere Layouts und sogar feste Seitenproportionen mit EPUB3 realisierbar.
Allerdings wurde bereits Anfang 2012 klar, dass der Weg zu einer breiten Unterstützung von EPUB3 in Markt und Technik lang sein würde. Die Unterschiede zum Vorgänger-Format sind im Detail durchaus anspruchsvoll für die Implementierung einer leistungsfähigen Software, so dass außer Apple mit seiner iBooks-App anfangs kaum einer Hersteller bereit war, diesen Aufwand für den Nischenmarkt Enhanced eBooks in Kauf zu nehmen.
Das Projekt
In Zusammenarbeit mit dem amerikanischen IDPF, der Standardisierungs-Organisation hinter EPUBm schlossen sich deswegen Anfang 2012 eine große Zahl von Software-Unternehmen und Verlagen zum Readium-Projekt zusammen, um die Implementierung gemeinsam in die Hand zu nehmen. Die Mitglieder-Liste des Projektes liest sich denn auch wie ein Who is Who des internationalen eBook-Business: Außer Amazon und Apple sind alle großen Namen vertreten, und mit der Telekom, eBook.de und txtr sind sogar drei deutsche Unternehmen mit von der Partie.
Zwar gelang es den beteiligten Entwicklern schon 2012, als eine Art Vorab-Demo einen EPUB3-Reader in Form eines Plugins für den Chrome-Browser zur Verfügung zu stellen, aber danach geriet das Projekt offenbar ins Stocken und zog sich bis heute in die Länge. Ob dafür vor allem technische Schwierigkeiten, mangelnde Ressourcen oder die zähen Mühlen eines Industrie-Konsortiums verantwortlich waren, ist nie nach außen gedrungen. Im Endeffekt dauerte es aber fast 3 Jahre, bis Readium nun endlich bei einem releasefähigen Stand angekommen ist.
Die Möglichkeiten
"Endlich“ muss man schon deswegen sagen, weil sich die fehlende Reader-Unterstützung in den meisten Lesesystemen als sehr effektives Hindernis für die Verbreitung von EPUB3 erwiesen hat. Kein Wunder, denn solange es kaum Lesegeräte für ein Format gibt, produzieren kaum Verlage Inhalte, und solange es diese Nachfrage nicht gibt, werden kaum Dienstleister und Software-Hersteller die notwendigen Produktionstools zur Verfügung stellen – ein klassisches Patt. Zwar gibt es bereits einige EPUB3-Anwendungen auf Basis von früheren Beta-Ständen aus dem Readium-Projekt, beispielsweise die iOS-App von txtr oder auch die Adobe-Digital-Edition-Version 4.0, aber beiden merkt man den Beta-Zustand doch noch deutlich an.
Mit Readium 1.0 könnte sich das nun ändern, vor allem weil mit Sicherheit alle beteiligten Firmen mit eigenen Implementierungen nur auf den Code aus dem Projekt gewartet haben. Zwar erreicht auch Readium 1.0 nach den Release-Notes noch nicht 100 Prozent der Kompatibilität der dafür erstellen EPUB3-Testsuite. Aber alle wirklich zentralen Funktionen sind zumindest soweit realisiert, dass es sich nun lohnt, produktive Implementierungen auf dem Stand aufzusetzen.
Für alle Anbieter von Lese-Applikationen, egal ob es sich um eigenständige Mobile-Apps handelt oder um die Firmware von eBook Readern, können sich nun dieser gemeinsamen Code-Basis bedienen und ihre Anwendungen EPUB3-fähig machen. Readium wird dazu unter zwei verschiedenen Lizenz-Modellen angeboten, unter der GPL-Lizenz für Open-Source-Projekte und unter einer für die kommerzielle Verwendung leichter handhabbaren alternativen Lizenz. Zu hoffen bleibt nun natürlich, dass die Anbieter diese Chance auch wahrnehmen und in diesem Jahr ihre Lesesysteme mit den neuen Fähigkeiten zur Darstellung von EPUB3 ausstatten. Denn mit Readium ist einer der Haupt-Hindernisse für die technische Weiterentwicklung von eBooks weggefallen.
Was heißt das für Leser und Verlage?
Für Verlage besteht nun die Chance, dass anspruchsvolle Enhanced-eBook-Projekte in Zukunft auch außerhalb der Apple-Welt vertrieben werden können. Und auch wenn klar ist, dass die Funktionen von EPUB3 im Belletristik-Bereich kaum jemals benötigt werden – mit Schul- und Lehrbüchern, didaktischem Material, Sprachlern-Anwendungen, Sach- und Fachbuch gibt es genug Anwendungsfälle, bei denen die Verlage nur darauf warten, endlich in die Produktion einsteigen zu können, weil es die Chance auf einen Markt gibt.
Für Leser dürfte sich zunächst sehr wenig ändern – außer dass in den nächsten Jahren immer mehr Geräte und Applikationen auf dem Markt kommen werden, die neben reinem Text auch Audio, Video und interaktive Elemente darstellen können. Dass sich das durchaus lohnen kann, zeigen die spannenden Titel, die im Herbst 2014 beim ersten Deutschen eBook-Award auf der Buchmesse prämiert wurden. E-Ink-Geräte werden zwar auch von der besten Software nicht zur Multimedia-Maschine gemacht, aber für alle Besitzer von Tablets und Smartphones ergeben sich hier spannende neue Möglichkeiten.
Über den Autor: Fabian Kern ist selbständiger Berater und Trainer für Digitalmedien-Produktion. Er berät Verlage und Medienhäuser bei Projekten in den Bereichen eBooks, enhanced eBooks, Mobile Apps und Web-Anwendungen und bloggt bei digital publishing competence und auf smart digits. Daneben ist er Dozent an der Akademie der deutschen Medien und an der LMU München sowie Mitautor der Fachpublikation Mobile Publishing.
Kommentare
Readium SDK erreicht Version 1.0 – ein erfreulicher Schritt für EPUB3 | digital publishing competence 9. Januar 2015 um 13:32
[…] und der Weg für eine neue Generation von Reader-Apps frei wird. Aus diesem Anlass habe ich einen längeren Kommentar als Gastbeitrag bei lesen.net veröffentlicht, auf den ich hiermit sehr gerne […]
NEWS! Weg frei für EPUB3 | OnleiheVerbundHessen 24. Januar 2015 um 17:02
[…] Die Verlage und Endnutzer warten seit fast drei Jahren darauf: jetzt soll das Readium-Projekt (Zusammenschluss aller internationalen am eBook-Buisiness beteiligten Firmen) endlich bei einem releasefähigen Stand angekommen sein. Damit steht für Anbieter und Leser von eBooks endlich ein quelloffenes Framework bereit, mit dem Lese-Anwendungen für das Enhanced-eBook-Format EPUB3. Mehr dazu unter lesen.net hier […]
Mobile Publishing: Update Januar 2015 | smart digits 3. Februar 2015 um 05:32
[…] Version 1.0er-Macken behaftet, aber immerhin ein Anfang. Ebenfalls die Version 1.0 hat nun endlich das Readium SDK erreicht: Damit liegt nun nach langen Projektjahren ein Open-Source-Framework für die Implementierung von […]
Romane als Graphic Novel: Beliebte Geschichten völlig neu erleben » lesen.net 2. April 2015 um 15:16
[…] die überhaupt als eBook zu haben sind, sind leider im pdf-Format und nur sehr selten als epub/epub3 vorhanden. Aber es ist erfreulich, dass es sie überhaupt gibt. Denn die meisten […]