"Unterwerfung": Protagonist bestellt täglich bei Amazon, Buchhändler verkaufen weiter
Im jüngst erschienenen "Unterwerfung", einem aus aktuellen Anlass viel diskutierten und extrem stark nachgefragten neuen Roman, lässt Michel Houellebecq seinen Ich-Erzähler François Bücher bei Amazon kaufen – täglich. Da werden Erinnerungen wach.
Bei Amazon.de sprang die Print-Ausgabe von "Unterwerfung" gleich nach Erscheinen von Null auf 1 und ist dort gegenwärtig 1-3 Wochen lang vergriffen. Das Kindle Book rangiert derzeit auf Platz 6 der Charts und ist damit mit Abstand der meistverkaufte Verlagstitel. Die Handlung – in einer nahen Zukunft stehen Islamisten vor der Machtübernahme in Frankreich und bringen das Land an den Rand eines Bürgerkrieges – wurde durch die Terroranschläge von Paris unfreiwillig aktuell.
Tägliche Buchlieferungen von Amazon
Im Roman lässt Houellebecq seinen Ich-Erzähler, einen Literaturwissenschaftler, sich angesichts der Geschehnisse zunehmend aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. Auf Seite 185 der Hardcover-Ausgabe liest sich das so:
Es wurde immer kälter, und ich verließ zunehmend seltener die Wohnung: Einmal pro Woche ging ich in den Supermarkt Géant Casino, um meine Vorräte an Lebensmitteln und Pflegeprodukten wieder aufzufüllen; dazu einmal täglich zum Briefkasten, um die Bücher herauszuholen, die ich bei Amazon bestellt hatte.
Da fühlt man sich unweigerlich an die "Conni-Affäre" im Frühjahr 2013 erinnert. Damals sah sich der Carlsen Verlag auf Protest von Buchhändlern hin dazu gezwungen, einen Amazon-Gutschein nachträglich aus einem Conni-Band zu lektorieren. Der Vorfall schlug hohe mediale Wellen (unter anderem berichtete Spiegel Online), die Buchhändler kamen dabei nicht allzu gut weg.
Schon darum wird es diesmal eher keine lautstarken Beschwerden seitens unabhängiger Buchhandlungen geben. Außerdem wird sich "Unterwerfung" zwar um ein Vielfaches häufiger verkaufen als der beanstandete Conni-Band, bei einem solchen Roman liegt der Fall aber doch anders als bei einem für Kinderhände bestimmten Buch. Letztlich werden sich die Buchhändler aber auch damit abfinden müssen, dass Amazon-Bestellungen zwischen für einen großen Teil der Gesellschaft schlicht Usus sind und damit ganz natürlich Eingang in kulturelle Erzeugnisse finden – ob sie von den Buchhändlern verkauft werden oder nicht.
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