Spiegel aufs iPhone, Stern auf eReader
Die beiden großen deutschen Nachrichtenmagazine wagen einen weiteren Schritt in den digitalen Raum – und gehen dabei gleich aufs Ganze. Denn Spiegel und Stern wollen nicht etwa modifizierte bzw. abgespeckte Ausführungen ihres Printprodukts in elektronischer Form bereit stellen (wie jüngst etwa die Welt am Sonntag), sondern das physische Magazin 1:1 kopieren.
Ob das – Stand heute – eine gute Idee ist, erscheint allerdings absolut fraglich. Denn die von den beiden Titeln angestrebten Endgeräte bringen eigentlich noch nicht die technischen Voraussetzungen für eine adäquate 1:1 Wiedergabe der Inhalte mit.
Der Spiegel, auflagenstärkstes deutsches Wochenmagazin, hat das iPhone als ideales Trägermedium ausgemacht. Der Vertrieb erfolgt über eine "konventionelle" App, die aber anders als etwa die kostenlose Stern-App (gerade übrigens zwischenzeitlich gesperrt worden) nicht einfach nur das Online-Angebot des Verlags iPhone-gerecht aufarbeitet. Vielmehr soll das komplette Magazin zum kostenpflichten Download bereit gestellt werden, meldet der Kressreport.
Los gehen soll es noch in diesem Jahr, als Kostenpunkt ist ein Preis nahe von Print/Internetausgabe (3,70 Euro) im Gespräch. Dafür ist der Spiegel auf dem iPhone immerhin schon Samstag Abends statt am Montag verfügbar.
Kommentar von Spiegel Online Chef Rüdiger Ditz: "Wir glauben, dass es sehr erfolgversprechend ist, die einzigartigen Inhalte des 'Spiegel‘-Heftes als App elegant zugänglich zu machen." Dem möchte man trotz des großen Angebots von eBooks im App Store wiedersprechen: Für großformatige Fotos und Grafiken ebenso wie für die oft etliche Seiten langen Reportagen des Spiegel ist das kompakte Smartphone kaum geeignet. Verschenkt wird bei einer stumpfen 1:1 Übertragung zudem das Potenzial multimedialer Inhalte und größerer Aktualität durch Updates von veralteten Informationen.
Noch ambitionierter erscheint der Plan von Gruner+Jahr, "in wenigen Monaten" das Nachrichtenmagazin 1:1 auf Amazon Kindle 2 & Co. zu bekommen. Wie das Branchenblatt V.i.S.d.P. unter Berufung auf einen Artikel im Freelens Magazin meldet, wird das ebenso äußerst farbenfrohe Printmagazin "mit allen Artikeln und Fotos" auf eBook Reader kommen. Die Information kommt von Andreas Trampe, Bildchef des Stern und damit sicherlich vertraut mit der Materie.
In der G+J Pressestelle gab man sich zugeknöpft zum Sachverhalt: "Der Stern setzt sich intensiv mit Entwicklungen im Bereich der eReader auseinander", bekamen die Kollegen in den Notizblock diktiert. Das äußert sich öffentlich bislang unter anderem mit einem (etwas trashigen und nicht mehr ganz aktuellen) "eReader-Blog" von der 100%igen Tochtergesellschaft DPV; im Kindle Store ist G+J bislang noch nicht in Erscheinung getreten.
Die hier erscheinenden deutschen Periodika (Wirtschaftswoche, FAZ, Handsblatt) sollten den Stern-Machern aber ein mahnendes Beispiel sein. Mit verwaschenen Grafiken und mieser Benutzerführung ist der Mehrwert bislang doch sehr gering, im worst case droht sogar eine Schädigung der Print-Marke.
Bevor farbige E-Paper wie Mirasol marktreif und bezahlbar sind oder alternative Produktkonzepte wie von Asus im Handel auftauchen, scheinen bildlastige Hochglanzmagazine in digitaler Form maximal auf dem Computermonitor (zum Beispiel via Issuu) eine gute Idee zu sein. Für die Übertragung auf kompakte mobile Devices – sei es Smartphone, UMPC oder E-Ink Lesegerät – haben Verlage wie Leser Kompromisse auf Kosten vom Nutzwert einzugehen.
<via Golem, Basic Thinking, Turi2 (Twitter)>
Kommentare
mtravellerh 28. November 2009 um 11:24
Na ja, über Spiegel Online und mit ein bisschen Geschick kann man das Ganze auch wesentlich billiger haben! Ob die Rechnung wohl aufgeht? Hoffentlich kommen die Spiegelmacher jetzt nicht auf die Idee, ihre Inhalte nur mehr fitzelchenweise auf ihre Site zu setzen, um den Umsatz anzukurbeln!
Anja 29. November 2009 um 11:21
Meiner Meinung nach schießen die SPIEGEL-Macher damit ein Eigentor. Ich bin Print-Abo-Kunde und lese viele Artikel erstmal schnell quer. Wie das bei einem 6-Seiten-Artikel auf dem Winzling iPhone gehen soll..ich weiß ja nicht. Ich habe grundsätzlich kein Problem damit für eine e-Ausgabe einer Zeitung so ca 20% weniger als für die Printversion auszugeben, aber sicherlich nicht für ein App auf dem iPhone. So ein unüberlegter Schritt kann auch mal schnell böse Folgen für die Printausgabe haben.
Camangi Webstation: GPS, WLAN, epub » eReader » lesen.net 30. November 2009 um 08:29
[…] Für Publikumszeitschriften geben diese Devices aber sicherlich bessere Lesegeräte her als das auch nicht allheilbringende […]
Nicolai 30. November 2009 um 16:15
also imho funktioniert Querlesen super auf dem "Winzling"
Janis 8. Dezember 2011 um 16:12
Auf Tablets stundenlang lesen und ein Spiegel liest man stundenland stort Augen (sogar sehr), das ist keine alternative fur Papier. bilder kann man da schauen aber nicht lesen. Kindle ist super Umweltfreundlich alternative fur papier um das wichtigste von Spiegel – Text – umweltfreunlich und viel billiger verbreiten. Ich kann nicht verstehen warum die Spiegel herausgeber das nicht kappieren.