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Storium: Wenn das Schreiben zum Spiel wird

Wer erinnert sich nicht an spannende Gruselgeschichten Nachts am Lagerfeuer? Das US-Startup Storium verspricht die Möglichkeit, an diese Zeiten anzuknüpfen und gemeinsam mit anderen Geschichten zu erzählen. Wir haben einen Blick auf die Plattform geworfen, die sich momentan in der halboffenen Beta-Phase befindet.

Das Schreiben von Büchern gilt allgemein als relativ einsame Angelegenheit. So sagt beispielsweise Andreas Eschbach: "Schriftsteller führen in erster Linie ein einsames Leben. Man verbringt den größten Teil seiner Zeit allein in einem stillen Zimmer und schreibt." Das Erzählen von Geschichten ist jedoch von jeher auch eine stark soziale Aktivität. Viele werden sich an Abende am Lagerfeuer erinnern, an denen Gruselgeschichten erzählt wurden und in älteren Gesellschaften diente das gemeinsame Erzählen von Geschichten als zentraler sozialer Kitt.

Aus Schreiben wird Spiel

Mittlerweile gibt es diverse Plattformen, die es Autoren ermöglichen, ihre Geschichten Lesern zu präsentieren und auch auf die Rückmeldung der Leser zu reagieren. Besonders bekannt sind hier natürlich die Self-Publishing-Möglichkeiten, die Amazon bietet, und das kanadische Startup Wattpad. Beide verstehen sich jedoch als Bindeglieder zwischen Lesern und Autoren, also einem Erzähler und seinem Publikum. Sie lassen damit außen vor, dass sich Geschichten auch wunderbar gemeinsam erzählen lassen.

Es gibt jedoch einige meist inaktive kleinere Plattformen, die diese Idee aufgegriffen haben – beispielsweise Novlet oder FoldingStory. Anfang dieses Jahres hat Stephen Hood nun mit seinem Startup Storium durch eine Kickstarter-Kampagne für besonderes Aufsehen gesorgt: 25.000 US-Dollar sollten für eine Plattform eingeworben werden, die Mechaniken von Kartenspielen und Rollenspielen mit dem gemeinsamen Erzählen einer Geschichte verbindet. Am Ende standen gut 250.000 US-Dollar von mehr als 6.000 Unterstützern.

Erzähler, Karten und Geschichten

Storyansicht von Storium

Storyansicht von Storium

Wie funktioniert also nun dieses strukturierte gemeinsame Erzählen von Geschichten? Als Grundlage bietet Storium eine Vielzahl von fiktiven Welten, in denen eine Geschichte erzählt werden kann. Aktuell sind dies eher einfache, genretypische Welten, wie eine Fantasy-Welt, eine Cyberpunk-Welt oder eine Ärztedrama-Welt. Mit dem Launch, der aktuell für Ende dieses Jahres angekündigt ist, sollen dann jedoch 60 Welten bereit stehen, die von bekannten Autoren entwickelt werden – unter anderem Ramez Naam, Karen Lord, Elizabeth Bear oder Seanan McGuire (alias Mira Grant).

Jeder Nutzer kann in diesen Welten als Erzähler eine Geschichte beginnen und andere Mitspieler hierzu einladen, die jeweils eine eigene Figur in dieser Geschichte übernehmen. Hat sich eine ausreichend große Gruppe gefunden (meist drei bis acht Mitspieler), beginnt das Spiel und der Erzähler schreibt einen Einstieg in die erste Szene. Dabei formuliert er auch ein spezielles "Problem", das die Spieler in dieser Szene lösen sollen. Die Mitspieler haben hierzu zu Beginn des Spiels "Karten" bekommen, die jeweils einen Gegenstand oder eine positive beziehungsweise negative Eigenschaft ihrer Figur beschreiben. Diese können sie nun einsetzen, um dieses Problem zu lösen. Dabei spielen sie jedoch nicht nur die Karte aus, sondern erzählen auch die Geschichte weiter. Wenn genügend Karten eingesetzt wurden und das Problem gelöst werden konnte, schließt ein Spieler die Erzählung des Problems ab und der Erzähler leitet zum nächsten Problem oder der nächsten Szene über.

So entstehen nach und nach einzigartige und gemeinsam erzählte Geschichten, in denen Erzähler wie Mitspieler immer wieder von dem überrascht werden, was sich die anderen so ausdenken. Die Geschichten können dann von allen Nutzern auf der Plattform gelesen werden. Im Mittelpunkt steht jedoch ganz klar das gemeinsame Erzählen.

Sprache, Kosten und Erweiterung

Ansicht der verfügbaren Welten in Storium

Ansicht der verfügbaren Welten in Storium

Aktuell befindet sich Storium in einer halboffenen Beta-Version, zu der alle Unterstützer der Kickstarter-Kampagne (wie der Autor dieses Artikel) ebenso Zugriff haben wie diejenigen, die sich erst jetzt entscheiden, Storium zu unterstützen. Dabei ermöglichen 10 US-Dollar den Zugang zu der Beta-Version und 40 US-Dollar bieten darüber hinaus ein Jahr kostenlosen Zugriff nach dem Launch sowie Zugang zu allen 60 Welten.

Da die Kickstarter-Kampagne das ursprüngliche Ziel um mehr als das Neunfache überschritten hat, hat Storium noch einige weitere spannende Ideen entwickelt, die nach dem Launch umgesetzt werden. So soll die bislang ausschließlich englischsprachige Benutzeroberfläche in mindestens drei weitere Sprachen übersetzt werden und auch Tools zur Verfügung stellen, mit denen die Benutzer selbst als Übersetzer tätig werden können. Auch erweiterte soziale Funktionen wie private Nachrichten oder eine Vernetzung von Benutzern sind geplant. Schließlich soll es auch eine Version geben, die speziell auf die Bedürfnisse für den Einsatz in Schulen ausgerichtet ist.

Mit Storium verschwimmen die Grenzen zwischen Autoren und Publikum endgültig und das Konzept der "Teilgeber" findet Eingang in diesen bislang eher individuellen Bereich. Storium ist dabei vielleicht erst der Anfang einer Entwicklung, welche die Dynamiken von Online-Rollenspielen mit der klassischen Form der erzählten Geschichte kombiniert und uns möglicherweise eine weitere neue Darstellungsform von Geschichten beschert.

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Kommentare


Mobile Publishing: Update September/Oktober 2014 | smart digits 21. Oktober 2014 um 07:47

[…] hier Elemente von Rollenspiel mit kollektivem Schreiben und Geschichten erzählen zu einer Art “virtuellem Lagerfeuer” […]

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